I
Irene
Guest
Jack Kornfield schreibt:
"Seit Beginn der 1990er Jahre bin ich an der Organisation regelmäßiger Treffen buddhistischer Lehrer aus allen Schulen beteiligt. Eine Reihe davon fand auf Einladung des Dalai Lama in seinem Palast in Dharamsala statt. [...]
Sylvia Wetzel, eine buddhistische Lehrerin aus Deutschland, sprach davon, wie hart es Frauen und weibliche Weisheit innerhalb der buddhistischen Gemeinschaft haben, wenn es um öffentliches Ansehen geht. Sie verwies auf die vielen goldenen Buddhas und exquisiten tibetischen Rollenbilder im Raum mit der Bemerkung, dass sie alle nur Männer darstellten.
Dann bat sie den Dalai Lama und die anderen Lamas und Meister, die Augen zu schließen und sich folgende veränderte Situation vorzustellen: Die Versammlung hätte noch nicht begonnen, und sie beträten den Raum, wo sie sich vor der 14. weiblichen Inkarnation des Dalai Lama verbeugten. Sie wäre wie eh und je nur von Beraterinnen umgeben, an den Wänden hingen Buddha- und Heiligenbilder, alle selbstverständlich in weiblicher Gestalt.
Natürlich würde nie die Unterlegenheit des Mannes gelehrt. Trotzdem würden Männer ganz selbstverständlich gebeten, sich nach hinten zu setzen, still zu sein und nach dem Treffen die Küchenarbeit zu erledigen. Nach dieser Meditation sah man unter den Männern verdutzte Blicke.
Dann übernahm Ani Tenzin Palmi, eine tibetische Nonne englischer Abstammung, die seit 20 Jahren praktiziert hatte (zwölf davon in Höhlen an der tibetischen Grenze), ganz ruhig das Wort und beschrieb die spirituellen Bedürfnisse und unglaublichen Entbehrungen frommer Frauen, die nur am Rande der Klöster leben dürften, oft ohne Unterricht, ohne Essen, ohne Unterstützung. Als sie ausgesprochen hatte, stützte der Dalai Lama den Kopf in die Hände und weinte. Er versprach, nach besten Kräften für eine größere Gleichberechtigung der Frau in seiner Gemeinschaft zu sorgen.
Und trotzdem haben sich in sämtlichen buddhistischen Ländern in den seither vergangenen Jahren viele ältere Lehrer gegen diese Veränderungen mehr oder weniger vehement gewehrt, manchmal im Namen der Tradition und manchmal aufgrund ihrer psychologischen und kulturellen Konditionierung. Bei dem Treffen beim Dalai Lama gab ein älterer Zen-Abt zu, dass er aufgrund seines schwierigen Verhältnisses zu seiner Mutter nicht in der Lage sei, mit den wenigen Priesterinnen in seinem Tempel angemessen umzugehen. Auch andere gaben ihre Probleme auf diesem Gebiet zu."
Aus: Das Tor des Erwachens
Das klingt schon wesentlich differenzierter. Haltet ihr das für eine realistische Darstellung?
"Seit Beginn der 1990er Jahre bin ich an der Organisation regelmäßiger Treffen buddhistischer Lehrer aus allen Schulen beteiligt. Eine Reihe davon fand auf Einladung des Dalai Lama in seinem Palast in Dharamsala statt. [...]
Sylvia Wetzel, eine buddhistische Lehrerin aus Deutschland, sprach davon, wie hart es Frauen und weibliche Weisheit innerhalb der buddhistischen Gemeinschaft haben, wenn es um öffentliches Ansehen geht. Sie verwies auf die vielen goldenen Buddhas und exquisiten tibetischen Rollenbilder im Raum mit der Bemerkung, dass sie alle nur Männer darstellten.
Dann bat sie den Dalai Lama und die anderen Lamas und Meister, die Augen zu schließen und sich folgende veränderte Situation vorzustellen: Die Versammlung hätte noch nicht begonnen, und sie beträten den Raum, wo sie sich vor der 14. weiblichen Inkarnation des Dalai Lama verbeugten. Sie wäre wie eh und je nur von Beraterinnen umgeben, an den Wänden hingen Buddha- und Heiligenbilder, alle selbstverständlich in weiblicher Gestalt.
Natürlich würde nie die Unterlegenheit des Mannes gelehrt. Trotzdem würden Männer ganz selbstverständlich gebeten, sich nach hinten zu setzen, still zu sein und nach dem Treffen die Küchenarbeit zu erledigen. Nach dieser Meditation sah man unter den Männern verdutzte Blicke.
Dann übernahm Ani Tenzin Palmi, eine tibetische Nonne englischer Abstammung, die seit 20 Jahren praktiziert hatte (zwölf davon in Höhlen an der tibetischen Grenze), ganz ruhig das Wort und beschrieb die spirituellen Bedürfnisse und unglaublichen Entbehrungen frommer Frauen, die nur am Rande der Klöster leben dürften, oft ohne Unterricht, ohne Essen, ohne Unterstützung. Als sie ausgesprochen hatte, stützte der Dalai Lama den Kopf in die Hände und weinte. Er versprach, nach besten Kräften für eine größere Gleichberechtigung der Frau in seiner Gemeinschaft zu sorgen.
Und trotzdem haben sich in sämtlichen buddhistischen Ländern in den seither vergangenen Jahren viele ältere Lehrer gegen diese Veränderungen mehr oder weniger vehement gewehrt, manchmal im Namen der Tradition und manchmal aufgrund ihrer psychologischen und kulturellen Konditionierung. Bei dem Treffen beim Dalai Lama gab ein älterer Zen-Abt zu, dass er aufgrund seines schwierigen Verhältnisses zu seiner Mutter nicht in der Lage sei, mit den wenigen Priesterinnen in seinem Tempel angemessen umzugehen. Auch andere gaben ihre Probleme auf diesem Gebiet zu."
Aus: Das Tor des Erwachens
Das klingt schon wesentlich differenzierter. Haltet ihr das für eine realistische Darstellung?