Hallo FrischMilch,
ich finde das ja sehr vorbildlich, wie Du das hier differenziert betrachtest. Das entspricht so ganz und gar nicht meinem Mahayana-Vorurteil, während das Verhalten von manosha genau in diese Schublade passt.
Von einem
philosophischen Standpunkt aus gesehen sind manche Mahayana-Lehren (Zen und Zen-ähnliche Richtungen jetzt mal ausgenommen) idealistische philosophische Positionen - ich unterstreiche das, weil ich den ontologischen Status der Lehre nicht bezweifeln aber auch nicht bejahen möchte.
Die Leere-Lehre von Nagarjuna, dessen Leere-Begriff ja einen transzendentalen Status einnimmt (und nicht mit der räumlichen Leere zu verwechseln ist). Oder auch die Sichtweise der Buddhanatur eines jeden Menschen oder der transzendentalen Buddhas und letztlich des Ur-Buddhas. Wir haben das ja schon alles besprochen.
Was ich hier immer wieder beobachten kann, das ist, dass manche Schüler all diese Lehren lesen und auch (für sich) verstehen und die Lehre auf der Vorstellungsebene in die Wirklichkeit projizieren. Wenn man dann "argumentiert", dann sind diese Menschen erst einmal schlagfertig, weil sie ja "in" dieser Welt leben, aber je weniger all das auf wirklicher Erfahrung beruht, desto mehr klafft dann doch eine Brücke zwischen Verhalten und Argumentation bzw. Belehrung.
Beispielsweise, wenn Probleme in der Diskussion oder Kritik am Kommunikationsverhalten mit Anatta gelöst werden sollen.
Es ist eben doch ein Unterschied, ob man Anatta in einem Bangha-Erlebnis erfahren hat oder ob man es per Reflexion immer wieder "erkennt" oder ob man es lediglich "weiß" bzw. verstanden hat (aus den Schriften).
Es besteht hier immer wieder die Gefahr, dass nicht "wahr-genommen" wird, sondern "vor-gestellt" wird, dass nicht die Wirklichkeit so gesehen wird, wie sie ist (Vi-passana), sondern dass man in einer Vorstellungswelt lebt.
Mit solchen Menschen kann man dann freilich nicht wirklich kommunizieren, weil sie einerseits andauernd das Zusammenbrechen der Vorstellungswelt - das auch unbewusst das anhaftende Ich bedroht - verhindern müssen und andererseits eigentlich gar nicht kommunizieren, sondern lediglich (über ihre Vision/Lehre) belehren und kommentieren, um dann, wenn wirklicher Austausch und Kritik sowie Argumentation entstehen könnten, auszuweichen oder gar aus der Vorstellungswelt scheinbar erhaben herab zu blicken.
Meine
persönliche Erfahrung ist, dass dies bei Theravada-Buddhisten seltener der Fall ist. Und bei Hinduisten wiederum öfters - das muss aber nichts heißen, vielleicht kenne ich die falschen Leute.
Wie gesagt, damit möchte ich nicht den Status der Lehre

bezweifeln oder gar die Sinnhaftigkeit der verschiedenen Wege leugnen, sondern lediglich auf verschiedene Schwierigkeiten eines spirituellen Pfades hinweisen.
Positiv ist natürlich zu vermerken, dass all das einen motivierenden Effekt hat, während man im Theravada die Schmerzen in den Beinen und Armen beim langen Meditieren sowie die Sankhara-Reaktionen des anhaftenden Ichs schon zu Beginn so beobachten muss, wie sie sich - ohne Wurzel-Lama, ohne Schützer, ohne Vorstellungswelt - dem zeigen der noch Lichtjahre davon entfernt ist, ein Buddha zu sein: als Qual und Unfreiheit

Und erst nach längerer Zeit der trockenen Praxis reift dann ein Verstehen von Anicca, Upekkha, Anatta, etc. .
