Walter R. schrieb:
Ja - mich spricht der Konstruktivismus nicht an, für mich fühlt er sich kalt und leer an. Er ist nicht mein Bild - genauso wie ich mit dem Konstruktivismus in der Malerei (zB. Kandinsky) - oder Free Jazz nichts anfangen kann.
Ich mag mehr das Bild des Handelns-durch-Nicht-Handeln, das durch-mich-geschehen-lassen anstatt nach eigenen Vorstellungen agieren. (Darin ist auch eine Abkehr vom Kausalitätsdenken inkludiert - aber in anderen Bildern.) Und das ist ebenso mit Demut verbunden.
schön, der vergleich mit den bildern... da mag ich den kandinsky oder den kubistischen picasso oder feininger oder marc oder klee...
da gibt es auch noch den aphorismus vom bert hellinger, der mal schrieb "Danke, dass du mich erfunden hast! sagte der in Bergnot geratene Konstruktivist zu seinem Retter."
Ich fasse das eher als liebenswürdige Polemik auf, weil ich Hellinger für zu intelligent halte, als dass er dem grundlegenden Missverständnis erlegen wäre, das die meisten mit dem Konstruktivismus verbinden. Der Konstruktivismus erfindet ja keine Wirklichkeiten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Radikaler_Konstruktivismus schrieb:
Im Radikalen Konstruktivismus wird nicht etwa geleugnet, dass es eine Welt dort draußen gebe. Vielmehr wird betont, dass uns diese Welt nur
via Beobachtung zugänglich ist, d.h. immer schon eine
interpretierte Welt ist, über die wir uns nur
kommunikativ verständigen/einigen können; es gibt also keine objektive Wirklichkeit, die dem menschlichen Erkenntnisvermögen zugänglich wäre.
für mich ist das eine wesentliche quelle von toleranz ... sobald ich meine glaubenssätze als konstrukt begreife, brauche ich sie niemand mehr um die ohren zu hauen, um mich meiner selbst zu versichern, und ich finde durchaus wärme und fülle in den vielfältigen möglichkeiten, über die welt zu kommunizieren.
ebenso oft missverstanden wird der K. als trampelpfad der beliebigkeit (etwa im postmodernen "anything goes"). das sehe ich keineswegs so ... wie jede konstruktion hält auch die auf wahrnehmung bezogene nur dann, wenn die konstruktionsregeln beachtet werden. sind die nun objektiv? die sind so objektiv wie die sprache - denken ist schließlich begrifflich. ich kann freilich hergehen und den tisch baum nennen oder meinen bauchnabel als gott apostrophieren, es bringt aber in der kommunikation eher nix. es bewährt sich, das sozial gewachsene konstrukt der grammatik und semantik einer sprache zu beachten, um kommunizieren zu können. das entzieht einer solipsistischen beliebigkeit recht rasch den boden.
das wu-wei, das handeln-durch-nicht-handeln schätze ich ebenfalls sehr, ich mag ja auch den konstruktivistischen ansatz vom lao-tse: "könnte ich nennen das tao, es wäre nicht das tao."
und, reinhard, wenn du sagst "mein bild ist..." ... dann sind wir vielleicht nicht so weit voneinander entfernt. wobei ich gern einräume, dass ein bild weitaus weitere räume umfasst als ein arrangement von sätzen (außer, es wäre ein gedicht). ich schließe auch keineswegs andere zugänge zur wirklichkeit aus, jenseits von sprache - etwa in der meditation oder auch eben in aufstellungen. das reden über dinge im bewusstsein der möglichkeiten, über dinge zu reden, errichtet keine barrieren gegenüber einem schweigenden sein in den dingen. ich habe eine große ehrfurcht vor dem reich des sprachlosen und keineswegs das bedürfnis, alles zum konstrukt machen zu müssen (auch wenn ich hier immer wieder quatsche und quatsche und quatsche... also schluss damit).
alles liebe,
jake