Die Anatta-Lehre Buddhas

opti schrieb:
Mir fällt gerade noch ein, dass solche Grenzfälle wie bei Suzanne Segal immer dann auftreten, wenn die Leute mehr oder weniger mit Gewalt ihr Ziel erreichen wollen. Wenn sie sich nicht die entsprechende Zeit lassen. Das könnte auf Menschen zutreffen, die unter einem gewissen Leidensdruck stehen. Die sind dann meistens auch nicht richtig geerdet (Sport, Yoga, Schwimmen, Laufen, Atemübungen, usw.), schenken den ethischen und moralischen Punkten vielleicht auch nicht die notwendige Aufmerksamkeit und arbeiten überwiegend auf Geistesebene. Und dann nimmt die erwachte Kundalini eventuell einen anderen Verlauf als erwünscht.
Man sollte bedenken, dass es auch Leute gibt, die überhaupt nichts spezielles getan haben, und denen es passiert ist. Einfach so. Aber das ist selten.
Man kann es als Leere, als Ichauflösung oder als Seligkeit bezeichnen. Es ist alles dasselbe.
Na, das klingt aber schon ein bisschen anders als zuvor. Grundsätzlich ist das nicht unrichtig, aber es sind eben die Details: Leere bezeichnet die Idee, dass die Dinge keine unabhängige, inhärente Existenz haben. Ichauflösung bezeichnet die Gewahrwerdung, dass das Ich keine unabhängige, inhärente Existenz hat (und folglich leer ist). Seligkeit könnte behelfsweise als die durch die Erkenntnis der Leere des Ich sich einstellende Empfindung bezeichnet werden, da durch diese Erkenntnis gleichzeitig gezeigt wird, dass alles Leiden und aller Schmerz "aussen vor" sind, bzw. sich auf ein Ich beziehen, das ja eben leer ist.

Aber wie gesagt, man kann diese definitorische Herumkrüngelei auch gleich sein lassen und einfach sagen, es sei letztlich immer dasselbe gemeint.
 
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fckw schrieb:
Man sollte bedenken, dass es auch Leute gibt, die überhaupt nichts spezielles getan haben, und denen es passiert ist. Einfach so. Aber das ist selten.

Na, das klingt aber schon ein bisschen anders als zuvor. Grundsätzlich ist das nicht unrichtig, aber es sind eben die Details: Leere bezeichnet die Idee, dass die Dinge keine unabhängige, inhärente Existenz haben. Ichauflösung bezeichnet die Gewahrwerdung, dass das Ich keine unabhängige, inhärente Existenz hat (und folglich leer ist). Seligkeit könnte behelfsweise als die durch die Erkenntnis der Leere des Ich sich einstellende Empfindung bezeichnet werden, da durch diese Erkenntnis gleichzeitig gezeigt wird, dass alles Leiden und aller Schmerz "aussen vor" sind, bzw. sich auf ein Ich beziehen, das ja eben leer ist.

Aber wie gesagt, man kann diese definitorische Herumkrüngelei auch gleich sein lassen und einfach sagen, es sei letztlich immer dasselbe gemeint.

Dass die Leute überhaupt nichts getan haben, würde ich nicht sagen. Sie haben bestimmt eine ganze Menge getan. Sie haben es aber vielleicht nicht bewusst getan.

Die Aussage, dass es eigentlich egal ist, wie man den Zustand der Erleuchtung beschreibt, fiel mir leider erst ein, nachdem ich deinen Beitrag beantwortet hatte. Hinterher erkannte ich, dass wir beide eigentlich dasselbe meinten.
 
Hallo FCKW, Opti und andere

fckw schrieb:
"empirisch" ist IMMER ein Ich feststellbar. Nehmen wir den vielverehrten Maharshi. Wenn du dir nur seine Gespräche ansiehst, ist keines zu sehen. Aber wenn du dir sein Leben genauer betrachtest, wirst du feststellen, dass auch Herr Maharshi durchaus nicht etwa vollständig frei von Verhaftungen, Motivationen usw. war. (Vermutlich ist das, wie richtig angemerkt wurde, gar nicht möglich, so lange ein Körper vorhanden ist.)

Mit anderen Worten: Am reinen Verhalten ist m. M. n. nicht zu erkennen, wie tief die Verwirklichung geht. Tendentiell womöglich.

Also ich habe nicht auf Maharshi verwiesen :clown:
Aber jetzt zur Argumentation. "Am reinen Verhalten" ist natürlich nicht zu erkennen, ob da ein Ich ist oder nicht. Das ist die Beobachterperspektive. Und es wird auch niemals gelingen, aus der Beobachterperspektive die Frage zu beantworten.
Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass im Moment der Ich-Auflösung kein Ich da ist. Und ein Beobachter wird dann freilich eine Person beobachten, die sich da auf dieses Kissen gesetzt hat und deren Willen es wohl war, zu meditieren ;) (sagt der Beobachter)

Allerdings hängt das alles auch sehr davon ab, was wir unter "Ich" verstehen.
(Ich werde nicht müde, das zu betonen)
Meinen wird die synchrone und diachrone Identität, die ungefähr im Alter von 1,5 Jahren Jahren entwickelt wird, anhand dessen ein Kind sich im Spiegel erkennen und "Ich" sagen kann oder meinen wir das, "innerhalb" dessen dieses Ich entwickelt wird (Selbst) und das auch schon pränatal teils als Körper-Selbst, teils symbiotisch (mit der Mutter) existiert oder meinen wir ein psychoanalytisches Ich oder ein I im Sinne Meads, etc. .

fckw schrieb:
Die Erfahrung von Anatta (Nicht-Ich, nenn es von mir aus Leere) ist eine notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung dafür, dass sich Seligkeit einstellt.
opti schrieb:
Das ist definitiv nicht richtig. Aber ich möchte dies nicht weiter begründen.

Warum soll es nur den (theravada-)buddhistischen Weg geben ? Vielleicht gibt es ja mehrere Wege zur Seligkeit.
Ich bin überzeugt davon, dass es auch Yoga-Wege (beispielsweise Chakra-Arbeit/Meditation) gibt, die ohne Ich-Auflösung zu einem Seligkeitszustand führen.

Und ich glaube nicht, dass der Seligkeitszustand ewig halten muss. Auf der Ariya-Ebene, die durch das Erleben von Nibbana gekennzeichnet ist (vom sotopanna bis zum arahat) gibt es immer noch ein Fortschreiten. Und Menschen, die einmal, zweimal Nibbana erfahren haben müssen dieses zumeist dennoch immer wieder stabilisieren.
Sicherlich bleibt ein tiefes Gefühl für immer im Geiste zurück, aber das kann auch schwächer werden, Anhaftungen können wieder zunehmen und starke Sankharas entwickelt werden, und letztlich kann dann immer noch ein Psychose ausbrechen, wenn es doch mal zu tief wird.
Wenn Upekkha nicht ausreichend vorhanden ist, dann kann das alles immer wieder abstürzen. Es geht nicht nur um die spirituellen Erfahrungen (Flows, Bangha, Nibbana, etc. ), sondern vor allem darum diese zu verarbeiten (Upekkha). Und daran kann man vor allem auch Erleuchtete erkennen.

Ich stimme (fckw) dem übrigens zu, dass tiefe Kundalini- und Bangha-Erlebnisse sehr oft als Lebenskrise erlebt werden. Dass das gesamte Leben nach diesem Erlebnis eventuell viel krisenhafter läuft und durch Anhaftungen gekennzeichnet ist. Die meisten Leute reden andauernd von dem "Aufstieg" und über den "Abstieg" redet fast niemand, dabei scheint es mir eigentlich recht einfach, zumindest Peak-Erlebnisse zu erfahren, aber viel schwieriger, diese sinnvoll in das Leben zu integrieren.

Liebe Grüße :liebe1:
Energeia
 
Diese Dame hatte nicht die Ich-Illusion verloren, sondern ihre Identität. Das ist was anderes.
"Ich" zu erleben heisst nicht, daß es an Begriffe wie zB dem Wort "ich" gebunden sein muss, das haben Babys auch nicht. Auch haben Babys keine Identität. Trotzdem arbeitet ihr Geist mit Dualität, hält die eigenen Projektionen im Geist für von sich selbst getrennte Phänomene.

Die Ich Illusion ist eine Art "Baufehler" im Geist, daß er nicht erkennt, das Erleber, erleben und Erlebnis Teile der selben Ganzheit sind.

Auch eine gestörte Ich-Wahrnehmung, wie du sie bei der Frau beschreibst, ist kein Befreiungsmoment. Andernfall könnten wir Befreiung zB durch Drogen erlangen.

Und es ist, wie ich oben sagte: Auch hohe Lehrer, und der Buddha hatten ein Ich, eine Persönlichkeit, die sich natürlicherweise aus dem Bewusstsein, der Erziehung, dem Kulturellen, dem Körper etc. zusammensetzte.
Nur kennen sie gleichzeitig daß das das eben aufgezählte Ausdruck der Natur des Geites sind. Das freie Spiel des Geistes, Dinge entsehen zu lassen.

Hier geht es um die sog. Raum-Klarheit-Unbegrenztheit des Geistes.
Die Erscheinungen im Geist (zb, die ich illusion), ist Ausdruck des Klarheitsaspektes im Geist. Das es sich ständig ändert, ist seine Unbegrenztheit, und daß diese Phänomene überhaupt entstehen können, ist sein Raum aspekt.

Erkennt man also die Natur dessen, was das "Ich" hervorbringt, dann weiss man, daß er klares Licht ist.
Man erkennt mit den Bildern im Spiegel also gleichzeitig die strahlende Fläche des Spiegels selbst. Oder man erlebt mit den Wellen gleichzeitig den Ozean.

Vielmehr ging es mir in dem Vorigen Post um solche Sachen, daß man nicht sagen kann: "Ich kann keine Probleme unter den Teppich kehren, weil es kein Ich gibt". etc.
SO kan man sich nicht unterhalten. Darum muss man als Person in Erscheinung treten, und sich nicht in Austauschbehindernde Phrasen verlieren.
Man braucht ein ICH, um in Kontakt zu kommen. Es geht gar nicht anders. Das Gegenüber könnte sonst mit dir nichts anfangen.
Verwirklichte haben eine Art künstliche Ich-illusion, die sie freiwillig aufrecht erhalten. Hier greift das Bodhisattva-Prinzip. Darum bleiben sie im Kreislauf der Existenzen, weil sie so wiederkommen können, wenn sie einige Schleier absichtlich aufrecht erhalten.

Tut man das nicht mehr, geht man ins Nirvana ein, so wie es der Shakyamuni machte. Aber bis zu seinem Tot konnte er immer mit den Leuten sprechen.
Wäre das anders, müssten alle Verwirklichten völlig gleich sein, denn in der Letzendlichen Wahrheit gibt es keine Unterschiede. Sie weisen aber alle völlig unterschiedliche Vorlieben und Charakterzüge auf.

Gruß
FM
 
fckw macht gerade wieder einmal schmunzelnd die Erfahrung, dass, sobald man über diese Dinge redet, man einfach nur phänomenal aneinander vorbeiredet. Und damit klinkt sich fckw wieder aus dem Thread aus.

Ciao, ihr Buddhas! fckw liebt euch alle. :liebe1:
 
fckw schrieb:
man einfach nur phänomenal aneinander vorbeiredet.

Das ist eigentlich der Normalfall, wenn unterschiedliche Denksysteme aufeinander stoßen. "Kommunikation" und "Humor" ;) ist dann (meiner Ansicht nach) notwendig, um Begriffe und Missverständnisse zu klären - und nicht der Ausstieg sowie Ironie.

:liebe1:
 
Hallo FrischMilch,

ok, mein Eindruck ist, dass Du das, was viele anderen als "Ich" bezeichnen als "Identität" bezeichnest.
Und das, was Du "Ich" nennst, das hatte ich "Selbst" genannt.

Wenn ich deinen Text so übersetze, dann kann ich da nur zustimmen - zumindest, was die Beschreibung dieser Typologie angeht (das andere muss ich erst verdauen :) )

Liebe Grüße :liebe1:
Energeia
 
Hallo FrischMilch

Auch haben Babys keine Identität. Trotzdem arbeitet ihr Geist mit Dualität...

Für mich widerspricht sich dies. Und ich meine, dass Babys sehr wohl eine eigene Identität haben. Ich würde sogar schon dem Fötus eine eigene Identität zugestehen. Die Identität steht für mich mit Glücksempfindungen und Schmerz zusammen. Und die kann bestimmt bereits der Fötus in der Schwangerschaft empfinden.

Auch eine gestörte Ich-Wahrnehmung, wie du sie bei der Frau beschreibst, ist kein Befreiungsmoment. Andernfall könnten wir Befreiung zB durch Drogen erlangen.

Für mich hat Befreiung, Erleuchtung, grundsätzlich etwas mit Drogen zu tun, nämlich mit körpereigenen Drogen. Für mich ist Erleuchtung letztendlich nichts anderes als ein physiologischer Prozess, der den körpereigenen Drogenspiegel so verändert, dass "Glückshormone" aktiviert werden, die Glücksempfinden produzieren und Angst, Trauer, Schmerz, und andere negative emotionale Zustände vermindern oder beseitigen.
 
opti schrieb:
Für mich widerspricht sich dies. Und ich meine, dass Babys sehr wohl eine eigene Identität haben. Ich würde sogar schon dem Fötus eine eigene Identität zugestehen. Die Identität steht für mich mit Glücksempfindungen und Schmerz zusammen.

Ich kann das nur noch einmal wiederholen. In der Gegenwärtigen Psychologie - so, wie ich sie subjektiv überschaue - spricht man hier überwiegend von einem "Selbst".

Und das Selbst will FrischMilch den Babys nicht absprechen ( so weit ich ihn verstehe), sondern ein reflexives Ich, das er "Identität" nennt. Das "Selbst" steht für Glücksempfindungen, Schmerz und auch Wut.

Opti schrieb:
Für mich hat Befreiung, Erleuchtung, grundsätzlich etwas mit Drogen zu tun, nämlich mit körpereigenen Drogen. Für mich ist Erleuchtung letztendlich nichts anderes als ein physiologischer Prozess, der den körpereigenen Drogenspiegel so verändert, dass "Glückshormone" aktiviert werden, die Glücksempfinden produzieren und Angst, Trauer, Schmerz, und andere negative emotionale Zustände vermindern oder beseitigen.

Also mein Eindruck ist, dass dies mit dem Yoga-System korrespondiert, wo beispielsweise die Chakren unterschiedlichen Drüsen zugeordnet werden.
Ich glaube, dass der Buddhismus jedoch einen anderen "Anspruch" hat - ob das natürlich zutrifft, das ist eine andere Frage.

:liebe1:
 
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Energeia schrieb:
Warum soll es nur den (theravada-)buddhistischen Weg geben ? Vielleicht gibt es ja mehrere Wege zur Seligkeit.
Ich bin überzeugt davon, dass es auch Yoga-Wege (beispielsweise Chakra-Arbeit/Meditation) gibt, die ohne Ich-Auflösung zu einem Seligkeitszustand führen.

Und ich glaube nicht, dass der Seligkeitszustand ewig halten muss. Auf der Ariya-Ebene, die durch das Erleben von Nibbana gekennzeichnet ist (vom sotopanna bis zum arahat) gibt es immer noch ein Fortschreiten. Und Menschen, die einmal, zweimal Nibbana erfahren haben müssen dieses zumeist dennoch immer wieder stabilisieren.
Sicherlich bleibt ein tiefes Gefühl für immer im Geiste zurück, aber das kann auch schwächer werden, Anhaftungen können wieder zunehmen und starke Sankharas entwickelt werden, und letztlich kann dann immer noch ein Psychose ausbrechen, wenn es doch mal zu tief wird.
Wenn Upekkha nicht ausreichend vorhanden ist, dann kann das alles immer wieder abstürzen. Es geht nicht nur um die spirituellen Erfahrungen (Flows, Bangha, Nibbana, etc. ), sondern vor allem darum diese zu verarbeiten (Upekkha). Und daran kann man vor allem auch Erleuchtete erkennen.

Ich stimme (fckw) dem übrigens zu, dass tiefe Kundalini- und Bangha-Erlebnisse sehr oft als Lebenskrise erlebt werden. Dass das gesamte Leben nach diesem Erlebnis eventuell viel krisenhafter läuft und durch Anhaftungen gekennzeichnet ist. Die meisten Leute reden andauernd von dem "Aufstieg" und über den "Abstieg" redet fast niemand, dabei scheint es mir eigentlich recht einfach, zumindest Peak-Erlebnisse zu erfahren, aber viel schwieriger, diese sinnvoll in das Leben zu integrieren.

Liebe Grüße :liebe1:
Energeia

Man meint, es gäbe verschiedene Wege zur Erleuchtung. Schaut man sich diese Wege aber einmal genauer an, dann erkennt man, dass es im Prinzip alles dieselben Wege sind. Ob ich das unter dem Gesichtspunkt der Leere oder der emotionalen Seligkeit betrachte, ist eigentlich völlig egal. Das entscheidende bei allen spirituellen Wegen sind die Einflüsse, die sie auf die Physiologie haben. Denn nur dort findet wirklich eine Veränderung statt.

Und natürlich muss der Seligkeitszustand nicht ewig andauern. Dafür gibt es genügend Beispiele. Ich jedenfalls bin kein Anhänger der Theorie, einmal Nirvikalpa Samadhi und das Paradies ist für ewig gesichert. Auch aus diesem Paradies kann man wieder vertrieben werden.

Ich glaube, dass tiefgehende Kundalini-Krisen nur auftreten, wenn man versucht, den spirituellen Weg mit Gewalt zu beschreiten, vielleicht aus einem gewissen Leidensdruck heraus, wenn man die Erdung und die ethischen und moralischen Maßstäbe vergisst und zu kopflastig vorgeht.
 
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