Sind Menschen tatsächlich zu beneiden, die keine Tränen mehr haben ?
Ich glaub, niemand ist wirklich zu beneiden.
Tränen sind Tränen und rational kaum zu fassen. Letztes Jahr, beim Begräbnis meiner Schwester kamen auch wieder welche. Die Stimmung, die Musik, die Gedanken der Erinnerung an früher, bevor wir uns vollkommen auseinander gelebt hatten und noch einen intensiveren Bezug hatten, die Erinnerung an die Sommerferien, die ich immer bei der großen Schwester verbracht habe, die gemeinsamen Skiurlaube... nach dem ich beim Bundesheer war ist unser Kontakt immer mehr abgerissen, gegen Ende zu haben wir uns, wenns gut her geht, noch zweimal im Jahr gesehen und konnten nicht mal mehr reden, weil sie ihre Fähigkeit zu Sprechen verloren hat. Ihr Mann hat sie 11 von 13 Jahren gepflegt, die sie im Rollstuhl verbracht hat und ich hab sie zwei mal im Jahr besucht.
Drum sag ich: Die Tränen beim Begräbnis waren keine brauchbare Referenz für mein echtes Gefühl, ist auch viel Sentimentalität und auch Selbstmitleid dabei und mir selber ist es nicht wirklich möglich, hier Wahrheit und Selbstbetrug auseinander zu halten. Ein unkontrollierbarer Gefühlsausbruch eben, aber auch Ausdruck von Schuldgefühlen, die Lebenszeit nicht richtig genutzt zu haben.
Bis Ende Mai hab ich noch innerlich geweint, wegen einer unglücklichen Liebe. Da haben mir ganz einfach noch Erfahrungen gefehlt, die mich dahin gebracht haben, zu sagen: "Alte, jetzt kannst mir wirklich den Buckel runter rutschen, mit dir bin ich maximal noch per Sie, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Erfahrungen, die das, worüber ich bis dato noch geweint habe in die Gleichgültigkeit überführt haben.
Also, will sagen; auch wenn ich Tränen habe, bin ich nicht zu beneiden.