Auch bei den transzendenten Wesen spielt das Geschlecht eine gewisse Rolle. Nur geht es da nicht um die Sexualität, sondern um die Aspekte, mit denen sie verbunden sind. So sprach auch C.G. Jung von den Archetypen Animus und Anima die unser Wesen bestimmen und berühren.
So werden zum Beispiel in den Träumen auch die Rollen der Intuition von Protagonistinnen verkörpert. Das liegt darin, dass Frauen einen leichteren Zugang zum Unbewussten, also auch zum sinnlichen Draht zur Anderswelt finden können.
Etwas, zu dem schon der Geschichtsschreiber Tacitus bemerkte:
Germania VIII [Absatz 2] Ja, die Germanen meinen sogar, den Frauen sei eine gewisse Heiligkeit und seherische Gabe eigen, und so verschmähen sie weder ihren Rat, noch verachten sie nicht deren Bescheid ...
Das ließe sich auch rational erklären, aber das wäre wohl ein anderes Thema.
So besteht im Alten Testament ja unverkennbar ein deutlicher Mangel an weiblichen Aspekten. Es wäre auch in der christlichen Lehre so geblieben, wenn sich nicht trotz all der Widerstände des Klerus die kleinen Göttinnen in die Lehre eingeschlichen hätten.
Was war es über Jahrhunderte für ein Ringen, bis man für Maria endlich einen bedingt göttlichen Status zugestanden hatte. Selbst Luther stellte sich gegen die Marienverehrung. In der Volksseele hatte sich hingegen Maria längst als die Licht- und Himmelskönigin durchgesetzt.
Wenn man bedenkt, dass die Mutter eigentlich die erste und zentrale Bezugsperson in unserm Leben darstellt, so ist das Fehlen einer solchen Gestalt im göttlichen Pantheon schon etwas merkwürdig.
In unserer Seelenwelt dürfte man die Göttinnen also schon als ein Über-Ich in Sachen der Weiblichkeit verstehen. Die Mutter als der Inbegriff von Nähe, Geborgenheit, Liebe und Zuwendung.
Gut, mancher wird nun sagen, dass Gott beide Aspekte gleichermaßen in sich trägt – das mag unsere Ration zwar gerne sehen wollen, aber unsere Seele wird das so nicht anerkennen.
Die Kraft, die in den Göttinnen ausgeht, kann man an den Pilgern nach Ephesos oder Lourdes usw. erkennen. Mit dieser Kraft hatte sich auch Aschera als Gattin Jahwes lange Zeit einen Platz in den Herzen der Israeliten behalten. Eventuell wäre es also sinnvoller gewesen, wenn sich König Josia nicht entschlossen hätte, Aschera aus dem Tempel zu verbannen:
2. Könige 23 [4] Und der König (Josia) gebot dem Hohenpriester Hilkia und den nächsten Priestern nach ihm und den Hütten an der Schwelle, dass sie aus dem Tempel des Herrn tun alle Geräte, die dem Baal und der Aschera und allem Heer des Himmels gemacht waren. Und sie verbrannten sie außen im Tal Kidron, und ihr Staub wurde getragen gen Beth-El.
Nun ja, es lässt mich hoffen, dass wohl durch Papst Johannes Paul II. die Marienverehrung wieder mehr Aufschwung bekommen hat. Eventuell liegt es aber auch daran, dass sich die Menschen nach mehr Menschlichkeit sehnen?
Meiner Großmütter wegen hatten jedenfalls die Engel als auch die Madonnen schon immer einen vorrangigen Platz:
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