Ist weinen nur eine Angewohnheit?

Ich dagegen sehe das anders. Der Weinende ist recht egoistisch. Er kümmert sich nicht voll und ganz um den Leidtragenden, sondern fordert mit seiner Heuelerei selbst Mitgefühl ein. Der "nichtmitfühlende" Nichtweinende dagegen ist völlig selbstlos, nicht auf sich selbst konzentriert sondern auf sein Gegenüber.

Das sind Wertungen. Wieso ist ein nicht weinender Mensch selbstlos? Und jemand der weint nicht? Das kann ich gar nicht nachvollziehen.
 
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Ich frag mich grad ob dem Weinen in unseren Köpfen noch der Glaubenssatz 'Weinen ist ein Ausdruck von Schwäche' anhaftet. Das würde erklären, warum andere dann Mitleid haben oder es so sehen, dass jemand jetzt Trost bedarf und vermeintlich in den Mittelpunkt gerückt ist.

Warum es nicht einfach als Audruck von Emotion sehen? Einer ist traurig und verdrückt ein paar Tränchen - ist doch ok. Andere haben sich konditioniert (nicht neg. gemeint sondern als wirkungsvoll erfahren) - grenzen sich ab, sehen sich nicht berührt, weinen nicht, auch ok.

Jeder sollte das Recht haben seine Emotion so ausleben zu können wie es ihm gut tut.

Ich hab im schamanischen Arbeiten für andere schon geweint, auch rauschgeschriehen. Im nachhinein als unterdrücktes, weggeschobenes und somit als Blockade manifestiertes interpretiert.

Ich denk man sollte sich nicht verstellen, weil es einem peinlich ist. Jeder hat sein Recht auf sein eigenes so sein....

:umarmen:
 
Siehst du, und ich hatte eine Mutter die "nah am Wasser gebaut" hatte. Ihr standen sehr schnell die Tränen in den Augen. Und damit hat sie mich schon als Kind zur Starken gemacht. Ich wäre aber manchesmal lieber das schwache Kind statt das starke Kind gewesen.

Dann haben wir evtl. genau Gegenteiliges erlebt und sind daraufhin auch Gegenteiliges 'geworden'.
Obwohl ich schon als Kind viel geweint hab, bei kleinsten Sachen. Daher weiß ich nicht, inwieweit eine Mutter darauf Einfluß hat.
Evtl. mehr, als ich es jetzt vermute oder mir denken kann.
 
Ich habe die Threadfrage gar nicht beantwortet und meine: nein, Weinen ist keine Angewohnheit. Sondern ein natürlicher Reflex.

Noch mal an Loop: Du legst in meine Worte eine Bedeutung, die ich so nicht aufgeschrieben habe! Ich schrieb, daß das Gefühl selber nicht das Weinen sei. Daraufhin schriebst Du, daß man nicht jede Gefühlsregung unterdrücken solle. Wo liegt da der Sinn in dieser Einlassung, wenn sie sich auf meine Worte beziehen wollen?!

Ich persönlich bin ja auch nah am Wasser gebaut. Beim Fernsehen zum Beispiel bin ich häufig gerührt, und Rührung führt bei mir zur Ausschüttung von Tränen. Unterdrücke ich jetzt aber die Tränen, unterdrücke ich ja nicht auch gleichzeitig die Wahrnehmung der Rührung. Sondern ich bescheide mich nur im Ausdruck dieses Gefühls.

Oder nehmen wir zum Beispiel auch das Sterben. Ich war nun schon früh im Leben als Kind davon betroffen, und in unserer Familie wurde sicherlich nicht richtig getrauert - geweint aber durchaus. Ich weinte zum Beispiel abends in meinem Zimmer. Heute sehe ich es so, daß ich weinen mußte, weil mir niemand das Gefühl bzw. den Gefühlsprozess der Trauer gezeigt hat. Es wurde mir nicht vorgelebt, was es bedeutet, einen Menschen zu verlieren, sondern ich nahm nur daran teil. Und daher habe ich mein eigentliches Gefühl, welches das Weinen auslöste, gar nicht wirklich erreicht. Es kam erst über 20 Jahre später, daß ich den Zugang zum Gefühl der Traurigkeit in mir erkannt hatte. Ich weinte dann eine Weile und dann war das Weinen aber auch vorbei. Traurig bin ich, wenn ich es zulasse, aber immer noch. Selbstverständlich bin ich traurig darüber, daß mein Vater damals verstorben ist, das Traurigsein gelingt aber m.E. sogar besser ohne Weinen, weil man dabei bewusst bleibt. Und heute, wenn jemand stirbt, bewundere ich stets das heulende Elend um mich herum bei den Trauernden, entschliesse mich stets, daß ich Trauer lieber bewusst und z.B. die Beerdigung lieber mit wachem Gefühl als betrübt erleben will und tröste lieber, als selber getröstet werden zu müssen. Weinen kann ich dann, wenn es nötig ist, besser zuhause.

Oder auch Freude: meiner Natur gemäss schüttelt es mich immer am ganzen Körper, wenn ich mich sehr freue. Ich hüpfe und tanze und springe dann, das war schon als Kind so, und ich fuchtele mit den Armen wild herum. Das wäre auch heute noch so, wenn ich nicht gelernt hätte, das Gefühl der Freude zwar zu haben wie früher, aber den körperlichen Gefühlsausdruck zurück zu halten. Ich würde vermutlich sonst in der Psychiatrie landen, sobald ich mich mal richtig freue und jemand dabei ist.

Und daher bleibe ich dabei: das Erlernen des bewussten Gestaltens des Gefühlsausdrucks ist nicht das Zurückhalten der Gefühlsregung oder des Gefühls an sich. Sondern es geht hier nur um die Kontrolle eines körperlichen Reflexes. Und daran kann nichts Schlimmes sein.

P.s.: Abgesehen davon ist Weinen natürlich auch etwas sehr Schönes, Befreiendes. Aber ich nehme an, daß es dem Threadersteller eher um ungewolltes Weinen geht. Und ich möchte ihn gerne darin bestärken, daß es wirklich nicht nötig ist, als Heilsuse durch die Gegend zu rennen und daß Tränen etwas Besonderes im Leben sein dürfen. Heulsusen können nämlich so richtig nerven und man könnte ihnen unterstellen, daß sie das Weinen als Mittel zum Zweck einsetzen und daß sie es so erlernt hätten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde nicht dass weinen nicht das Gefühl selbst ist, wenn ich weine fühle ich das wegen was ich traurig o. so bin noch viel mehr - u. wenn man aufhört zu weinen ist das nicht gut finde ich - iwann tut man dann voll ausrasten o. so.:(
 
Aber ich nehme an, daß es dem Threadersteller eher um ungewolltes Weinen geht.

Nach den Antworten von dir und dem Threadersteller ist dies nicht der Fall. Beide schreibt ihr nicht Vom Weinen. Dieser Missverstandeseintopf kann nicht zur Aufklarung fueren, was Gefuehle und koerperliche Reize in differenzierten Distanzen betrifft.

Schon mal den Satz gehoert: Wenn das Auge traent.. (?)

Es gibt viele Begriffe, die das koerperliche traenen bezeichnen. Das Weinen steht abseits dieser Begriffe. Nicht umsonst ist der Schwere Wein dem Schweren Weinen aenlich gesinnt.

Bewusstes Chaotisieren hilft nicht weiter.
 
Das sind Wertungen. Wieso ist ein nicht weinender Mensch selbstlos? Und jemand der weint nicht? Das kann ich gar nicht nachvollziehen.

Zwei Menschen werden Zeuge eines Unfalls mit Toten und Verletzten. Beide sind geschockt und erschüttert. Die eine Person setzt sich weinend an den Straßenrand; die zweite Person (mit Sicherheit nicht minder betroffen) schiebt ihre eigene Erschütterung weg, organisiert Hilfe und hilft so weit wie möglich mit. Und diese zweite Person ist für mich selbstlos. Während sich die erste Person nicht um den Unfall sondern nur um ihren eigenen Schmerz kümmert, hat die zweite Person ihren eigenen Schmerz hintenan gestellt.

Von außen wird aber meist die erste Person als die Sensiblere gelten. Ich sehe das anders. Wenn sie so sensibel ist warum heult sie dann statt zu helfen?

Ich war fünfzehn als ich zum ersten Mal mit einem anderen Mädchen freiwillig im Krankenhaus arbeitete (wir wollten beide Krankenschwestern werden). In einem Zimmer lag ein alter, abgemagerte Mann, dem wir beim Essen helfen sollten. Es war ein erbärmlicher Anblick. Das andere Mädchen hat es vielleicht eine Minute ausgehalten, hat dann weinend das Zimmer und die Station verlassen und hat letztendlich auch einen anderen Beruf erlernt. Noch Jahre später hat mir ihre Mutter erzählt dass ihre Tochter halt so ein sensibler und mitfühlender Mensch sei. Wenn sie so mitfühlend gewesen wäre hätte sie sich erstmal darüber Gedanken gemacht dass der alte Mann was zu essen kriegte. Ich war nicht minder geschockt wie sie, dachte aber dass es für den Mann schrecklich ist wenn er sieht wie wir bei seinem Anblick weglaufen. Übrigens habe ich abends zu Hause auch geweint weil das Elend im Krankenhaus so schrecklich war. Aber Abend war dann auch die Zeit für mich. Tagsüber ging es erst mal um andere Menschen.
 
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Wenn drei Menschen zusammensitzen und einer erzählt dass ihm gerade was schlimmes passiert ist und einer der Zuhörer weint vor Mitgefühl, dann gestehen die meisten dem Weinenden mehr Mitgefühl zu.

Ich dagegen sehe das anders. Der Weinende ist recht egoistisch. Er kümmert sich nicht voll und ganz um den Leidtragenden, sondern fordert mit seiner Heuelerei selbst Mitgefühl ein. Der "nichtmitfühlende" Nichtweinende dagegen ist völlig selbstlos, nicht auf sich selbst konzentriert sondern auf sein Gegenüber.


Auch deshalb unterdrücke ich lieber meine Tränen in der Öffentlichkeit oder verstecke sie, ich will nicht einem anderen was wegnehmen.
 
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