Aber in der Gegenüberstellung von Einzelseele und Weltseele, da erlaube ich mir einmal: „ … und dazwischen gibt es nichts?“
~ Reife in die Ideenwelt des göttlichen Geistes ~ ist mir etwas ungenau, in diesem Zusammenhang.
Lieber Teigabid
Um auf das Verbindende zwischen Einzelseele und Weltseele einzugehen, bedarf es einer etwas eingehenderen Darstellung. Ich mache es mir dabei als Antwort sehr einfach und zitiere aus einer
Veröffentlichung `
Platons Seelenlehre` von Hans G.Müsse.
`Die essentielle Aufgabe der Seele ist somit das Leben (Platon, Politeia 353d). Dabei unterscheidet Platon zwischen der Weltseele und der Einzelseele. Der Sache nach geht er dabei von einer Analogie zwischen Mensch und Kosmos aus: Der Körper des Menschen wird durch die Seele belebt, die Materie des Kosmos wird durch die Weltseele belebt. Zwischen der Weltseele und der Seele des Menschen besteht eine Wesensgleichheit (Platon, Timaios 41d - 42d)`
Weltseele
`Der Kosmos besteht aus Materie und wird von der Weltseele umgeben und durchdrungen (vgl. zur Herstellung der Weltseele Platon, Timaios 34a ff.). Als Bindeglied von immer Seiendem (Intelligiblem,
nus) und Werdendem/Vergehendem hat die Weltseele an beidem Anteil. Beides ist vermittels der Seele zu der intelligiblen Ordnung des wahrnehmbaren Kosmos gestaltet (Platon, Timaios 30ac, 69aff.; Nomoi 899b), der als ein Lebewesen
(zöon) alles Lebendige wie ein Ganzes seine Teile in sich umfasst und in unaufhörlicher Rotation begriffen ist (Wolfram Brinker: Art. Seele (psyche), in: Christian Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 2007, S. 253). Die Vernunft des Kosmos hat ihren Sitz in der Weltseele. Die Weltseele ist von dem Demiurgen durch Mischung aus der unteilbaren, sich selbst gleichbleibenden Seiendheit der Ideenwelt und aus dem teilbaren, veränderlichen Sein der körperhaften Welt gebildet und in die Welt gepflanzt, um die Vernunft in das Weltganze zu bringen und es dadurch vollkommener zu machen. Sie ist die Kraft, die sich selbst und alles andere bewegt, ist durch das Weltganze verbreitet und wirkt in der Sphäre der Fixsterne und in der Sphäre der Planeten.`
Menschliche Seele
Die Seele des Menschen besteht aus den drei Teilen Vernunft, Tatkraft und den Begierden.
`Das Denkende bzw. Lenkende (
to logistikon, Vernunft) hat seinen Sitz im Kopf und orientiert sich an dem Guten und Schönen. Das Logistikon erkennt das, was für die Seele zuträglich ist. Es zielt auf den Erwerb von Wissen und Wahrheit und moderiert die beiden anderen Seelenteile, indem es vorausschauend überlegt und abwägt. Den drei Seelenteilen entsprechen die drei Erkenntnisweisen Sinneswahrnehmung
(aisthesis), Meinung
(doxa) und Wissen
(noesis). Bei jedem der drei Seelenteile handelt es sich um eine Art eigenständiges Modul. Diese drei einzelnen Module können sich bei einem inneren Streit der Seele gegeneinander wenden oder miteinander verbünden (Platon, Politeia 440e). Die drei Seelenteile befinden sich nur dann in einer angemessenen Ordnung, wenn das Begehrende (Bedürfnis, Begierde) und das Mutartige (Agressionstrieb) durch die Vernunft gelenkt werden und jeder das Seinige tut, was ihm angemessen ist. Dabei geht es nicht um die Ausschaltung eines Seelenteils, sondern um die Integration in ein harmonisches Ganzes.
Den drei Seelenteilen werden drei Tugenden zugeordnet.
- die Besonnenheit (sophrosyne) dem Epithymetikon,
- die Tapferkeit (andreia) dem Thymoeides und
- die Weisheit (sophia) dem Logistikon.`
Wiedergeburt
`Platon vertritt die Lehre von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele, indem er für sie sowohl eine Präexistenz, aus der gefolgert wird, dass das Wissen Erinnerung (
anamnêsis) ist, als auch eine Postexistenz mit Wanderung durch verschiedene Leiber und Versetzung in den Fixsternhimmel annimmt. Der Leib ist das Gefängnis und das Grab der Seele. Die Bindung der Seele an den Körper erklärt sich daraus, dass die niederen Seelenteile die höheren überwiegen.
Durch Wiedergeburten wird sie geläutert und kann sich schließlich mit dem Göttlichen vereinigen. Im Phaidros schildert Platon den „Mythos vom Überhimmlischen“, um die Ideen als Gehalte des apriorischen Denkens in der Seele zu verdeutlichen. Vor der Geburt des Menschen und damit vor dem Absinken in den Bereich des Körperlichen existiert die Seele an einem überhimmlischen Ort, der den Bereich des sinnlich wahrnehmbaren Physischen transzendiert. Wie es der Seele nach dem Tod ergeht, richtet sich nach dem Verhalten des Menschen. Die Einzelseele existiert nach dem Tod getrennt von einem bestimmten Körper weiter. Nach einem Mythos des platonischen Sokrates erwartet die Seelen in der Unterwelt ein Gericht. Die Einzelseelen, die sich am Materiellen orientiert hatten, werden in dem Körper eines solchen Wesens wiedergeboren, das Abbild ihres Lasters ist.
Dagegen streben die Seelen, die sich am Ideellen orientiert hatten, zu einer Vereinigung mit dem Göttlichen.`
Der Weg zum Einssein
`Für Platon ist Arete die Realisation des Wesens einer Sache und Zustand ihres eigentümlichen, bestimmten Selbstseins, in dem sie zu einer spezifischen Aufgabe, Leistung und einem Werk tauglich ist (Dirk Cürsgen: Art. Tugend, in: Christian Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 2007, S. 286). Im Zustand der Arete ist ein Seiendes am meisten mit sich selbst identisch. Es ist ganz und gar das, was es ist. Es bedarf keines anderen mehr, um zu sein, was es ist (Platon, Philebos 20d f.; a.a.O. 67a). Es ist ein vollendetes Ganzes und Eines, das seine höchste Seinsmöglichkeit erfüllt. Gutheit bedeutet für Platon die Einheit, die ein Seiendes aus der Zerstreuung in das grenzenlos Viele zu sich selbst bringt. In dieser Einheit erfüllt sich der Seinssinn eines Seienden (Jens Halfwassen: Der Aufstieg zum Einen, 2006, S. 242 f.). Dies gilt zunächst für alle Gegenstände und Lebewesen. Für den Menschen ist Arete
die aktive Nachahmung Gottes, die durch Vernunftanstrengung vollzogen werden kann (Platon, Theaitetos 176b-c).`
LG ELi