Liebe Mitschreibenden,
nachdem ich nun nicht alle Beiträge dieses Trööts gelesen habe, bitt eich zu verzeihen, wenn ich etwas nicht beachtet habe, was schon geschrieben wurde.
Mir gingen zwei Gedanken zu dem Thema im Kopf herum:
Erster Gedanke: Je mehr Menschen ich lieben kann, desto mehr Anteile von mir (denn alles, was Menschen tun, könnte ich potenziell auch tun) kann ich lieben. Je mehr Achtung ich für ganz unterschiedliche Menschen aufbringen kann - unabhängig von Ihrem Handeln - desto mehr integriere ich Schattenanteile in mir. Und je weniger Menschen ich ablehnen mus, desto weniger lehne ich Teile von mir ab. Vielleicht hat das dieser Jesus damals gemeint mit seinem Satz "Liebet eure Feinde!". das wäre dann ein ganz eigennütziger Vollzug. Und "lieben" muss nicht "liebhaben" heißen. Vielleicht eher "achten" oder erkennen: "Du bist wie ich und ich bin wie Du! Auch in mir ist, was Du bist, angelegt".
Zweiter Gedanke: In meiner Arbeit verwende ich in diesem Zusammenhang ein interessantes Format - das "Entwicklungsquadrat" (Horn/Brick).
Dabei sammelt man zuerst einmal alle Eigenschaften und Verhaltensweisen, die man am Anderen ablehnt und verabscheut. Im zweiten Schritt entscheidet man sich, was die drei schlimmsten Eigenschaften/Verhaltensweisen sind, die man so gar nicht tolerieren kann. Im dritten Schritt eruiert man, welche "ganz anderen Eigenschaften" man selbst dagegen setzen kann (bei denen man sich als "besser" empfindet).
Beispiel: Mein Arbeitgeber Hubert Wuchtig ist einfach "unglaublich geizig und ausbeuterisch" (heißt viell. er gibt mir nicht so viel, wie ich für meine Arbeit meine beanspruchen zu können) und das stört mich. Ich selbst sehe mich als "großzügig". Ich gebe gern und viel (und habe deshalb nie wirklich genug Geld für mich z.B.) und fühle mich dabei als ein "guter Mensch".
Im vierten Schritt stelle ich mir vor, wie der Andere meine ach so geliebten "positiven" Eigenschaften aus seiner Sicht beurteilen würde. Dabei nehme ich an, dass derjenige mit mir genau so ein Problem hätte, wie ich mit ihm.
In unserem Beispiel würe mir vielleicht aus der Sicht von Herrn Wuchtig einfallen, dass für ihn meine "Großzügigkeit" vielleicht "Verschwendungssucht" heißt oder "Nicht Nein sagen können", "Unfähigkeit mit Geld umzugehen" oder gar "Haltlosigkeit".
Nun kommt der letzte, schwerste Schritt: Nummer Fünf. Ich finde heraus, wie der Andere seine aus meiner Sicht "negativen" Eigenschaften oder Verhaltensweisen nennen würde. Was sind wohl seine "positiven Absichten" dabei?
In unserem Beispiel würde Hubert Wuchtig vielleicht sagen, dass er "sparsam" oder "wirtschaftlich" und "mit finanziellem Weitblick" handelt. Vielleicht würde er auch sagen, dass er die "Fähigkeit hat, rechtzeitig Grenzen zu setzen, bevor es ihm an die finanzielle Substanz geht"?
Besonders interessant wird dieser Schritt, wenn man eigentlich die Eigenschaft sehr vehement abgelehnt hat. Dann kann daraus eine mächtige Ressource werden, so man sie integriert hat.
Bezüglich unseres Beispiels würde meinem Portemonnaie ein gewisses Maß an "finanziellem Weitblick" oder "Sparsamkeit" bzw. "Fähigkeit, rechtzeitig Grenzen zu setzen, bevor es mir an die finanzielle Substanz geht" dazu führen, dass ich nicht ständig in Not wäre, oder?
Fange ich an, diese Ressource zu lernen - was für ein Zugewinn für meine Großzügigkeit!
A.