Lotusz
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Hallo
Artikel von Thomas Lautwein, Vorstandsmitglied des Chödzong e.V. in Hamburg auf die Kritik am Kalachakra-Tantra und Stellungnahme von trimondi.de dazu.
Lautwein:Außerdem ist die tantrische Praxis abhängig von der Vermittlung und Betreuung durch einen qualifizierten Vajra-Meister, d.h. einen Guru oder Lama, der den Schüler in die tantrische Realität einführt und ihm die Befähigung überträgt, sich in dieser zu bewegen. Die Lehrer-Schüler-Beziehung im Vajrayana ist besonders problematisch, da sie traditionell so dargestellt wird, dass der Lehrer als Buddha zu betrachten ist und der Schüler angewiesen ist, alle Aktivitäten des Lehrers als vollkommen und rein zu betrachten.
Lautwein: Im Lauf der Jahrhunderte wurden die tantrischen Systeme immer komplexer, es wurden immer mehr nicht-buddhistische Elemente integriert, die für den Buddhismus nutzbar gemacht werden sollten. Hierzu gehören u.a. Erfahrungen mit dem feinstofflichen Körper und magische Elemente, darunter auch Sexualmagie und Praktiken, die wir als nahezu nekromantisch bezeichnen können.
Trimondi: Die nekromantische Seite des buddhistischen Tantrismus ist wirklich ein düsteres Kapitel und es ist gut, dass Lautwein darauf zu sprechen kommt. Der Umgang mit Substanzen von Toten (Hirn, Blut, Innereien, Knochen) und das Meditieren auf Friedhöfen und vor Leichen hat in den tantrischen Praktiken eine große Bedeutung und führt zu abartigen Vorstellungen. Dazu rechnet auch der rituelle Verzehr von Menschenfleisch. Der Buddhismusforscher Volker Zotz kommt deswegen zu dem Schluss: Eine Bewegung wie Tantra, die von Geheimhaltung spricht und auch im buddhistischen Rahmen Riten verwendet, in denen Schädelschalen, kultische Messer, symbolische Tötungen und Bilder dämonischer Gestalten in sexueller Vereinigung eine Rolle spielen, ist naturgemäß auch anziehend für solche, welche die dunklen Seiten des Daseins attraktiv finden.
Gerrit: Wird es nicht Zeit, dass man solche nekromantischen Rituale vollkommen abschafft?
Lautwein: Das späteste tantrische System, das im 10./11. Jahrhundert hervortrat, ist das Kalachakra-Tantra. Zu dieser Zeit war der Buddhismus in Indien bereits im Niedergang begriffen. Es häuften sich die Einfälle moslemischer Heere, die vom Iran und dem heutigen Afghanistan aus immer wieder Einfälle in Nordindischen unternahmen und schrecklich unter den Hindus und Buddhisten wüteten, die in ihren Augen ja nur Götzendiener" waren. Der Hinduismus konnte diese Schläge verkraften, doch die Zerstörung der buddhistischen Klöster brach dem indischen Buddhismus, der ohnehin schon zunehmend Anhänger an den Hinduismus verlor, das Rückgrat. Wenn wir uns nun versuchen, uns in die Situation eines indischen Buddhisten dieser Zeit zu versetzen, so können wir wohl verstehen, dass ihm eine derartige katastrophale Situation als Untergang der Welt erscheinen musste. Genau diese Stimmung finden wir nun im Kalachakra-Tantra gespiegelt: Es ist eine buddhistische Apokalypse, die den anbrechenden Weltuntergang beschreibt und versucht, den letzten verzweifelten Buddhisten etwas Hoffnung zu machen, indem sie eine Geschichtsdeutung unternimmt und ihnen die Hoffnung auf eine bessere Zeit macht, bzw. die Verheißung enthält, dass es irgendwo an einem sicheren Ort ein Friedensreich gibt, an dem der Buddhismus aufbewahrt wird.
Trimondi: Das ist sicher richtig. Deswegen beinhaltet das Kalachakra-Tantra auch eine Weltuntergangsvision und ist damit kein Beitrag zu Weltfrieden, wie das nach außen hin proklamiert wird. Das macht es als Kulturentwurf für das Zusammenleben der Völker und für eine friedvolle Weltgemeinschaft gefährlich, ja geradezu unbrauchbar.
Apokalypsen gibt es in allen Religionen. Sie sind ein höchst problematisches Kulturerbe der gesamten Menschheit, weil sie den Untergang beschwören und meist auch einen Vernichtungskrieg gegen Andersgläubige. Sie bauen auf einem krassen Feindbild auf. Viele westliche Menschen sind aber gerade deswegen zum Buddhismus konvertiert, weil sie glaubten, dem apokalyptischen Szenario der monotheistischen Religionen entkommen zu können und hier eine Zuflucht des Friedens vorzufinden. Das Kalachakra Tantra ist jedoch noch apokalyptischer als die monotheistischen Pendants.
Alles Liebe. Gerrit
Artikel von Thomas Lautwein, Vorstandsmitglied des Chödzong e.V. in Hamburg auf die Kritik am Kalachakra-Tantra und Stellungnahme von trimondi.de dazu.
Lautwein:Außerdem ist die tantrische Praxis abhängig von der Vermittlung und Betreuung durch einen qualifizierten Vajra-Meister, d.h. einen Guru oder Lama, der den Schüler in die tantrische Realität einführt und ihm die Befähigung überträgt, sich in dieser zu bewegen. Die Lehrer-Schüler-Beziehung im Vajrayana ist besonders problematisch, da sie traditionell so dargestellt wird, dass der Lehrer als Buddha zu betrachten ist und der Schüler angewiesen ist, alle Aktivitäten des Lehrers als vollkommen und rein zu betrachten.
Lautwein: Im Lauf der Jahrhunderte wurden die tantrischen Systeme immer komplexer, es wurden immer mehr nicht-buddhistische Elemente integriert, die für den Buddhismus nutzbar gemacht werden sollten. Hierzu gehören u.a. Erfahrungen mit dem feinstofflichen Körper und magische Elemente, darunter auch Sexualmagie und Praktiken, die wir als nahezu nekromantisch bezeichnen können.
Trimondi: Die nekromantische Seite des buddhistischen Tantrismus ist wirklich ein düsteres Kapitel und es ist gut, dass Lautwein darauf zu sprechen kommt. Der Umgang mit Substanzen von Toten (Hirn, Blut, Innereien, Knochen) und das Meditieren auf Friedhöfen und vor Leichen hat in den tantrischen Praktiken eine große Bedeutung und führt zu abartigen Vorstellungen. Dazu rechnet auch der rituelle Verzehr von Menschenfleisch. Der Buddhismusforscher Volker Zotz kommt deswegen zu dem Schluss: Eine Bewegung wie Tantra, die von Geheimhaltung spricht und auch im buddhistischen Rahmen Riten verwendet, in denen Schädelschalen, kultische Messer, symbolische Tötungen und Bilder dämonischer Gestalten in sexueller Vereinigung eine Rolle spielen, ist naturgemäß auch anziehend für solche, welche die dunklen Seiten des Daseins attraktiv finden.
Gerrit: Wird es nicht Zeit, dass man solche nekromantischen Rituale vollkommen abschafft?
Lautwein: Das späteste tantrische System, das im 10./11. Jahrhundert hervortrat, ist das Kalachakra-Tantra. Zu dieser Zeit war der Buddhismus in Indien bereits im Niedergang begriffen. Es häuften sich die Einfälle moslemischer Heere, die vom Iran und dem heutigen Afghanistan aus immer wieder Einfälle in Nordindischen unternahmen und schrecklich unter den Hindus und Buddhisten wüteten, die in ihren Augen ja nur Götzendiener" waren. Der Hinduismus konnte diese Schläge verkraften, doch die Zerstörung der buddhistischen Klöster brach dem indischen Buddhismus, der ohnehin schon zunehmend Anhänger an den Hinduismus verlor, das Rückgrat. Wenn wir uns nun versuchen, uns in die Situation eines indischen Buddhisten dieser Zeit zu versetzen, so können wir wohl verstehen, dass ihm eine derartige katastrophale Situation als Untergang der Welt erscheinen musste. Genau diese Stimmung finden wir nun im Kalachakra-Tantra gespiegelt: Es ist eine buddhistische Apokalypse, die den anbrechenden Weltuntergang beschreibt und versucht, den letzten verzweifelten Buddhisten etwas Hoffnung zu machen, indem sie eine Geschichtsdeutung unternimmt und ihnen die Hoffnung auf eine bessere Zeit macht, bzw. die Verheißung enthält, dass es irgendwo an einem sicheren Ort ein Friedensreich gibt, an dem der Buddhismus aufbewahrt wird.
Trimondi: Das ist sicher richtig. Deswegen beinhaltet das Kalachakra-Tantra auch eine Weltuntergangsvision und ist damit kein Beitrag zu Weltfrieden, wie das nach außen hin proklamiert wird. Das macht es als Kulturentwurf für das Zusammenleben der Völker und für eine friedvolle Weltgemeinschaft gefährlich, ja geradezu unbrauchbar.
Apokalypsen gibt es in allen Religionen. Sie sind ein höchst problematisches Kulturerbe der gesamten Menschheit, weil sie den Untergang beschwören und meist auch einen Vernichtungskrieg gegen Andersgläubige. Sie bauen auf einem krassen Feindbild auf. Viele westliche Menschen sind aber gerade deswegen zum Buddhismus konvertiert, weil sie glaubten, dem apokalyptischen Szenario der monotheistischen Religionen entkommen zu können und hier eine Zuflucht des Friedens vorzufinden. Das Kalachakra Tantra ist jedoch noch apokalyptischer als die monotheistischen Pendants.
Alles Liebe. Gerrit