Kreuz zu tragen

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Das ist/war man für's Opfer auch. Letzlich.
Zumindest dafür, dass man sich das von anderen so hat suggerieren, einreden hat lassen. Man denen geglaubt hat.
Rischtisch. Nur - solange ich mich NUR als Opfer sehe, rede ich mir (erfolgreich???) ein, ich sei nicht verantwortlich.

Sobald ich die Opferrolle in den Kasten hänge, funktioniert das nicht mehr...

Liebe Grüße
Kinny
 
Rischtisch. Nur - solange ich mich NUR als Opfer sehe, rede ich mir (erfolgreich???) ein, ich sei nicht verantwortlich.

Schon klar, nur, im Grunde genommen bist du's, auch wenn du's verdrängst, ja dennoch. Wer (er)trägt, erleidet denn die Folgen? Wer anderer? Nö!

Also ist es zumindest unbewusste eine eigene Wahl. Wer hat sich den A... denn ausgesucht? Mag bei Eltern vielleicht, je nach eigenem Konzept nicht so ganz zutreffen, zumindest mag man sich da noch schwerer tun.
Eltern und Kinder sind mitunter wie Katz und Hund.
Warum geht das nicht anders? Oder sollen die sich gegenseitig fertigmachen? Wozu?
 
Rischtisch. Nur - solange ich mich NUR als Opfer sehe, rede ich mir (erfolgreich???) ein, ich sei nicht verantwortlich.

Sobald ich die Opferrolle in den Kasten hänge, funktioniert das nicht mehr...

Liebe Grüße
Kinny


Wie weit die Selbstverantwortung geht und man eine Opferrolle einfach in den Kasten hängen kann, finde ich eine sehr schwierige Frage. Vor allem in Anbetracht dessen, dass unbewusst alles nach Harmonie strebt, wie Crazy Monk gesagt hat.

Menschen, die geistig ein Leben lang nicht aus der Opferrolle herauskommen, das heisst, sich eben NUR in dieser sehen, haben es also verpasst, selbstverantwortlich zu werden? Wenn ich mir bestimmte Schicksale so betrachte, so kann ich das einfach nicht so sehen, macht schlicht keinen Sinn für mich.
 
Magst ein Bsp. geben? Würde dann vllt. für mich transparenter werden- so weiss ich nicht genau, was du meinst.
:)


Eine Krankheit beispielsweise wie Schizophrenie...ich hab halt immer auch das Schicksal meines Bruders vor Augen, das ist für mich aber auch beispielhaft für solche Opferrollen, die ich meine.

Vielleicht muss ich ein bisschen ausholen: Hätte mein Bruder seine Medikamente genommen, wäre es bestimmt ganz anders verlaufen, doch er hat immer wieder gekifft, sah das ganze nicht ein mit dem Medi schlucken und schlitterte wieder in einen Schub. Und er hat sich irgendwann auch mit dem HIV angesteckt und ist daran gestorben. Beide Krankheiten hat er verleugnet, Therapien verweigert und die Medi nicht genommen. Er glaubte nicht daran, krank zu sein und war doch ganz und gar Opfer.

Solche Schicksale der extremen Verweigerung sind ja auch für die Mitmenschen eine enorme Herausforderung, und ich glaube, nicht nur psychisch, sondern auch geistig. Man kommt einfach an die Grenzen des Verständnisses und seiner eigenen Vorstellungen von Sinn.

Man spürt, wieviel Macht der Kranke ausübt und fühlt die eigene Ohnmacht. Und diese Ohnmacht könnte einen manchmal selbst fast in den Wahnsinn treiben. Weshalb? - weil man es nicht einsieht, dass der andere absolut keinen Sinn für Selbstverantwortung hat. Weil man nur zusehen kann, wie jemand endlos leidet. Weil man es nur noch zu akzeptieren hat, dass die Selbstbestimmung nicht für alle greifbar ist.

Und man sich nur noch fragen kann, was ist Selbstbestimmung überhaupt,inwiefern gibt es sie überhaupt? Und wie weit gibt es sie denn für mich, wenn ich das Leben als Anghöriger mit einem Kranken verbringe, dieser auch für mich ein Kreuz ist, das ich zu tragen habe?

Ich weiss nicht, was mein Bruder zu lernen hatte hier. Ich habe nur das Gefühl, dass er sein Kreuz auch wirklich sehr tapfer getragen hat.

Und ich vermute, dass die grösste Lernaufgabe bei solchen Schicksalen die für die Angehörigen, Mitmenschen und Gesellschaft ist.
 
Darf ich mal meine Gedanken dazu...? Ist aber nichts philosophisches, ist... nur so mal? Ich trau mich einfach :)

Gehen wir davon aus, dass es Opfer gibt, so ist ein Kranker durchaus als Opfer zu bezeichnen. Was an der Stelle nötig wird, ist ein Täter.
Wer oder was könnte das sein? Viren, Bakterien, der "böse Blick der Oma", entartete Zellen? Vllt. kannst du erkennen, dass ich an der Stelle schon Schwierigkeiten mit der Zuordnung habe. Gehts dir ebenso?
Desweiteren schreibst du, für mich eher sehr plötzlich, dass der Betroffene Macht ausübt (über Freunde, Angehörige, Nachbarn)- hmmmm. Nun verwirrt einen das noch mehr. Ein Opfer übt also Macht aus? Aber wie denn (?), es ist doch selbst Gefangener einer nicht zu ändernden Kette von Widrigkeiten... von Viren z.B., wollten wir der Überschaubarkeit halber beim Aids bleiben.
Gut, nehmen wir weiterhin an, es gibt nicht nur diese Opfer/ Täter Theorie, sondern die Praxis. So wird langsam, wenn auch entsetzterweise klar, dass Opfer auch immer Täter sind. *Er tat dir etwas an*, ist für mich jedenfalls klar erkennbar... und zwar dadurch, dass er nicht in die Eigenverantwortung ging?
Hätte er seine Medis genommen, wäre er vllt. noch am Leben, vllt. Vllt. wäre er aber auch von einem Zug überfahren worden oder ein Dachziegel wäre ihm auf den Kopf gefallen. Das ist kein Unken (und ich mache mich auch nicht lustig), es ist halt alles möglich, aber das weisst du ja auch.

Man könnte sich an der Stelle die Frage stellen, was wäre /würde werden, wenn mindestens einer aus dieser unglückseligen Kette aus der Opfer / Täter Rolle (die doch so nahe beieinander zu liegen scheint, dass sie sich zumindest bedingt) aussteigt? Wie könnte so ein Aussteigen aussehen? Wäre es vergleichbar mit Tod?
Ich habe für mich festgestellt, dass ein Aussteigen zumindest Todesangst mit sich bringt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, einen anderen Weg einzuschlagen und sah auch keinen ausser, du schriebst es, aus dem Leben zu flüchten. Also bekam ich Asthma. Asthma ist die nach Lousie Hay die Angst vor dem Leben.
Aber Aussteigen, das ging gar nicht so einfach. Bevor ich das tat, wollte ich zumindest doch wissen, wovor ich flüchte.
An der Stelle habe ich mich gefragt, WAS LEBEN IST. Ich habe angefangen, das vollkommen neu und unverfälscht zu betrachten, was ich fühle.
Unglaubliche Erkenntnisse kamen dabei ans Tageslicht. Man hat mir einreden wollen, ich sei mal Opfer, mal Täter. Das fing, soweit ich mich erinnere, bewusst in der Grundschule an. Da gabs mal einen Eintrag ins Heftchen, wo ich geschimpft bekam, weil ich eine Petze verhauen wollte.
Für mich war das ja völlig ok, ihr zumindest ein wenig Angst einzujagen. Schliesslich war es doof von ihr, uns zu verpfeifen (zumal sie vorher selber mit gemacht hat).
Aber als meine Eltern den Eintrag lasen... ohje, na was glaubste wohl? Spätestens da ward ein Opfer geboren!
Als ich mich dann an weitere Begebenheiten erinnerte, die allesamt in die eine oder andere Richtung (Opfer oder Täter, das ist hier die Frage!) liefen, begriff ich, dass ich für mich darauf pfeifen kann, was jemand von meinen Aktionen hält. Ich selber muss sie doch bloß verantworten können, niemand sonst. Nun endlich durfte ich damit aufhören mich zu grämen, nur weil mich jemand in eine Schublade stecken will. Ich liess es ganz einfach nicht mehr zu!
Und was ich für mich lebe, das kann ich dann auch getrost einem anderen anvertrauen ebenfalls für sich zu tun.
Natürlich schützt das nicht vor Trauer, Schmerz, Wut u.s.w., aber mir erleichtert es meine Dasein ganz erheblich. Und das Asthma ist ausgeheilt (obwohl ich über 18 Jahre Cortisonspray nahm).
Alles Liebe,
 
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Ich hatte mich schon immer dafür entschieden, kein Kreuz zu tragen. Für mich nicht und auch nicht für andere.

Mit einem Wort: Mir gehts gut.:)


LG
Juppi
 
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