Du ahnst nicht, wie gut ich dich verstehe. Aber damals konnte ich einfach nicht anders handeln - ohne diese junge Frau zu verletzen. Sie hatte mir schon vorher mal erzählt, dass sie deswegen so wenigen etwas sagt, weil sie die Reaktionen der Menschen nicht aushalten konnte. Natürlich waren diese Reaktionen vollkommen normal und total menschlich, aber sie hat sie einfach nicht ertragen.
Das hatte mich daran erinnert, dass ich nach dem Tod meines Vaters am Tag nach meinem 16. Geburtstag jeden Gang durchs Dorf wie ein Spießrutenlaufen empfunden hatte. Vielen mag der Zuspruch und die Beileidsbekundungen der Menschen gut tun, für mich war es die Hölle. Und mit dieser Erinnerung konnte ich ... ich nenne sich mal Multimädchen supergut verstehen.
Klar hats mich zerrissen - und im Gespräch mit anderen aus unserer Gruppe ist mir dann auch der Poppes explodiert, klar! Aber in ihrem Beisein habe ich einfach nur zugehört. Meistens jedenfalls, nicht immer. Das waren Dimensionen, die mir bis dahin völlig fremd waren und ich bin letztlich auch nur ein Mensch.
M-hmmmm, auch das verstehe ich.
Damals war ich mitten in meiner "Arbeit" an mir selbst und wirklich schon richtig gut in Übung, aber diese Täter liebhaben zu lernen war mir schlichtweg unmöglich. Allerdings kann ich ein echter Sturkopf sein, vor allem was mich angeht. Und Multimädchen konnte es ja, aber ich konnte es nicht. Was ich auch probierte - liebhaben war einfach nicht drin.
Aber dann habe ich probiert, mich in Multimädchen hineinzuversetzen und war damit selbst das Opfer. Und dann ging es. Klar ist das merkwürdig, aber das war mir echt egal - ich konnte es und das hat mir gereicht. Und es ist noch heute so, dass mir die Galle hochkommt, wenn ich sehe wie andere traktiert werden - und das finde ich auch in Ordnung so, schließlich fängt die bedingungslose Liebe immer in einem selbst an. Und da knutsch ich selbstverständlich auch meinen kleinen Wüterich. Aber Quälgeister kann ich auch heute nur liebhaben, wenn ich mich in die Rolle des Opfers versetze und das empfundene Leid als selbstgewählte Prüfung betrachte. Dann gehts. Aber NUR dann.
Findest du?
Ich halte das sogar für ziemlich genial. Natürlich nur unter dem Gesichtspunkt, dass die höchste, göttliche Ebene Eins ist und Allwissen beinhaltet. Dieser Zustand für sich allein wär auf Dauer bizzli... - also irgendwie fad. Klar kann das Göttliche als solches existieren und wissen und sein, aber was soll das ganze Wissen denn, wenn es nicht auch angewendet wird?
Von daher finde ich diesen Kreislauf des Lebens sogar so genial, dass mir die dafür passenden Worte fehlen. Auf der höchsten Ebene existiert das höchstmögliche Eine des Allwissens und drum herum wuselt es vor Lebensfunken, die ins Vergessen eintauchen, um alle Erfahrungen zu machen und alles wieder zu lernen und anzuwenden. Ein immerwährender Kreislauf des Lebens, erfüllt mit allem was existiert, mit Liebe und Leid, Freude und Trauer - ein einziges Fest des Lebendigen.
Doch, ich find das echt gailst.