Natürlich handelt er anders. Und es wäre ein wenig dumm, würde er weiterhin so unbedarft umherlaufen. Findest Du nicht auch ? Schliesslich kann ein Mensch aus seinen Fehlern lernen.
Und der Fehler wäre Deiner Meinung nach nun, nachts in den Park zu gehen? Wie würde es aussehen, wenn er tagsüber im Park überfallen wird? Und wenn er dann beginnt, diesen Park zu meiden (vielleicht auch andere Parks, alle Parks...). Und wenn der Täter eine bestimmte Person war, z.B. ein angetrunkener, großer dicker Mann. Wie wird diese Person dann auf angetrunkene reagieren? Oder auf große dicke Männer? Vielleicht hat die Sonne geschienen an diesem tag. In Zukunft wird er vielleicht eine Sonnenallergie entwickeln oder Depressionen bekommen, wenn die Sonne scheint (oder Migräne), ohne das er weiß, woher das nun kommt.
Wie bekommt er also dieses Gefühl der Bedrohung los, wenn er große, dicke, angetrunkene Männer sieht? Und was macht er mit dem Problem Sonne, was durch dieses Erlebnis entstanden ist? Wird sich nicht komplett sein Leben verändern, wenn er in Zukunft Parks meidet und großen, dicken, angetrunkenen Männern immer aus dem weg geht? Und dann vielleicht auch noch gezwungen ist, die Sonne zu meiden.
Dies ist ein einziges Erlebnis. Hat vielleicht drei Minuten gedauert. Doch es kann ihn von Grund auf erschüttern und verändern.
Stelle Dir jetzt vor, jemand erlebt ein traumatisches erlebnis immer wieder. Über Wochen oder Monate oder jahre oder bis zur Volljährigkeit. mal scheint die Sonne dabei, mal regnet es, mal ist es nacht. Mal ist der Täter nüchtern und klar, mal vollgesoffen. Mal ist er "lieb", manchmal ist er aggressiv. Manchmal tut er dies, manchmal das. Mal geschieht es im Keller, mal in der Wohnung, dann im Schwimmbad... Vielleicht ist es eine fremde Person. Vielleicht ist es eine Vertrauensperson.
Das sind jetzt die zwei Extreme. Kurze Dauer, laaange Dauer.
Dann kommen Sachen dazu, wie: niemand glaubt. man öffnet sich, wird jedoch enttäuscht. Die Menschen reagieren seltsam auf diese Offenbarungen. Sie werden wütend oder traurig oder wollen es nicht hören. Jeder reagiert anders. Jedesmal wird auch etwas anderes in dem Opfer ausgelöst, wenn es sich offenbart. Wieder neue Erlebnisse (Enttäuschungen), die noch zu den anderen dazu kommen. daraus folgen wieder neue Verhaltensweisen, die zu den schon "gestörten" dazu kommen. Dann beginnt das Opfer womöglich die Tat zu verdrängen. Und vergißt einfach was geschah. Die Muster aber bleiben. Und es kommen neue und neue und neue dazu. Vor allem wenn es in der Kindheit geschah und es mitunter erst dreißig Jahre später zum Vorschein kommt, was geschah.
D.h. 30 Jahre hat dieser Mensch so gelebt und gefühlt und gelitten und gedacht und gehandelt. Die erste Erfahrung führte zu tausenden weiteren. Diese tausende zu weiteren und weiteren. Und all das soll dann plötzlich geheilt und wieder in Ordnung gebracht werden.
Du magst recht haben, sowas könnte eine Lebensaufgabe sein.
Nur Du sprichst da etwas - aus meiner Sicht - anderes an, als das, worum es hier geht. Du führst hier ein ganz spezielles Beispiel an. Es geht um einen bestimmten Ort, bestimmte Zeiten, bestimmte Situationen, die man - wenn man ihnen begegnet - besonders prüft und sich dann angepasst verhält. Angenommen, ein Mensch wird im Park nur angemacht, doch ein Unglück bleibt aus. So wird er kein traumatisches Erlebnis erfahren aber dennoch daraus lernen und in Zukunft wachsamer sein. Wachsamkeit ist nicht gleich auch eine Störung, die generell Beziehungen und Wahrnehmung beeinträchtigt. Findest Du nicht auch ? Das wäre der Fall, wenn ein Mensch nach der Schlägerei sich in allen möglichen Situationen auf einmal gestört benimmt. z.B. wenn er Paranoia bekommt, da, wo es total unsinnig ist. Bleibt die Änderung in einem vernünftigen, angemessenen, entsprechenden Rahmen, und ist die Person emotional ansonsten "normal", gibt es aus meiner Sicht nichts daran auszusetzen bzw. wäre das nicht gestört.
Okay.
Wenn so ein Erlebnis eine emotionale Störung auslöst, dann ist nicht die Frage, ob derjenige in Zukunft den Park meidet oder nicht, sondern ob er gestört ist oder nicht. Er kann die Störung verdrängen oder sie sich anschauen und daran arbeiten. Doch er kann auch ohne Störung daraus lernen. Also in dem Fall, wenn jemand Nachts im Park missbraucht wurde, wird er ähnliche Situationen in Zukunft meiden. Das wird er jedoch auch dann, wenn er das Thema irgendwann mal aufgelöst hat. Denn er hat ja kein Interesse an einer Wiederholung dieser Erfahrung.
Sicher. Was ich ausdrücken wollte ist das, was ich eben noch mal schrieb. Glaube ich zumindest, denn mir schwirrt grad ganz schön der Kopf...
Du meinst also, auch ein Mensch, der ein "nächtliches Park-Trauma" überwunden hat, wird in Zukunft wie eh und jeh ähnliche Situationen erleben, weil er ihnen nicht aus dem Weg geht - selbst wenn Gefahren offensichtlich vorhanden sind. Aus meiner Sicht wäre so ein Verhalten entweder gestört (weil selbstzerstörersich) oder eben.... leichtsinnig ? Dumm ? Keine Ahnung. Jedenfalls nicht sinnvoll.
Wie gesagt, das Beispiel war vielleicht etwas dumm gewählt, weil "normale" Menschen scheinbar nicht nachts in den Park gehen.
Denkst Du nicht auch, man kann wachsam durch das Leben gehen, Gefahren erkennen und vermeiden, auch OHNE Angst. ZB aus Vernunft oder Reife ? Oder meinst Du, ein "freier" Mensch wird guter Laune in jede noch so gefährliche Situation laufen ? Wäre das nicht einfach nur "naiv" ? Unerfahren ? Ist das das Ziel - wie ein kleines Kind rumrennen und in jede Falle tappen, die das Leben uns aufgestellt hat ?
Was ist gefährlich? Für manch einen klingt es gefährlich, nachts in den Park zu gehen. Vielleicht trifft das aber nicht auf alle zu. Ebenso könnte ich bestimmte Stadtviertel nennen, die vielleicht nicht ganz ohne sind. Da würde ich z.B. nicht hingehen, andere aber vielleicht schon.
"Spuren" - ja. Im Sinne von Erinnerungen, Erkenntnissen aber auch einem veränderten Verhalten, erhöhter Wachsamkeit, Bewusstheit - diese Spuren werden traumatische Erfahrungen sicherlich oder sogar hoffentlich irgendwann mal hinterlassen. Diese Art von Spuren halte ich für positiv und absolut nicht beeinträchtigend oder störend. Du etwa ?
Doch Spuren im Sinne von belastenden, zu "erduldenden" "Brocken", die auf immer und ewig in einem hängen, so wie Fliegen, die man nie wieder los wird... nein, solche Spuren, denke ich, müssen nicht zurückbleiben.
Das Problem ist aber, daß es eben so viele Spuren sind. Siehe oben, vielleicht konnte ich jetzt besser erklären, was ich eigentlich meinte.
Eins führt zum anderen. Weil man verdrängt, tut man dies und jenes.Weil man sich schützen will, tut man auch noch dies und jenes mehr. Weil man dies und jenes tut, kommen andere mit einem nicht klar und man selbst auch nicht mit den anderen. Kommt man mit sich selbst und den anderen nicht klar, kommt vielleicht noch eine Deprssion dazu und Minderwertigkeitskomplexe. Diese führen vielleicht zur Selbstverletzung und Selbstmordgedanken und Hoffnungslosikeit. Usw.