Wieviel Reife erfordert eine Aufstellung?

jake

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Weil's gerade Thema in einem anderen Thread wurde, der aber nicht als Diskussions-Thread konzipiert ist: Wie reif sollten ein Aufstellender bzw. ein Aufsteller sein?

Weil konkret angedeutet wurde, dass die Methode der "Bewegungen der Seele" einen besonders reifen Aufstellenden erfordern würden - warum eigentlich? Wenn ich BHs Berichte - auch die jüngeren zB in "Der große Konflikt" - zu "Bewegungen der Seele" lese, dann macht er das mit Leuten in aller Welt, die er beim jeweiligen Seminar zum ersten Mal sieht, und ohne ein Reifezeugnis zu verlangen. Allerdings setzt er durchaus auch (sehr sparsam) Interventionen, und er gibt auch Deutungen - nachzulesen zB im erwähnten Buch, S. 53 ff.

"Bewegungen der Seele" klingt sehr erhaben und tief ... ich kenne aus eigener Erfahrung Einübungen ins Wahrnehmen des "Feldes" aus Zweier-Situationen, in denen A ein Anliegen, eine Frage für sich (aber nicht laut) formuliert und sich selbst mit B aufstellt. Dann überlassen sich beide dem, was sie aus dem Feld heraus bewegt, schweigend, nur mit dem Körper den Impulsen folgend. Erstaunlich, was sich aus diesem Minimal-Setting in der Regel an Stimmigkeit und Einsicht ergibt. Reife? Ich denke, die Bereitschaft, sich gesammelt und ernsthaft dem Unerwarteten zu öffnen, wäre ausreichend... ist das Reife?

Vielleicht hab ich das ja auch nicht so recht verstanden ... ich sehe die "Bewegungen der Seele" primär als ein weiteres Verfahren des Aufstellens, das auch in weniger "bedeutenden" Kontexten gut funktioniert. Meine Vermutung ist, dass die Seele da eh keine großen Unterschiede macht und sich nicht zu schade ist, auch scheinbaren Kleinkram zu beackern.

Außen vor lasse ich erst mal Überlegungen, inwiefern dieses Verfahren an bestimmte Weltbilder bzw. Spiritualitäten gebunden ist bzw. nur dann als "Bewegungen der Seele" benannt werden kann (und wenn das so ist und beim Klienten eine Zustimmung zu solcher Spiritualität erwartet wird, dann wäre das eine andere Voraussetzung als "Reife"). Wenn ich einen anderen Kontext konstruiere, und es funktioniert immer noch - was dann? Ist das dann analog zum Rahnerschen Trick des "anonymen Christentums"?

Alles Liebe,
Jake
 
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die Bereitschaft, sich gesammelt und ernsthaft dem Unerwarteten zu öffnen, wäre ausreichend... ist das Reife?

Von mir ganz klares JA dazu. Die Bereitschaft des Aufstellenden sich dem zu stellen was sich zeigt stellt für mich die Reife der Seele und oder des Geistes dar . Die Zeit ist REIF für diesen Menschen.
Ein kleines jedoch setze ich hier hinzu und zwar sowohl für den AL als auch für den Aufstellenden gültig. Sollte die Motivation des Handelns Neugier sein so stellt dies nicht die nötige Reife dar. Nach dem Motto ; Ich probiers mal oder Ich wollte einfach mal schaun.

Daher wieder der Bogen zur Qualifikation des AL. Innerhalb einer "seriösen" Ausbildung trennt der Ausbilder schnell die Spreu vom Weizen, und spätestens wenn die eigenen Prozesse ins Laufen kommen zeigt sich wer sich ernsthaft als Werkzeug des Wissenden Feldes zur Verfügung stellen will oder es einfach nur cool finden würde ein wenig herumzutherapieren und dabei Cash zu machen.

Ein Aufstellender der widerum einen AL vor sich hat der weiß was er tut und warum er es tut kommt erst gar nicht zum aufstellen wenn seine Motivation reine Neugier ist.
 
Ist jetzt eine Frage der Worte - ich weiß nicht ob "Reife" gerade der sinvollste Begriff ist. Wichtig ist auf alle Fälle Ehrlichkeit - die Bereitschaft sich kennenzulernen, auch Seiten an sich zur Kenntnis zu nehmen, die nicht in das eigene Möchte-gern-Bild passen.

LG, Reinhard
 
Hallo miteinander,

mir ist aufgefallen, dass Menschen, die öfters in Aufstellungen aufgestellt waren, sich schneller in die Positionen einfühlen können und agieren dann auch entsprechend schneller nach ihrem Gefühl. Jemand, der zum ersten Mal aufgestellt ist, spürt auch, nur er erwartet noch Anweisungen des AL. Von daher lässt sich schon eine Reife der Aufsteller feststellen.

Ich probiers mal oder Ich wollte einfach mal schaun.
Kommen wirklich Menschen in ein Aufstellungsseminar und bezahlen den horrenten Preis dafür, weil sie nur mal gucken wollen? Kann es eher sein, dass diese Klienten sich nicht trauen ihr Thema zu benennen oder es gibt andere Gründe, evtl. vor so vielen Menschen ihr schambehaftetes Thema zu nennen? (Ich kann´s mir nicht vorstellen, drum frage ich.)

Dann ist mir noch etwas eingefallen: Im Prinzip gilt es ein Thema für sich selbst zu lösen. Nur zu oft wollen Menschen, dass ein anderer sich verändert. Von daher ist es ein Zeichen von Reife, wenn jemand den Blick schon auf sich selbst gerichtet hat. (selbst wenn ich selber auch immer wieder in die Falle tappe, der andere solls richten)

Die Reife eines AL lässt sich auch an "schnippischen Fragen" an Teilnehmer erkennen. Wenn er z.B. nachfragt, ob es denn jetzt läuft, dass sich dieser dann noch vor versammelten Seminarteilnehmern rechtfertigen muss, warum und weshalb und wie es jetzt läuft. Kurz: Ein AL hat Reife, indem er nicht nur von Achtung redet, sondern sich auch gegenüber den Aufstellenden lebt.

Liebe Grüße pluto
 
Kommen wirklich Menschen in ein Aufstellungsseminar ... weil sie nur mal gucken wollen ?
Es gibt neben "nur mal gucken" verschiedene Varianten der Inanspruchnahme therapeutischer Angebote ohne ernsthafte Änderungsbereitschaft - zB. "magische Hoffnungen" : dass nicht ich bei mir etwas ändern muss, sondern dass "es" geändert wird, Therapien als Alibihandlung ("ich mach ja was - und Du machst nix"), "wasch mich aber mach mich nicht nass" etc.

LG, Reinhard
 
Die Reife eines AL lässt sich auch an "schnippischen Fragen" an Teilnehmer erkennen. Wenn er z.B. nachfragt, ob es denn jetzt läuft, dass sich dieser dann noch vor versammelten Seminarteilnehmern rechtfertigen muss, warum und weshalb und wie es jetzt läuft. Kurz: Ein AL hat Reife, indem er nicht nur von Achtung redet, sondern sich auch gegenüber den Aufstellenden lebt.
Ich versteh nicht wirklich, was du damit meinst, dass der AL nachfragt *ob es denn jetzt läuft* - kannst du das nochmal irgendwie anders erklären? Ich würds gern nachvollziehen können.
 
Also wenn man jetzt einfach mal das Wort "Reife" nimmt, dann bedeutet das doch einfach, daß jemand reif für etwas ist. Daß etwas gereift ist und geerntet werden kann.
Und ich könnte mir denken, daß das so individuell verschieden ist, daß man fast keine Kriterien dafür festlegen kann. Ich stelle mir das so vor wie bei Lehrern in der Schule, sie haben dieselbe Ausbildung, machen Prüfungen - und sehr viele versagen, was die Menschlichkeit oder das pädagogische Vermögen betrifft. Und einige, wenige, sind reif für die Kinder. Und die Kinder sind reif für diesen Lehrer.



liebe Grüsse von Alana
 
Liebe Alana,

Jetzt im Anschluss an den Austausch mit Dir im anderen Thread ist mir klar geworden, was wirklich die Voraussetzung für eine Aufstellung ist :

Die (zumindest grundsätzliche) Bereitschaft zu lieben.

Liebe Grüße, Reinhard
 
...ist mir klar geworden, was wirklich die Voraussetzung für eine Aufstellung ist :
Die (zumindest grundsätzliche) Bereitschaft zu lieben.
Lieber Reinhard!

Auch auf die Gefahr hin, dass Du's wieder als Wortklauberei liest - zwei Dinge:

Unterscheidest Du zwischen "die Voraussetzung für eine Aufstellung ist..." und "ich möchte mit jemand nur unter dieser oder jener Voraussetzung aufstellen..."? Letzteres wäre mir klar und legitim, vor allem dann, wenn es transparent kommuniziert wird - ich halte es für das gute Recht eines Aufstellers, aus seinem Selbst-Bewusstsein heraus das Arbeitsfeld so abzugrenzen, dass es seinem Potenzial entspricht. Wenn dann ein Klient nicht hineinpasst, wäre das nicht Ablehnung des Klienten, sondern eher eine Klärung dessen, was man sich selber zutraut oder zumuten möchte.

Die Bereitschaft zu lieben ... ich gehe davon aus, dass die "grundsätzlich" gegeben ist, und hinter sehr vielen Aufstellungsthemen steht nach meinem Hinschauen eher die Behinderung im Fluss der Liebe. Wenn ich nicht annehme, dass in einem System "grundsätzlich" Liebe wirkt (vielleicht auch in einer verstrickten oder destruktiven Spielart) - wie könnte ich dann an Lösungswegen in Richtung Liebe zu arbeiten beginnen?

Und welches Urteil steht dahinter, wenn ich mir bei einem Klienten, mit dem ich nicht arbeiten möchte, die Begründung gebe, er wäre nicht bereit zu lieben!?

Ich empfinde da das Pragmatischere als wohltuend: Hin und wieder zeigt sich schon vor einer Aufstellung recht deutlich, dass jemand nur eine Alibivorstellung geben möchte ... scheinbar etwas tun, um danach irgendwem die Schuld geben zu können, dass "eh alles nix hilft" und man mit Genuss den Gewinn des Weiterleidens einkassieren kann. Wenn sich ein Aufstellungsleiter in einer solchen Falle fangen lässt, wird er zum "Helfer", der das Leiden stabilisiert, statt einen Lösungsweg zu eröffnen. Ob das dann zu einem kleinen Umweg vor der Aufstellung führt, der eine gemeinsame, tragfähige Einstellung ermöglicht, oder ob es die Ablehnung einer Aufstellung (nicht des Klienten!) bedingt, mag im Einzelfall entschieden werden.

Warum eigentlich das Bemühen, so allgemein und grundsätzlich die Voraussetzungen einer Aufstellung zu benennen? Es handelt sich um phänomenologische Arbeit (und im Falle eines konstruktivistischen Zuganges, sofern er frei ist von ideologischen Scheuklappen, erst recht), die vom Hinschauen auf das je Spezifische lebt.

Alles Liebe,
Jake
 
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Also ich empfinde den Gedankengang eine Reife mitbringen zu müssen als merkwürdig, für das was ich so an Äußerungen bei anderen Aufstellenden erlebe passt das so nicht. Es treibt die Neugier, Hoffnung, Wissensdurst, Skepsis, die Bitte um Hilfe. Da sehr viele unterschiedliche Menschen aufstellen, einige die nicht mal wissen wie es funktioniert - gäbe es viele Möglichkeiten "Reife" zu definieren. Das, was sich zeigt, ist ja sowieso um uns herum. Es stimmt schon, wenn Aufstellende sehr viel Fragen stellen, kann das andere stören, aber dafür sind dann meist die Tee- und Kaffeepausen da.
Nun, ich kann mir einfach keinen Menschen vorstellen der nicht bereit wäre "zu lieben", das ist für mich menschlich und treibt uns ja an, jeden halt auf seine Weise. Am schönsten finde ich immer Skeptiker zu denen der Aufsteller ganz ruhig sagt, "ok, schauen wir mal..." (Denn immerhin er hat sich ja ins Auto gesetzt und ist zu dem Termin gefahren)
 
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