Hallo
Im
ersten Teil der Frage, was Erleuchtung ist, ging es im wesentlichen um die Feststellung, dass der Begriff der Erleuchtung vor allem darum so missverstanden wird, weil der Begriff Erleuchtung seinen Ursprung in der hinduistisch geprägten Yogaphilosophie hat, die gerne dazu neigt, die Dinge ein wenig zu beschönigen. Beendet hatte ich den ersten Teil mir der Feststellung, in welch' phantasievoller und blumenreicher Sprache in Yoganandas Autobiographie über alle möglichen Wunder berichtet wird. Und dies völlig kritiklos. Aber auch im zweiten Teil geht es im wesentlichen um die Auseinandersetzung mit diesen "Wundern". Fortfahren möchte ich dort wo ich aufgehört habe, nämlich mit der Auseinandersetzung der
Autobiographie Yoganandas:
Yogananda berichtet in seiner Autobiographie nicht nur von weiblichen Yogis, Yoginis genannt, die vollkommen ohne jede Nahrung leben, sondern auch davon, dass eines Nachts, als er in der Einsiedelei zu Encinitas in Ameriaka saß und schweigend betete, sein Wohnzimmer von einem opalblauen Licht erfüllt wurde und er die strahlende Gestalt des Herrn Jesus erblickte.
Eine andere Lichterscheinung beschreibt Yogananda wie folgt: Als ich dieses Kapitel zu Ende geschrieben hatte, ließ ich mich im Lotossitz auf meinem Bett nieder. Zwei abgeschirmte Lampen verbreiteten ein mattes Licht im Zimmer. Als ich den Blick nach oben richtete, bemerkte ich, daß die Zimmerdecke mit kleinen, senffarbigen Lichtern übersät war, die leise vibrierten und radiumähnlich leuchteten. Myriaden von hauchfeinen Strahlen formten sich zu einem durchsichtigen Lichtregen und ergossen sich lautlos über mich.
Sogleich verlor mein Körper seine grobstoffliche Beschaffenheit und verwandelte sich in eine astrale Substanz. Ich fühlte, wie mein schwereloser Körper, der nicht mehr das Bett berührte, abwechselnd leicht nach links und nach rechts schwebte. Dann blickte ich im Zimmer umher. Möbel und Wände sahen unverändert aus, doch die Lichtmasse hatte sich derart vermehrt, daß die Decke nicht mehr sichtbar war. Namenloses Staunen ergriff mich.
»Dies ist der Mechanismus des kosmischen Films«, sprach eine Stimme, die aus dem Licht zu kommen schien. »Er wirft seinen Strahl auf die weiße Leinwand deiner Bettdecke und ruft dadurch deine körperliche Erscheinung hervor. Sieh! dein Körper ist nichts als Licht!«
Ich blickte auf meine Arme und bewegte sie nach vorn und nach hinten, ohne daß ich ihr Gewicht spürte. Eine ekstatische Freude kam über mich. Dieser kosmische Lichtkegel, aus dem sich mein Körper herauskristallisierte, schien eine göttliche Reproduktion jener Lichtstrahlen zu sein, die aus dem Vorführraum eines Filmtheaters dringen und sich auf der Leinwand zu Bildern formen.
Lange Zeit hielt dieses Filmerlebnis in dem schwach erleuchteten Theater meines Schlafzimmers an. Wenngleich ich viele Visionen gehabt habe, war doch keine von ihnen so ungewöhnlich wie diese. Als ich mich von der Täuschung, einen stofflichen Körper zu besitzen, völlig freigemacht hatte und im Zustand tiefster Verwirklichung alle Gegenstände als reines Licht wahrnahm, blickte ich zu dem vibrierenden Strom von »Biotronen« empor und bat flehentlich: »Göttliches Licht, löse bitte dieses bescheidene körperliche Bild in Dir auf und laß mich, wie einst Elias, in einem feurigen Wagen gen Himmel fahren.«
Wenn Yogananda solche Vorstellungen in seiner Autobiographie veröffentlicht, dann weckt er bei vielen Menschen, die solche Texte vollkommen kritiklos lesen, und das sind bestimmt nicht wenige, Erwartungen, die er in der Realität natürlich nicht einlösen kann. Aber er streut eine Saat, die nicht ohne Folgen bleibt. Wie gesagt, die Biographie Yoganandas ist wohl das weltweit am meisten gelesene Yogabuch. Als Folge davon pilgerten Scharen von Menschen zu seinen Vorträgen und viele Yogainteressierte schlossen sich seinen Ashrams an, um Yoganandas Yogapfad zu folgen. Yogananda trug sicherlich nicht unwesentlich dazu bei, dass der Mythos des Yoga auch heute weitergepflegt wird. Und egal wo man hinkommt, überall dort wo Yogainteressierte Menschen aufeinandertreffen, werden diese Mythen weitergepflegt. Viele Menschen zieht es überhaupt erst zum Yoga hin, weil sie übersinnliche Fähigkeiten erwerben wollen.
Und genau das sind die Früchte dieser Mythologie, die seit vielen Jahrhunderten verbreitet wird. Es werden Hoffnungen und Erwartungen unter die Bevölkerung gestreut. Was beim Einzelnen davon ankommt sind teilweise abenteuerliche Vorstellungen, die Erwartungen wecken. Diese Leichtgläubigkeit ist andererseits auch nicht weiter verwunderlich. Schaut man sich beispielsweise die heiligen Schriften an, so wird auch dort immer wieder von Wundern berichtet, die von den Gläubigen kritiklos akzeptiert werden. Damit ist natürlich der Boden für die Mythologie bereitet.
Was ist aber von diesen angeblichen Wundern wirklich zu halten? Liest man etwa das neue Testament, so hat Jesus am dritten Tage nach seinem Tode sein Grab verlassen und ist auferstanden. Nach seiner Auferstehung soll er seinen Jüngern erschienen sein, ist mit zwei von ihnen von Jerusalem nach Emmaus gewandert, hat mit ihnen gesprochen, hat ihnen die Wunden seiner Kreuzigung gezeigt, ist durch eine geschlossene Tür gegangen und soll nach 40 Tagen zum Himmel aufgefahren sein. Kein anderes Wort des Apostels Paulus wird seit nahezu zweitausend Jahren so oft wiederholt und bekräftigt wie eine Stelle in seinem ersten Brief, den er den Korinthern schrieb: "Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich."
Vieles andere, was einst als Glaubenswahrheit galt, ist klammheimlich von den Theologen aufgegeben worden. Es gibt auch unter den Theologen kaum noch Streit darüber, ob Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, ob er Tote auferweckte und über Wasser gewandelt ist. Und auch die Himmelfahrt verteidigt heute kaum noch jemand. Nur der Papst und seine Bischöfe führen die letzten Gefechte um dieses antiquierte Glaubensgut, und mancher Kritiker meint, daß etliche Bischöfe dies lediglich des frommen Scheins wegen tun.
Bei Yogananda allerdings liest sich das etwas anders. Dort wird überhaupt nicht an Wunder gezweifelt. Vielmehr gehören sie zum ganz normalen Alltag. Man muss wohl im fernen Osten aufgewachsen sein und sich die östliche Mentalität zu eigen gemacht haben, um das widerspruchslos zu akzeptieren. Ein kurzer Abschnitt aus Yoganandas Biographie soll zeigen, welche Einstellung Yogananda gegenüber diesen Wundern hat.
Yogananda: Als »Wunder« bezeichnet man gewöhnlich eine Wirkung oder ein Geschehen, das sich ohne Gesetzmäßigkeit, d.h. außerhalb der Naturordnung, vollzieht. Doch alle Dinge, die sich in unserem präzise aufgebauten Universum ereignen, geschehen gesetzmäßig und lassen sich gesetzmäßig erklären. Die sogenannten Wunderkräfte eines großen Meisters sind eine natürliche Folgeerscheinung seiner genauen Kenntnis der feinstofflichen Gesetze, die den inneren Kosmos des Bewußtseins regieren.
In Wirklichkeit kann daher nichts als »Wunder« bezeichnet werden, es sei denn, daß man im tieferen Sinne alles als Wunder ansieht. Gibt es etwas Alltäglicheres und zugleich Wunderbareres, als daß jeder von uns in einem komplizierten körperlichen Organismus eingeschlossen ist und auf eine Erde gesetzt wurde, die mit anderen Sternen durch den Weltraum wirbelt?
Große Propheten wie Christus und Lahiri Mahasaya vollbringen gewöhnlich viele Wunder. Solche Meister haben, während sie auf Erden leben, eine schwierige geistige Aufgabe an der Menschheit zu erfüllen, und es scheint mit zu ihrer Mission zu gehören, denen, die in Not sind, durch Wundertaten zu helfen. Oft ist ein göttliches Machtwort nötig, eine unheilbare Krankheit zu heilen oder ein scheinbar unlösbares Problem zu lösen. Als der Hauptmann von Kapernaum Christus bat, seinen sterbenden Sohn zu heilen, erwiderte jener mit einem Anflug von bitterem Humor: »Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder sehet, so glaubet ihr nicht.« Aber er fügte hinzu: »Gehe hin, dein Sohn lebt.« (Johannes 4, 48; 50)
Yogananda operiert also wieder einmal mit den feinstofflichen Kräften (Prana) auf die zu einem späteren Zeitpünkt etwas ausführlicher eingegangen werden soll. Selbstverständlich akzeptiert Yogananda die Wunder" die Jesus angeblich vollbrachte. Andererseits könnte man durchaus behaupten, dass alle Dinge, die uns umgeben, auch der Mensch selber einem Wunder entspringen. In diesem Punkt hat Yogananda sicherlich recht, wenn er etwa behauptet, dass der menschliche Körper einem Wunder gleicht. Wir sollten uns aber nicht dazu verleiten lassen, für alles, was wir nicht verstehen, eine übernatürliche Erklärung zu suchen. Aber die Aussage Jesu: »Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder sehet, so glaubet ihr nicht.«, spricht Bände. Scheinbar ist die Existenz von Wundern an den Glauben geknüpft.
Alles Liebe. Gerrit