Das Lebensgefängnis

Kvatar

Sehr aktives Mitglied
Registriert
6. Mai 2002
Beiträge
1.682
Quelle:http://www.buddhismus-muenchen.de/html/texte/t_vi_pri.pdf


Ajahn Buddhadasa: DAS LEBENSGEFÄNGNIS - Das Gefängnis des Lebens


Heute werden wir über etwas sprechen, das "Gefängnis" genannt wird. Das sollte uns helfen, etwas, das "Leben" genannt wird, besser zu verstehen. Dadurch werden wir Dhamma besser verstehen, was uns wiederum helfen wird, unser Leben ohne dukkha (Unzufriedenheit, Schmerz, Kummer, Leid) zu leben. Bitte bereitet Euren Geist darauf vor, genau zuzuhören.

Wo immer die Bedingungen und Anzeichen eines Gefängnisses auftreten, tritt damit auch gleichzeitig dukkha auf. Ihr solltet beachten, daß alle Formen und Arten von dukkha (Leid) die Qualität eines Gefängnisses an sich haben. Gefangen, eingekerkert und angekettet zu sein und durch Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen hindurch zu müssen sind Merkmale von dukkha. Wenn Ihr das versteht, wird Euch die Bedeutung dessen, was wir "upadana" (Anhaften, Ergreifen, Festhalten, Verhaftung, Anklammern) nennen, klarer werden. Wo immer auch upadana vorhanden ist, ist genau dort auch ein Gefängnis. Dieses "upadana" bringt selbst
die Bedingungen des Eingesperrtseins hervor. Wo immer upadana ist, ist auch Gebundensein. Dieses Gebundensein mag entweder einen positiven oder einen negativen Aspekt haben, in beiden Fällen jedoch sind wir gefesselt. Durch das Betrachten der Dinge als "Ich" oder "Mein" und durch das Anhaften an ihnen sind wir an sie gekettet. Wenn wir an etwas gebunden sind, verfangen wir uns darin, und es ist genauso als wären wir in einem Gefängnis gefangen.

Alle Dhammagrundsätze des Buddhismus können so zusammengefaßt werden: upadana ist die Ursache von dukkha - Leid wird aus dem Anhaften geboren. Deshalb müssen wir alle dieses upadana gut verstehen. Um es leichter verstehen zu können, müssen wir klar erkennen, daß upadana genauso wie ein Gefängnis ist. Es ist ein geistiges, ein spirituelles Gefängnis.

So kommen wir zum Studium des Dhamma und entwickeln samadhi (geistige Stabilität und (Ruhe) und vipassana (Einsicht), um upadana zu zerstören. Oder, um es bildlich auszudrücken, wir studieren Dhamma und entwickeln den Geist, um das Gefängnis zu zerstören, das uns jetzt gefangen hält.

Wir sprechen zwar über ein geistiges oder spirituelles Gefängnis, aber es hat die gleiche Qualität wie ein echtes Gefängnis aus Beton, in denen Menschen überall gefangengehalten werden. Allerdings ist dieses Gefängnis insofern etwas seltsam oder außergewöhnlich, weil wir es nicht mit unseren Augen sehen können. Noch außergewöhnlicher ist es, daß Menschen sich
freiwillig melden, um sich dort einsperren zu lassen. Tatsächlich freuen sich die Menschen sogar noch darüber, daß sie sich dort einsperren lassen können. Das ist ein sehr merkwürdiger Aspekt des spirituellen Gefängnisses.

Ihr müßt Euch die Worte "Befreiung" oder "Erlösung", wie sie in allen Religionen verwendet werden, in Erinnerung rufen. Das letztendliche Ziel aller Religionen ist Errettung oder Befreiung, oder welches Wort in der jeweiligen Sprache am geeignetsten ist. Alle diese Worte haben die gleiche Bedeutung: erlöst, gerettet, befreit zu werden. Alle Religionen lehren Befreiung. Woraus werden wir also befreit? Wir werden aus dem spirituellen Gefängnis befreit. Das, was alle von Euch wollen und brauchen - sogar jetzt in diesem Moment - ist "Freiheit" oder "Ungebundenheit". Das ist nichts anderes als der Ausbruch aus dem Gefängnis. Sei es ein physisches, materielles Gefängnis oder ein geistiges, spirituelles Gefängnis, in beiden Fällen wollen wir Freiheit.

Jene, denen es an Weisheit mangelt, können nur die physischen, materiellen Gefängnisse sehen und fürchten. Aber jene, die genug Weisheit (pañña) besitzen, um tiefer zu blicken, werden erkennen, um wieviel schrecklicher und gefährlicher dieses spirituelle Gefängnis ist. Tatsächlich sitzen vergleichsweise nur wenige in einem normalen Knast, während jeder, die ganze Welt, im spirituellen Kerker einsitzt. So befindet sich zwar jeder von Euch in Freiheit, außerhalb des gewöhnlichen Gefängnisses, aber Ihr alle seid im spirituellen Gefängnis eingekerkert. Was uns dazu treibt, uns für Dhamma zu interessieren, hierherzukommen (dieser Text ist die Mitschrift eines Vortrages Ajhan Buddhadasas), um Dhamma zu studieren und uns in der Geistesentwicklung zu üben, ist die Bedrängnis und der Druck der Gefangenschaft in diesem spirituellen Gefängnis. Ihr mögt Euch dessen vielleicht nicht bewußt sein, aber so ist die Sachlage. Die spirituelle Gefangenschaft zwingt uns, gleich ob wir wollen oder nicht, zu kämpfen und einen Weg heraus zu suchen. Ob Ihr es erkennt oder nicht, die spirituelle Gefangenschaft zwingt alle von Euch, die spirituelle Freiheit zu finden. Also kommt Ihr hierher und an andere Orte wie diesen.


Obwohl das, was uns gefangenhält, nur ein einziges Ding, nämlich ganz allein upadana (Anhaften) ist, nimmt dieses Gefängnis viele verschiedene Formen an. Es gibt Dutzende von Formen und Arten davon. Wenn wir uns die Zeit nehmen, einige Arten von Gefängnissen zu betrachten, wird es uns das Verständnis erleichtern. Dann werden wir dieses Phänomen upadana besser verstehen und wir werden auch tanha (Verlangen) und kilesa (geistige Verschmutzungen, Herzenstrübungen) besser verstehen, welche nach der buddhistischen Lehre dukkha (Leiden) verursachen. Und wir werden auch dukkha verstehen, wenn wir das Thema Gefängnis
klar und gründlich verstanden haben. Ich möchte Euch raten, das Wort "upadana" anstelle von "Anhaften" oder anderen Übersetzungen zu verwenden. Diese Worte werden immerzu mißverstanden.

Ihr müßtet die Bedeutung der Worte Anhaften, Verhaftung, Anklammern und Festhalten nehmen und sie kombinieren, um die Bedeutung von "upadana" zu erhalten. Es ist also besser für uns, das Wort upadana zu benutzen. Seine Bedeutung ist weiter gefaßt und sie wird es uns ermöglichen, diese Angelegenheit tiefer und ausführlicher zu betrachten. Ihr mögt es jetzt noch nicht ganz verstehen, aber versucht dieses Wort upadana zu benutzen und eure Zunge, euren Geist und eure Gefühle daran zu gewöhnen. upadana ist nur ein einfaches Wort, aber es steht für die wichtigste Sache überhaupt. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß das Herz des Buddhismus die Zerstörung, die Entwurzelung, das Herausschneiden und Auslöschen von upadana ist. Ist das geschehen, dann ist dukkha (Leiden) beendet, und es gibt kein Gefängnis mehr. Sollten wir also nicht Interesse für die Angelegenheit des Auslöschens von upadana oder, metaphorisch gesprochen, für die Zerstörung des Gefängnisses entwickeln? Dies ist die Essenz aller buddhistischen Sekten und Schulen. Theravada Buddhismus, Mahayana Buddhismus, Zen Buddhismus, Tibetanischer Buddhismus, welche Art von Buddhismus Ihr auch bevorzugt, sie unterscheiden sich nur oberflächlich, dem Namen nach, oder in den äußerlichen Zeremonien und Übungen. Aber das Herz ist überall das gleiche: das Auslöschen von upadana.

Seid nicht traurig oder enttäuscht und macht Euch nicht selbst das Leben schwer, durch den Gedanken, daß Ihr nicht in der Lage seid, alle Schulen des Buddhismus zu studieren. Macht Euch keine Sorgen, wenn Ihr den Buddhismus in Tibet, in Sri Lanka, in urma, in China oder woanders nicht studieren konntet. Es wäre Zeitverschwendung. Es gibt nur eine einzige Essenz oder einen Kern, nämlich den, upadana zu eliminieren. Also studiert einfach nur diese eine Sache, das ist genug.

Wenn ihr wirklich ein Experte für Mahayana Buddhismus werden wollt, müßt Ihr Sanskrit lernen. Oder, wenn Ihr Zen gut verstehen wollt, müßt Ihr chinesisch lernen. Um Vajrayana kennenzulernen, den Buddhismus von Tibet, müßt Ihr tibetisch lernen. Nur die Sprachen zu lernen, wird Euch fast Euer ganzes Leben kosten, und doch werdet Ihr in Wirklichkeit immer noch nichts gelernt haben. Ihr seid immer noch nicht ins Herz des Buddhismus vorgedrungen. Versteht was das Herz von allen Buddhistischen Schulen ist und lernt nur diese eine Sache: das Auslöschen von upadana. Dann werdet Ihr die Essenz des Buddhismus kennen, gleich ob er Mahayana, Theravada, Zen oder Vajrayana genannt wird. Dies sind nur Oberflächlichkeiten, die als neue Entwicklungen heraufbeschworen werden. Sogar in der einen Schule des Theravada Buddhismus gibt es viele verschiedene Ausprägungen. Es gibt auch viele verschiedene Arten von geistiger Kultivation. Da ist die Art Meditation aus Burma, bei der das Heben und Senken der Bauchdecke beobachtet wird; da sind die Arten, die auf den Mantras "Samma Araham" und "Buddho, Buddho" basieren, sowie die
verschiedensten anderen Methoden und Techniken. Wenn es sich um eine richtige Meditationsart handelt, so ist der Kern einer jeden immer genau der selbe: die Notwendigkeit, upadana auszulöschen. Wenn sie noch nicht bis zum Ausrotten von upadana vorgedrungen ist, ist sie noch nicht das Richtige. Und sie wird auch nicht von Nutzen sein.

Um erfolgreich wirklich Nutzbringendes ernten zu können, müssen wir im Gefängnis selbst lernen. Untersucht das tatsächliche dukkha von innen heraus. Also halten wir jetzt besser in uns Ausschau und finden dieses Gefängnis, über das wir sprechen werden. An diesem Punkt werden wir vor die Wahl gestellt: werden wir von außen lernen oder werdenwir von innen lernen? Diese Unterscheidung ist wesentlich. Der Buddha sagte, daß wir von innen studieren müssen. Das äußere Lernen kommt von Büchern, Zeremonien, Übungen und Dingen wie diesen. Alles was wir lernen müssen, hat der Tathagata in Bezugnahme auf den lebenden Körper und den lebenden Geist erklärt. Das ist der Ort an dem echtes Lernen stattfindet, also lernt dort.


Ganz korrekt gesprochen, können wir, wenn wir wirklich erfolgreich sein wollen, von den Schriften, von den Techniken und den verschiedenen Lehren nichts lernen. Lernt im Inneren, das bedeutet, lernt in euch selbst während ihr noch lebt, bevor ihr tot seid. Äußere Studien – das Lernen aus Büchern und all die verschiedenen Zeremonien und Rituale - haben nichts von Wert zustandegebracht. Also laßt uns innen studieren. Bitte merkt euch diese Worte: "innerlich lernen".

Training in samadhi und vipassana (Sammlung und Einsicht), das heißt die Achtsamkeit beim Atmen (napanasati-bhavana) zu entwickeln, wie wir es hier getan haben, ist dieses innerliche Lernen. Um dieses innere Studium zu bewältigen, bedarf es zwar eines ziemlichen Maßes an Geduld und Ausdauer, aber auch nicht übermäßig viel. Eigentlich, wenn wir es mit einigen von den Dingen vergleichen, die andere Leute üben, wie Hochleistungssport, Gymnastik und Akrobatik, sind diese Dinge schwieriger als das Training in samadhi und vipassana durch die Geistesgegenwart beim Atmen. Und doch gibt es Menschen, die genug Ausdauer und Beharrlichkeit besitzen, um solche Dinge zu tun. Wenn wir also auch nur mäßig ausdauernd sind, werden wir imstande sein, mit samadhi und vipassana, mit Geistesgegenwart beim Atmen zu üben. Einige hielten es nicht aus und sind bereits davongelaufen. Wir haben genug Ausdauer gehabt, um soweit zu kommen und wenn wir noch ein bißchen weiter machen, werden wir in der Lage sein, die Übung auszuführen und wir werden den eigentlichen Nutzen daraus erhalten. Also wendet Euch diesem inneren Studium zu und tut das mit ausreichend Geduld und Ausdauer.



(Den weiteren Text des Vortrages von Ajhan Buddhadasa entnehmt bitte dem oben vorgestellten Link.)


Grüße,
KTG
 
Werbung:
Kvatar,
was möchtest Du mit diesen Beiträgen bewirken.
Ist Dir das gleichgültig (panna) - oder steckt doch noch etwas dahinter (upadana?), gar.

Selbstvertändlich ist es aus vipassana geboren - Deiner vipassana :)) - das brauchst Du uns also nicht zu erklären...



Ah - Du postest in regelmäßigen Abständen Ähnliches, um zu sehen, ob da jemand dabei ist, der es verstehen will? mit dem Du Dich austauschen kannst; ihm zur Lehre sein; mit dem Du dukkha üben kannst? ;-)



Und, es ist ein Ausdruck Deiner Hochachtung für den Vortragenden, Ajhan Buddhadasa. Selbstvertändlich; das kann man sehen.



Gruß
 
Uuups, Sumsi.

Dies ist das Meditationsforum da - so dachte ich - könnte man mal über Meditation diskutieren. Tut mir leid dass mein Beitrag Dir nicht gefallen hat. Ich schäme mich und entschuldige mich dafür. Deine Kritik ist natürlich berechtigt - tut mir leid, dass ich Deine Zeit verschwendet und Dich zum Lesen gezwungen habe.

;)



P.S.: "Was ich damit bezwecken möchte" ?
Natürlich will ich provozieren. Klappt gut, gelle ? :D
 
uuups - kvatar -

Du wolltest nur provozieren ?

Dabei habe ich lebenslänglich ....

... und war gerade dabei mir ein paar ernste Gedanken zu machen ...

na ja ... dann nicht - :D

mara
 
@Mara: ich plane den Ausbruch - machst Du mit ? ;)


Teil 2 (Quelle: Link im Erstposting angegeben)


Bitte bereitet euren Geist nun darauf vor, genau zuzuhören.


Metaphern zu verwenden macht es uns leichter, die Sache, die wir besprechen, zu verstehen. Also benutzen wir sie hier, und heute sprechen wir mit Euch allen über das "Gefängnis". Das erste Gefängnis, nach dem Ihr Ausschau halten sollt und das Ihr erkennen müßt, ist das Leben selbst. Wenn Ihr das Leben als Gefängnis anseht und erkennt, dann müssen wir sagen, daß Ihr
die Wahrheit der Natur bereits ziemlich gut kennt. Die meisten Menschen jedoch betrachten das Leben als etwas Erfreuliches, eine Gelegenheit, um Spaß zu haben. Sie sind willens, für den Genuß des Lebens zu leben. Dann vernarren sie sich in das Leben und werden davon ganz in Anspruch genommen. Daß sie vom Leben betört und getäuscht werden, bewirkt, daß das Leben zu einem Gefängnis wird.

Wenn wir das Leben als Gefängnis ansehen, dann müssen wir das upadana in diesem Leben gesehen haben. Ansonsten werden wir nicht erkennen, daß das Leben ein Gefängnis ist. Statt dessen werden wir damit zufrieden sein und denken, daß das Leben der himmlisch ist. Denn es gibt in ihm auch so viele Dinge, die uns befriedigen, die uns austricksen und uns einwickeln. Aber in allem, das wir als befriedigend, angenehm, ansprechend und betörend empfinden, wird es auch upadana geben. Diese Dinge werden zum Gefängnis. Wie sehr wir auch etwas lieben, es wird mindestens in diesem Maße zum Gefängnis werden, durch upadana. Das ist eine positive Form von upadana. Sobald wir etwas hassen oder etwas nicht mögen, wird es zu einer
negativen Form von upadana, und damit genauso zum Gefängnis. Getäuscht und fehlgeleitet zu werden, entweder vom Positiven oder vom Negativen, führt in beiden Fällen ins Gefängnis. Und so verwandelt sich das Leben in dukkha.

Wenn man das so sieht, wird man auch erkennen, daß sich das Leben nur wenn es upadana gibt, sich in ein Gefängnis verwandelt; wenn es jedoch kein upadana gibt, dann ist das Leben überhaupt kein Gefängnis. Das bedeutet, daß normalerweise oder natürlicherweise das Leben kein Gefängnis ist, daß wir es nur durch upadana zu einem Gefängnis machen. Durch unsere eigene Ignoranz, unsere eigene Dummheit, unseren Mangel an richtigem Verständnis gibt es upadana in unserem Leben.

Leben wird dann ein Gefängnis für uns. In Thai haben wir einen Ausdruck der sowohl derb als auch kritisch ist, "som nam na man" was etwa, "das geschieht dir recht" bedeutet. Durch unsere eigene Dummheit erzeugen wir upadana aufgrund von avijja (Unwissenheit) und schon ist ein Gefängnis da. Was soll man dazu sagen: "som nan na man - das geschieht dir recht".


Hier und jetzt solltet Ihr Euer Leben betrachten, und sehen, ob es in Eurem Leben upadana gibt oder nicht. "Ist mein Leben ein Gefängnis oder nicht? Lebe ich in einem Gefängnis aus upadana oder nicht?" Jeder von Euch muß sehr genau in sein eigenes Herz schauen und absolut klar sehen, ob das Leben für ihn ein Gefängnis ist oder nicht. Warum sollten wir sonst hierherkommen, um zu meditieren und den Geist zu kultivieren? Im Wesentlichen ist das wahre Ziel und der Zweck der Geistesentwicklung: die Zerstörung unserer Gefängnisse. Ob Eure Studien und Übungen erfolgreich sind, ob Ihr das Gefängnis zerstören könnt oder nicht, ist eine andere Frage. Überdenkt folgendes genau. Wenn wir upadana nicht erkennen, sind wir im Gefängnis gefangen, ohne es überhaupt zu erkennen. Was noch schlimmer ist, wir sind zufrieden und vernarrt in dieses Gefängnis, genauso wie wir in das Leben vernarrt und damit zufrieden sind. Weil wir in das Leben vernarrt und damit zufrieden sind, werden wir im Gefängnis des Lebens gefangengehalten.

Was werden wir tun? Wie müssen wir leben, damit das Leben kein Gefängnis ist? Dies ist die Frage, die wir möglichst genau und richtig beantworten müssen. Wenn Ihr erfolgreich seid mit Eurer Übung von anapanasati-bhavana (Kultivation des
Geistes durch Geistesgegenwart beim Atmen), werdet Ihr das Leben gut verstehen. Ihr werdet upadana gut verstehen und Ihr werdet kein upadana in Eurem Leben haben. Dann löst sich jedes Gefängnis das entsteht auf und verschwindet oder es entsteht erst gar nicht.

Bitte versteht diese Tatsachen wie Ihr sie verstehen solltet. Das wird Euch dazu motivieren, Euch mit Energie und Geduld der Zerstörung des Gefängnisses (Anm.: => der Meditation!) zu widmen. Ein anderer Blickwinkel, von dem aus man diese Sache betrachten kann, ist die Tatsache, daß das Leben entsprechend des Gesetzes der Natur verlaufen muß. Oder anders gesagt, wir selbst müssen im Einklang mit dem natürlichen Gesetz leben. Wir müssen nach Nahrung suchen, müssen uns bewegen, müssen ausruhen und entspannen, müssen arbeiten, um uns zu erhalten. Wir müssen diese und alle die anderen Dinge tun, die Ihr genau kennt. Sie nicht zu tun, ist unmöglich. Wir sind durch das Gesetz der Natur dazu gezwungen, sie zu tun. Auch das ist eine Art Gefängnis. Wie können wir aus diesem besonderen Gefängnis ausbrechen? Warum wurden wir in dem Gefängnis des "unter-dem-Gesetz-der-Natur-leben-müssens" eingesperrt? Dieses Gefängnis entspringt unserem upadana, das wir uns selbst oder unser Leben betreffend hegen. Wenn upadana auf uns selbst gerichtet ist, dann wird das "Ich", das "Selbst", geboren. Dieses "Ich" ist ängstlich, es macht sich Sorgen, es fürchtet sich und hat Angst vor diesen natürlichen Pflichten und deshalb wird es unglücklich. Diese Schwierigkeiten kommen vom upadana. Wenn wir kein upadana bezüglich des "Ich" hätten, dann wären diese notwendigen Pflichten nicht wie ein Gefängnis für uns. Wenn wir keinerlei upadana hinsichtlich des Lebens hegen, werden wir in der Lage sein, für unsere Bedürfnisse zu sorgen, unseren Lebensunterhalt zu verdienen, den Körper zu bewegen
und auf ihn acht zu geben, ohne unglücklich zu sein. Das ist sehr subtil, es ist ein Mysterium für die meisten Menschen. Dies ist die Subtilität der natürlichen Wahrheit. Wie werden wir leben, damit es kein dukkha in Verbindung mit der Tatsache gibt, daß alles im Leben entsprechend des Gesetzes der Natur ausgeführt werden muß?

Das nächste Gefängnis, das wir betrachten müssen, ist die Tatsache, daß wir unter dem Einfluß der Triebe stehen und im Machtbereich der Instinkte leben. Alle lebende Wesen, ob Menschen, Tiere oder Pflanzen, haben Instinkte. Diese Instinkte zwingen uns dauernd, ihren Anliegen und Bedürfnissen zu folgen. Das gilt besonders für den Sexual- oder Fortpflanzungstrieb.

Wie sehr kontrolliert er uns, macht uns Ärger, macht die Dinge kompliziert, und hält uns auf Trab. Sexuelle Gefühle und fortpflanzerische Antriebe pressen, unterdrücken und stören uns so gründlich; sie zwingen uns durch alle Arten von Schwierigkeiten. Aber wir können nicht aufhören. Manchmal ist uns das sogar recht. Auch unsere Kinder wachsen und entwickeln sich bis zu dem Stadium in dem der Sexualtrieb vollständig ausgereift ist, und dann sind die Kinder im Gefängnis dieser sexuellen Triebe gefangen.

Sogar der Trieb der Angeberei kann unser Leben bestimmen. Viele Menschen würden das nicht für einen Trieb halten, aber alle Tiere haben ihn. Das Bedürfnis sich herauszustellen, anzugeben, auf sich aufmerksam zu machen, ist ein Instinkt. Sogar Tiere haben aufgrund der instinktiven Bedingtheit das Bedürfnis zu zeigen, daß sie schön, oder stark, oder gewandt, oder was auch immer sind. Sogar dieser verrückteste, unsinnigste Instinkt ist ein Gefängnis. Wir wollen angeben und prahlen. Wenn es kein Gefängnis wäre, dann würde es uns nicht im geringsten zwingen und unterdrücken. Nun zwingt es uns jedoch schöne Kleidung, schönen Schmuck, schöne Schuhe zu kaufen und das sogar Mengenweise. Warum brauchen wir viele schöne Hemden und viele Paare schöner Schuhe? Warum brauchen wir das alles? Ihr müßt uns vergeben, aber wir müssen die Frauen hier besonders erwähnen. Da gibt es diesen Trieb, sich zu zeigen, und er ist eine Art Gefängnis. Weil die Menschen den Druck dieses Triebes nicht ertragen können, sind sie gezwungen, diesem Instinkt zu folgen und ihr Geld für alles mögliche und unmögliche auszugeben. Der Instinkt, sich hervorzuheben ist der lustigste, der idiotischste von allen. Jedoch ist er wirklich ein Gefängnis. Deswegen haben die Menschen nie genug Geld. Wenn wir darüber nachdenken, wenn wir eine Aufstellung aller unserer
Ausgaben machen, werden wir entdecken, daß einige Leute mehr Geld für Kleidung, Schmuck und Schönheitsmittel ausgeben als für Essen. Zudem bestehen sie darauf, ihre Häuser zu verschönern und zu dekorieren, was Ihre Ausgaben vervielfacht. Zusammengenommen ist das bestimmt mehr, als sie für das Essen ausgeben, das doch lebenswichtig ist. Wir stecken mehr
Geld in Dinge, die unnötig für das Leben sind, als wir für Lebensnotwendigkeiten wie Essen ausgeben. Dies ist ein weiterer Weg, sich im instinktiven Gefängnis fangen zu lassen. Bitte betrachtet diese Beispiele der Instinkte, die wir erwähnt haben, genau und denkt darüber nach. Sie sind Gefängnisse.



Grüße an meine Knastbrüder (und -schwestern) ;)

KTG
 
:D

Erst einmal einsehen, dass wir genauso im Knast sitzen wie alle anderen auch. Wenn wir die Gitterstäbe zu sehen beginnen, dann ist das schon ein Anfang.





P.S.: Vielleicht holt Isis uns ja raus ? :D
 
@Kvatar

Der Buddha sagte, daß wir von innen studieren müssen. Das äußere Lernen kommt von Büchern.........

Ja, das innere Studium ist wohl das Wichtigste.
Aus Büchern können wir jedoch auch viel lernen, da andere vor uns diesen Weg schon gegangen sind.
Wenn allerdings ein Esel in die Texte schaut, kann kein Weiser herausblicken :D :D :D




Die Ketten der Freiheit

Der Fluß floß rasch über die Felsen, die von der jahrelangen Strömung des Wassers glatt und sauber poliert waren. Die Zweige der Weidenbäume neigten sich herab bis zum Ufer. Aus dem Unterholz hoppelte ein Kaninchen, hielt plötzlich inne und stand bewegungslos still, bis auf das Zucken seiner Nase. Seine senkrecht aufstellten Ohren lauschten auf jedes Geräusch. Die fast blattlosen Bäume ragten düster in einen stahlgrauen Himmel. Die Erde war kalt und nass vom Sturm der vergangenen Nacht. Das Wachstum in der Natur verlangsamte sich, und die Tiere liefen geschäftig umher, um Nahrung für die kommende lange und kärgliche Jahreszeit zu sammeln. Auf einer Lichtung sassen die Lehrerin und ein Schüler.

"Sensei, was ist der Weg zur Freiheit? Wie können wir frei werden von unserer Furcht, unserem Schmerz, unserer Genußsucht und unseren Wünschen? Denn in alledem liegt grosses Leid", so fragte der Schüler ohne Umschweife.

Die Lehrerin schloß ihre Augen für einen Augenblick! Sie schien zu schlafen oder zu ruhen. Als sie die Augen wieder öffnete, bat sie:

"Zeige mir Deine Ketten!"

Mit überraschtem Gesichtsausdruck entgegnete der Schüler:

"Sensei, ich habe keine Ketten!"

"Warum suchst du dann die Freiheit?" sagte die Lehrerin mit einem Lächeln.


Alles Liebe
Isis
 
Das Du nicht unter Verfolgungswahn leidest heisst nicht, dass sie nicht auch hinter Dir her sind ! (Miss Piggy)


Der Schüler fragt nach den Ketten, weil er sie spürt. Zwar kann er sie nicht genau sehen, weiss aber an den Schmerzen, die sie verursachen, dass die Ketten da sind. Er muss sie sehen - oder besser: erkennen - um sie abzuwerfen und sich befreien zu können.


Es stimmt, was die Lehrerin sagt: die Ketten sind nicht "echt", man kann sie nicht sehen. Aber man kann sie spüren:

Angst, Schmerz, Leid, Verzweiflung, Zorn, Wut, Trauer, Lachen, Langeweile, Begehren, Lust...


Auch diese Gefühle sind nicht echt. Sie entstehen aus bestimmten Umständen und rufen sich damit selbst im Geist hervor, meistens ohne dass wir dies wünschen. So legen sie sich wie Ketten um unseren Geist und lassen uns nur schwer wieder daraus entkommen. Die geistige Verunreinigung ruft dukkha (Leid, Schmerz, Verzweiflung) hervor.

Es geht nicht darum, das Leid zu überwinden. Das Ziel ist die Auslöschung der geistigen Verunreinigungen (kilesa), aus denen dukkha überhaupt erst entstehen kann. Ist der Geist frei und dem Gefängnis entkommen, so haben die dukkha-verursachenden Objekte keinen Angriffspunkt mehr. Es geschieht, was geschieht. Aber nirgends ist Leid, Schmerz oder Verzweiflung. Wo kein Anhaften des Geistes an die dukkha-verursachenden Objekte mehr geschieht, sind auch keine Ketten mehr möglich.


Die Lehre des Buddhismus ist keine Lehre von Wiedergeburt oder Götterwesen.
Die Lehre des Buddhismus ist das Auslöschen von kilesa und dukkha durch rechte Achtsamkeit.


Viele Grüße,
KTG
 
Werbung:
@Kvatar

Auch wenn wir die Ketten spüren können, ist das kein Beweis für ihre Existenz. ;)

Sind sie nicht vielmehr mentale Scheingebilde, also Illusionen, und die spürbaren Auswirkungen ebenfalls?
Und legt das Erkennen dieser Illusionen und deren Negation denn nicht die Wirklichkeit blank?
Die reine Erfahrung – unverdünnt und frei.
Es geschieht, was geschieht – weder geteilt, geordnet noch sonst wie auf dualistische Weise „verarbeitet“.

Alles Liebe

Isis


(Ist mit Auslöschen Negation gemeint?)
 
Zurück
Oben