Frieden schließen

  • Ersteller Ersteller WildSau
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Ich werde nicht darüber diskutieren, ob das wirklich so war. Ich traue meiner Wahrnehmung. Und ich habe viele Jahre darum gerungen, diese Tatsachen anzuerkennen, und noch viel länger, sie offen aussprechen zu können. Es ist Fakt, dass die Misshandlungen, die an mir begangen wurden, bis heute mein Leben überschatten. Darüber werde ich mich nicht rechtfertigen.
Das sollst du auch nicht!
Außerdem, wem? Wer nimmt sich das Recht über dein Empfinden, deine Realität zu urteilen?
Aber mir ist klar was du meinst. Ich kenne das Gefühl, wenn man für seine Empfindungen belächelt wird,
man an sich selbst schon zweifelt nur weil dich keiner wirklich Ernst nimmt.

Mir ist klar, dass ich festhänge an Gefühlen wie Zorn und Groll, und dass dies Energien in mir bindet, die ich viel besser für die Gestaltung meines eigenen Lebens verwenden könnte. Deshalb möchte ich lernen, sie loszulassen.
Deshalb möchte ich hier einen Austausch starten.
Darüber, wie es gelingen kann/euch bereits gelungen ist, diese Anhaftungen hinter euch zu lassen, das Geschehene zu akzeptieren und eventuell sogar zu vergeben.
Ich mag jetzt nicht deinen Thread zu meinem machen, deswegen werde ich versuchen mich kurz zu fassen.

Ich hab über Youtube einige Meditationen und Hypnosen gemacht, viel Inneres Kind Heilung.
Affirmationen, die ich mir nebenbei angehört habe und immer noch anhöre haben mir auch geholfen.
Sehr viel Zeit in der Natur, sich bewusst erden hilft mir. Atemübungen.

Und ich habe die Zeit gedanklich zurückgedreht und mich in die Lage meiner Mutter, meines Vaters, Oma, etc. versetzt.

Die haben ja vieles einfach übernommen, ohne zu reflektieren.
Meine Oma zum Beispiel, ich sehe ein, ihr geschah großes Unrecht und es war ihr gegenüber unfair,
aber ihre darauffolgende Bösartigkeit war ihre bewusste Entscheidung.
Warum auch immer es so war, sie hätte sich - eben wegen dieser schlechten Erfahrung,
auch in die Gegenrichtung entwickeln können. Hat sie nicht, warum auch immer.
Ihr Verhalten büßen mehr oder weniger vier eigene Kinder, vier Schwiegerkinder, neun Enkelkinder und 12 Urenkel.
Dazu kommt, nicht nur ihre Kinder brachten das ein oder andere Trauma in die Beziehungen,
sondern auch die Schwiegerkinder hatten ihre Prägungen und Traumata.

Es ist wie wenn du 4 oder 5 Kieselsteine ins Meer wirfst, jeder zieht seine Kreise, die Kreise werden größer und manchmal überschneiden sie sich.
Vieles konnte meine Mutter damals nicht anders tun als sie es getan hat,
sie hat es nicht anders gelernt und war auch ihrem Umfeld ausgesetzt.

Erfahrungsgemäß treten bei dem Thema immer recht schnell Relativierer auf den Plan, die Opfern ihre Wahrnehmung absprechen wollen und sich auf die Täterseite schlagen. Deshalb soll gesagt sein, dass ich es hier nicht dulden werde, das individuell erlebtes Leid klein geredet wird.
Ich denke, manche Menschen denken, dass alles was sie negieren deswegen gar nicht existent ist.
Oder sich ihr Bild welches ihre eigene Realität darstellt, bewahren wollen, warum auch immer.
Sei es (was ich oft erleben durfte) "im Vergleich zu mir hast du eh nix durchgemacht, also beschwere dich nicht"
oder, dass sie einfach nicht wahrhaben wollen, dass das Leben kein Ponyhof ist.

Keine Ahnung was ich sagen soll, ich wünsche dir nur von ganzem Herzen,
dass du deine Ruhe und Vergebung findest.
Vielleicht hilft es dir, bei dir zu beginnen.
Vergib dir! vergib dir, dass du es selber nicht besser wusstest und nicht die Möglichkeit hattest, dich selber zu schützen.
Dich selber vor der einen oder anderen schlechten Erfahrung zu bewahren.

Alles liebe wünsch ich dir 🍀🍀🍀🍀
 
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Ab der 10. Minute geht es um Vergebung. Mir hat das Video mal sehr geholfen. Vielleicht kannst du auch etwas damit anfangen.
Danke für den Link, east of the sun.
Eine starke, kluge Frau. Wirklich beeindruckend!

Ein kleines aber muss ich dennoch anfügen: Es ist ein ganz anderer Ausgangspunkt, wenn die Person, die sich an einem schuldig gemacht hat, ihr Schuld eingesteht - und vielleicht sogar um Vergebung bittet, so wie es der Frau im Film widerfahren ist. Ich sage nicht, dass es nicht trotzdem eine große Leistung ist, zu vergeben. Wenn aber deinen Tätern jede Empathie fehlt, sie sich voll im Recht glauben, überhaupt keine Einsicht bezüglich ihrer Taten haben und welches Leid sie verursacht haben, ja im Gegenteil: sogar noch darauf bestehen, dass die Schuld beim Opfer liege, weil mit ihm ja etwas ganz grundlegend nicht stimme ... dann ist Vergebung noch mal eine ganz andere Herausforderung. Und das ist leider meine Situation. Ich habe über 20 Jahre dafür gebraucht, meine Sicht der Dinge als gültig anzuerkennen, neben der ihren, die zementiert, übermächtig und die einzig gültige Wahrheit war. Entschuldigung wird es für mich keine geben.
 
Ein kleines aber muss ich dennoch anfügen: Es ist ein ganz anderer Ausgangspunkt, wenn die Person, die sich an einem schuldig gemacht hat, ihr Schuld eingesteht - und vielleicht sogar um Vergebung bittet, so wie es der Frau im Film widerfahren ist.
Das ist auch eine Stärke die einfach nicht jeder hat.
Ich sage nicht, dass es nicht trotzdem eine große Leistung ist, zu vergeben.
Ist es immer.
Wenn aber deinen Tätern jede Empathie fehlt, sie sich voll im Recht glauben, überhaupt keine Einsicht bezüglich ihrer Taten haben und welches Leid sie verursacht haben, ja im Gegenteil: sogar noch darauf bestehen, dass die Schuld beim Opfer liege, weil mit ihm ja etwas ganz grundlegend nicht stimme ... dann ist Vergebung noch mal eine ganz andere Herausforderung. Und das ist leider meine Situation. Ich habe über 20 Jahre dafür gebraucht, meine Sicht der Dinge als gültig anzuerkennen, neben der ihren, die zementiert, übermächtig und die einzig gültige Wahrheit war. Entschuldigung wird es für mich keine geben.
mach dir klar, das ist ihre Schwäche!
Mach deine Vergebung nicht von deren Einsicht abhängig.
Vergib - oder arbeite daran zu vergeben - auch ohne, dass die Täter ihr Handeln einsehen.
Weil es geht um dich! Um dein Wohlgefühl.
🍀
 
Das sollst du auch nicht!
Außerdem, wem? Wer nimmt sich das Recht über dein Empfinden, deine Realität zu urteilen?
Aber mir ist klar was du meinst. Ich kenne das Gefühl, wenn man für seine Empfindungen belächelt wird,
man an sich selbst schon zweifelt nur weil dich keiner wirklich Ernst nimmt.
s.o.
Das ist leider eines meiner Hauptthemen: meine Erfahrung, mein Erleben, meine Wahrheit anzuerkennen - weil meine Täter sie mir bis heute absprechen wollen. Das begegnet mir bis heute regelmäßig im Außen, in Form von Menschen, die mein Erlebtes klein- und mir ausreden wollen. Und es ist nach wie vor eine Herausforderung, loyal mir selbst gegenüber zu bleiben. Deswegen war es mir auch so wichtig gleich vorweg zu schicken, dass ich die Tatsache meines Opferseins nicht diskutiere.
Ich mag jetzt nicht deinen Thread zu meinem machen, deswegen werde ich versuchen mich kurz zu fassen.
Dieser Thread soll kein Monolog sein. Im Gegenteil, ich freue mich sehr über Austausch, und wenn ihr eure eigenen Erfahrungen mit dem Thema teilt.
Meine Oma zum Beispiel, ich sehe ein, ihr geschah großes Unrecht und es war ihr gegenüber unfair,
aber ihre darauffolgende Bösartigkeit war ihre bewusste Entscheidung.
Warum auch immer es so war, sie hätte sich - eben wegen dieser schlechten Erfahrung,
auch in die Gegenrichtung entwickeln können. Hat sie nicht, warum auch immer.
Ihr Verhalten büßen mehr oder weniger vier eigene Kinder, vier Schwiegerkinder, neun Enkelkinder und 12 Urenkel.
Dazu kommt, nicht nur ihre Kinder brachten das ein oder andere Trauma in die Beziehungen,
sondern auch die Schwiegerkinder hatten ihre Prägungen und Traumata.

Es ist wie wenn du 4 oder 5 Kieselsteine ins Meer wirfst, jeder zieht seine Kreise, die Kreise werden größer und manchmal überschneiden sie sich.
Danke fürs Teilen!
Wie geht es dir heute damit? Konntest du verzeihen?

Für mich macht einen gravierenden Unterschied, ob Eltern Fehler begehen, weil sie es selbst nicht besser wissen, oder ob ganz offensiv und mit Lust die eigene Bösartigkeit an Schutzbefohlenen ausgelebt wird. Im ersten Fall erfolgt oft eine Einsicht, wenn die Leute später mit ihrem Verhalten konfrontiert werden - und auch Reue. Im zweiten Fall wird alles geleugnet und abgestritten, auch weil da ganz viel Scham da ist. Und ich weiß eben nicht, wie man sowas verzeihen soll.

Ich denke, manche Menschen denken, dass alles was sie negieren deswegen gar nicht existent ist.
Oder sich ihr Bild welches ihre eigene Realität darstellt, bewahren wollen, warum auch immer.
Sei es (was ich oft erleben durfte) "im Vergleich zu mir hast du eh nix durchgemacht, also beschwere dich nicht"
oder, dass sie einfach nicht wahrhaben wollen, dass das Leben kein Ponyhof ist.
Genau, das sind in der Regel Menschen, die an ihre eigenen Verletzungen nicht rühren wollen oder können, weil es zu schmerzhaft/vermeintlich unerträglich wäre. Deshalb sind sie auch nicht zu Empathie fähig und schlagen sich stattdessen auf die Seite der Täter und sprechen anderen ihre Leid ab. Die Welt ist voll davon.
 
mach dir klar, das ist ihre Schwäche!
Mach deine Vergebung nicht von deren Einsicht abhängig.
Vergib - oder arbeite daran zu vergeben - auch ohne, dass die Täter ihr Handeln einsehen.
Weil es geht um dich! Um dein Wohlgefühl.
Deshalb gibt es ja diesen Thread. Weil ich Anregungen suche, wie das gelingen könnte. Momentan seh ich da noch gar keinen Weg.
Mich würden Berichte interessieren, von Menschen, die es geschafft haben, ihren vollkommen uneinsichtigen Gewalttätern zu vergeben. Ehrlich, vollständig und aus tiefstem Herzen.
 
Gerade hatte ich einen kurzen Artikel einer Traumatherapeutin gelesen, die sagt, der einzige Mensch, dem man wirklich vergeben soll ist man selbst. Also mit sich selbst in Frieden sein.

Da ist mir eingefallen, dass ich einmal einen für mich sehr stimmigen Bericht über die Grenzen des Vergebens gelesen habe. Ich stelle ihn dir hier rein, vielleicht kannst du damit etwas anfangen.


Für mich selbst hab ich die Erfahrung gemacht, wie wichtig Trauerarbeit ist.
Erst, nachdem ich alles betrauert habe, jedes Gefühl dazu zugelassen habe, bin ich in den Frieden gekommen.
Darauf folgte dann auch, dass ich die Schuld beim Verursacher lassen konnte, und sie mit mir nichts mehr zu tun hat. Ob man das direkt als Verzeihen bezeichnen kann weiß ich nicht, denn ich gehe davon aus, dass im Falle mangelnder Einsicht ohnehin eine höhere Ordnung dafür sorgen wird, dass die Menschen, die anderen Leid zufügen, erkennen werden müssen, was sie getan haben.
Das ist meine feste Überzeugung.
Ich habe anfänglich Dialoge gesucht, in einem Fall hat das geholfen, in anderen nicht.
So habe ich irgendwann verstanden, dass ich meine Verletzungen in mir selbst heilen muss (natürlich mit Hilfe von außen) ganz unabhängig davon, wie sich der andere dazu verhält, der Fokus also auf mich selbst gerichtet bleiben muss. Natürlich kann man auch versuchen, Erklärungen für das Handeln anderer zu finden, das kann durchaus helfen.

Aber: Ab dem Moment, wo ich mir ein Verzeihen abringen möchte, für das ich noch gar nicht bereit bin, hab ich ja den Fokus schon wieder auf den anderen gerichtet und bleibe nicht bei mir.
Wichtig ist für mich, keinen Hass und Groll dauerhaft in mir zu tragen, damit vergifte ich mich nur selbst. Und das habe ich über lange Wege geschafft. Aber eben nur dadurch, dass ich tief in meine Geschichte und in meine Gefühlswelt eingedrungen bin.
Was allenfalls in mir noch hochkommt, ist manchmal Traurigkeit. Aber das darf sein.

Keine Ahnung, ob du mit meinen Zeilen was anfangen kannst, aber das sind meine Erfahrungen dazu.
 
Liebe @WildSau, mir hat es geholfen zu verstehen, dass Vergebung nichts ist, was ich aus eigener Kraft bewerkstelligen muss.
Denn so viel Kraft besitze ich bei weitem nicht.
 
Deshalb gibt es ja diesen Thread. Weil ich Anregungen suche, wie das gelingen könnte. Momentan seh ich da noch gar keinen Weg.
Mich würden Berichte interessieren, von Menschen, die es geschafft haben, ihren vollkommen uneinsichtigen Gewalttätern zu vergeben. Ehrlich, vollständig und aus tiefstem Herzen.

Es ist von alleine passiert, es war nie mein Ziel. Mir war nur wichtig, daß ich alles verarbeite und es hinter mir lasse, ich wollte keine Kraft und Gedanken für Täter verschwenden, warum auch. Es hat sich für mich auch wie mir selbst in den Rücken fallen angefühlt, den Wunsch zu haben, jemandem zu verzeihen, der mich so schlecht behandelt hat. Versuchen zu verzeihen als Verrat an mir selbst.
So hab ich mich auf mich selbst konzentriert, hab alles gefühlt, egal, was andere dazu gesagt haben, und bin stärker und freier geworden, und dadurch haben die Täter ihren Platz verloren, ihre Wichtigkeit. Sie sind mir egal geworden.
Irgendwann hab ich dann gemerkt, daß ich verziehen habe und ihnen nicht mehr böse bin, für die guten Dinge dankbar bin und ansonsten bin ich frei, denke nicht mehr an die schlimmen Dinge, es ist kein Bedürfnis mehr dafür da. Es belastet mich nicht mehr. :)
 
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Ich wäre für einen respektvollen Austausch auf Augenhöhe unter Betroffenen sehr dankbar und hoffe, es traut sich jemand!
Hallo@WildSau,
Es ist mir erst jetzt - durch deinen Thread - bewusst geworden, dass es da auch bei mir ein paar Leute gibt,
denen ich nicht vergeben kann - vielleicht gar nicht will!
Und weißt du was - ich habe nicht einmal ein Problem damit,
ich habe diese Leute einfach vergessen, sie spielen keine Rolle mehr.
Da ist auch kein Leidensdruck - einfach, weil sie aus meinen Gedächtnis verschwunden sind -
vielleicht setzt man sich mit diesem "Vergeben wollen" immer wieder unter Druck,
wärmt alte Geschichten auf - anstatt sie im gnädigem Dunkel untergehen zu lassen....
Vielleicht ist das ein Denkansatz, der dir hilft?
 
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