Leises Flüstern
Die Tage warm
die Tage kalt
Wochen vergehen
Jahre sprechen
Äonen spielen
werden Lichtjahre
Galaxien entstehen
Größere bestehen
Wind rauscht
formt Staub
zu Wellen
flüstert
leise
Text von Karuna
Der Falke
Es war eine Wiederbegegnung in der Freude und Traurigkeit sich vermischten. Als
Fayza bin Talal und ihre ältere Schwester Maha, unangemeldet auf dem bescheidenen Landsitz von Abdulrahman al-Ali erschienen.
Überrascht ließ Al-Ali seine so hochgestellten Gäste hereinbitten und verbeugte sich höflich.
Wie geht es Ihrem kleinen Karim? erkundigte er sich. Ihr wisst sicherlich, dass er mich öfters besuchen kommt?
Fayza nickte, sie war unverschleiert. Während sie mit ihrer Schwester Maha, auf einem der Kissen am Boden des kleinen Raumes Platz nahm, dachte Ali, sie ist noch immer genauso schön wie damals. Fayza war sich voller Bitterkeit darüber im klaren, dass letztlich Karims Wunsch es war, weshalb sie heute Ali aufsuchte. Ihr kleiner Sohn war schwerkrank. Nur Alis Falke, den er sich so sehnlichst wünsche, könne ihn wieder gesund machen...
Tee wurde eingeschenkt Da verkündete Fayza lächelnd, sie seien seit Jahren Nachbarn. Ihre Sommerresidenz grenze an sein Landgut. Ihr sei das Liebesleid von Al-Ali nicht entgangen. Fayza trank von ihrem Tee und sah ihn traurig an.
Ihr habt mich mehr geliebt, als es für Euch gut war Al-Ali.
Mehr als es für mich gut war? fragte sich Ali in Gedanken.Ihm fielen die Verse des Dichters Kahlil Gibran ein: wenn die Liebe dich ruft, folge ihr, auch wenn ihre Wege rau und unwirtlich sind
Wir waren Kinder Ali, hörte er Fayza fortfahren. Mein Vater hatte sich für Prinz Alwaldi bin Talal entschieden und nicht für Dich.
Ali antwortete nicht. Er dachte an damals. An jenen Tag der Ankündigung ihrer Ehe mit Prinz Alwaldi bin Talal. Das war wie ein messerscharfer Dolch gewesen. Der in ihn reinfuhr und am Boden zerstörte. Er verlor seinen gesamten Besitz. Nichts kümmerte ihn von nun an mehr.
Konnte sein Besitz es doch nicht verhindern, dass Fayza, die er liebte und immer lieben würde,
einem Prinzen aus dem Königshaus von Saudi Arabien verheiratet würde...
Geblieben waren ihm sein kleiner Landsitz in der Oase Hofuf. Hier zog er zur Falkenjagd in die Wüste hinaus. Und sein treuer Falke, dem er alle Liebe schenkte...
Ich möchte dir das Leid vergelten und bin aus diesem Grund mit meiner Schwester Maha gekommen um Gast zum Mittagsmahl bei dir zu sein, Ali...
Bei Allah. Ich wüsste nicht, dass Ihr mir willentlich Leid zugefügt habt. Ich habe nur Gutes durch Euch erfahren. Er zuckte die Schultern.
Dass ich mein ganzes Vermögen verprasst habe?, antwortete er. Ich trauere ihm nicht nach und bin zufrieden. Nur bin ich ein armer Mann und kann Euch nicht viel auftischen.
Ali geleitet die beiden Schwestern höflich in den Garten hinaus. Er schickte ihnen die Frau seines Arbeiters zur Gesellschaft. Dann entschuldigte er sich und begab sich in die Küche um nach dem Rechten zu sehen.
Was er antraf, war sehr wenig und einer Prinzessin unwürdig. Er suchte noch überall, aber umsonst. Es gab nichts Verzehrbares, ausser dem angebautem Gemüse aus seinem Garten.
Ich habe mein Vermögen verprasst, dachte er bekümmert und jetzt kann ich Fayza nichts bieten... ich feierte große Feste, ließ Frauen aus Paris und teuerste Waren aus Frankreich einfliegen und alle meine Freund kamen zu den Festgelagen, die ich täglich veranstaltete.
Den Rest meines Vermögens schenkte ich den Beduinen in der Wüste, wenn ich zur Falkenjagd ging...
Ali musste lächeln, anfangs flog ich noch mit dem Helikopter zu ihnen, von Riad bis an die irakische Grenze.
Ich lernte viel von ihnen, vor allem ihr Freiheitsgefühl. Sie brauchen weder Reichtum noch Macht. Dort, in der Stille der Wüste, der großen Rub-Al-Kahli war mir Allah nah.
Frühmorgens verrichtete ich meine Gebete. Dann brach ich allein auf zur Jagd. Mein Falke saß auf meiner Hand und wir ritten mit einem der Kamele der Beduinen los.
Dort, in jener Unwirtlichkeit, heilte ich mich. Ich begann zu verstehen, dass wir nichts besitzen. Ausser gutem Mut, der mich die ganzen Jahre nie verlassen sollte... so wie mein Falke, der immer zu mir zurückkehrte und mir bestes Wild darbot, mir die Selbstlosigkeit vorlebte...
Da fiel ihm sein Falke ein. Sein wertvoller Falke. Man hatte schon hohe Summen für ihn geboten, aber auch Ali empfand eine Treue zu seinem Tier.
Da er aber sonst nichts auftischen konnte, beschloss er ihn für das Mahl zubereiten zu lassen.
Mit heiterer Gelassenheit geleitete Ali die beiden Schwestern zu Tisch.
Während des Essens erzählte Fayza, seitdem ihr Gatte gestorben sei, begebe sie sich jedes Jahr nach Mekka zur Haj. Sie bete dort für ihre Familie und für ihre Freunde.
Nachdem sie gegessen hatten, setzten sie sich auf die Polster und tranken starken süßen Kaffe.
Der wahre Grund Ali, weswegen ich zu dir kam. Mein Sohn ist krank. Er sandte mich zu dir. Sie lächelte traurig. Er bittet dich um deinen Falken, weil er so glaubt, wieder gesund zu werden...
Ali rannen die Tränen über die Wangen, er saß versteinert da und sagte nichts.
Bitte verstehe mich nicht falsch Ali... es ist die Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn, die mich zwang, dich um deinen Falken zu bitten..
Ali stand erregt auf.
Fayza! Seit dem Allah es so wollte, dass mein Herz Euch gehört, habe ich einiges erdulden müssen. Das war alles nichts gegen den Schlag, den ich heute versetzt bekomme! Ali liess sich schwer auf das Kissen zurücksinken und sah Fayza mit unendlicher Traurigkeit an. Ich habe den Falken zum Mittagsmahl zubereiten lassen, da ich Euch standesgemäß bewirten wollte. Er fasste sich an die Stirn und murmelte, ich kann dem kleinen Karim nicht mehr helfen.
Fayza bedankte sich für seine großzügige Bewirtung und kehrte niedergeschlagen mit ihrer Schwester zu ihrem Sohn zurück, der einige Tage später starb.
Nach einer langen Zeit der Trauer, bekam sie verschiedene Heiratsanträge. Sie war nach dem Tod ihres Sohns, Alleinerbin eines unermesslichen Vermögens. Ihre Brüder ermunterten sie, sich einen Ehemann auszuwählen.
* * * * * * * *
Fayza ließ sich zur Falkenklinik fahren. Die Klinik war außerhalb von Riad und wurde von einem englischen Tierarzt geleitet. Der Wunsch dem sie ihm vortrug, war leicht zu erfüllen. Kostete sie aber ein kleines Vermögen.
Zwei Wochen später wurde der junge Falke aus Kasachstan eingeflogen. Er war bereits abgerichtet. Fayza ließ ihn zu den Beduinen bringen, Alis Freunde, die in der Nähe von Buraydah ihre Zelte hatten.
Dass Ali, ihren Heiratsantrag annahm, war so sicher, wie der Lauf der Sonne, die jeden Morgen aufgeht...
Zwei Wochen später, saßen Fayza und Ali Abends vor dem Zelt des Scheichs. Unter einem Sternenhimmel, wie man ihn nur in der Wüste erleben kann. Von der Feuerstelle entstieg der süße Duft vom Sandelholz. Dort waren die Beduinen versammelt. Teilten gemeinsam das Brot und ihre Geschichten. Geschichten ihrer Ahnen, die sie von ihren Müttern und Vätern schon erzählt bekamen.
Die Sonne, die jeden Morgen aufgeht. Das war es, was Fayza zusammen mit Ali am nächsten Morgen erleben durfte... dort in der Stille der Wüste, der großen Rub-Al-Kahli.
Sie ritten frühmorgens auf Kamelen los. Ali hatte seinen Falken dabei. Zutraulich saß er auf seiner Hand... die Sonne stieg lautlos am Horizont hoch und warf ein unwirkliches Muster von Licht und Schatten auf die Sanddünen. Im Westen verblassten die letzten Sterne, da dachten beide daran, wie nah Allah ihnen hier war.
Text von Karuna
