In diesem Jahrhundert scheint die tiefste Ebene der Natur die Raum-Zeit und die unendliche Energie des Quantenfeldes zu sein. Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, daß dort der Urgrund der Realität liegt und daß es nicht noch unzählige noch subtilere Ebenen zu entdecken gibt. Es ist tatsächlich möglich, daß die Naturwissenschaft entdecken wird, daß die Ebene des Geistes und die der Materie aus einem gemeinsamen Urgrund entstehen. F. David Peat, Synchronizität, die verborgene Ordnung
Es ist nur natürlich, daß die Menschen schon immer versucht haben, die Grundstruktur der Welt, in der sie leben, zu untersuchen. Dies mag daran liegen, daß sie sich von einer besseren Kenntnis der Materie persönliche Vorteile versprechen (Zugang zu neuen Energien, bessere Möglichkeiten der Einflußnahme auf Mensch und Umwelt), aber auch daran, daß der Mensch den aufrichtigen Drang verspürt, den Urgrund allen Seins zu erkennen, in dem sich Leben und Materie vereinigen. Wer wäre nicht begierig zu erfahren, was oder wer dieser Urgrund ist...? Heute leider die meisten, da sie abgelenkt, überfüttert oder gepeinigt sind von kurzsichtigen Alltagsangelegenheiten. Aber dieser bedenkliche Umstand ändert nichts an der Tatsache, daß die Frage nach dem Urgrund die wichtigste ist, die es überhaupt gibt. Nur wenn die Menschheit sich wieder mit diesem Urgrund verbindet, hat sie Chancen, trotz der gegenwärtigen Einseitigkeit nicht vollends zu Fall zu kommen.
Das Erscheinungsbild der heutigen Welt ist von der materialistischen Wissenschaft geprägt und aufgebaut worden. Diese versuchte, den Urgrund allen Seins in der Materie zu finden. (Wo denn sonst?) Durch das konstante Fragmentieren der Materie ist man heute jedoch bei der Erkenntnis angelangt, daß die endgültig kleinste Grundstruktur der Materie nicht greifbar ist. Die mikrokosmischen Quarks existieren nur für Bruchstücke von Billionstelsekunden, aber bauen durch ihre Umwandlung einen unergründlichen Makrokosmos auf. Das ferne Aufleuchten der Quarks und Quasare in den Tiefen des Atoms und des Weltalls weist darauf hin, daß beides das Kleinste und das Größte nicht unabhängig existiert, sondern einem gemeinsamen Urgrund entspringt. Alle Formen und Vorgänge in der Materie, selbst wenn sie Galaxien voneinander entfernt sind, sind nicht wirklich getrennt, sondern verbunden über den gemeinsamen Urgrund.
David Bohm sprach von einem Quantenpotential, von einem universalen impliziten Informationsfeld, das potentiell (reell, aber noch nicht entfaltet) alle Quanten und die daraus aufgebauten materiellen Formen enthält. Der Physiker David Peat, bekanntgeworden als Co-Autor des betagten David Bohm, spricht von der Synchronizität einer verborgenen Ordnung und von einem lebenden Universum. Diese Gedanken sind mittlerweile von vielen Physikern übernommen worden, obwohl das Problem dieser Gedanken darin besteht, daß man aus ihnen unmittelbar keine neuen Formeln und Konstruktionen ableiten kann.
Auffällig ist, daß die seltenen Denker, die bis in diesen Grenzbereich der materiellen Welt vordringen, immer wieder von einem transzendenten Energiemeer sprechen, von einem Meer unbegrenzter Eigenschaften, von dem Raum, Zeit, Materie und das gesamte Universum, ja möglicherweise zahllose Universen ausgehen. Damit wählen sie unbewußt dieselbe Formulierung wie die vedische Wissenschaft, die ebenfalls von Udakas (Meeren) spricht, wenn sie den Urgrund der Materie beschreibt.
Dieses Meer befindet sich jenseits der Reichweite der Physik und unterliegt nicht einmal den physikalischen Gesetzen, denn diese Udaka-Dimension, die allem zu Grunde liegt, ist alldurchdringend, unendlich und unerschöpflich:
Ich ahne, daß das, was sich hinter der Planckschen Mauer verbirgt, tatsächlich eine ursprüngliche Form der Energie von grenzenloser Kraft ist. Ich glaube, daß vor der Schöpfung eine unendliche Dauer herrscht. Eine totale, unerschöpfliche Zeit [... und eine] totale, unerschöpfliche Energie. Das Meer unbegrenzter Eigenschaften ist der Schöpfer. Daß wir nicht verstehen können, was sich hinter der Mauer befindet, rührt daher, daß allen Gesetzen der Physik angesichts des absoluten Geheimnisses Gottes und der Schöpfung der Boden entzogen wird. Jean Guitton
Das Meer der unendlichen Eigenschaften kann nicht mehr als materiell bezeichnet werden, denn es befindet sich jenseits der materiellen Grenzen von Raum und Zeit. Materiell gesehen ist dieses Meer leer, ist ein Nichts, aber dieses scheinbare Nichts enthält alles. Aus der Sicht des Materiellen ist der Urgrund ein Nichts, genauso wie aus der Sicht der Finsternis das Licht ein Nichts ist: es gibt im Licht nichts, was mit Finsternis zu tun hat. Das heißt aber nicht, daß das Licht nicht existiert oder daß es im Licht nichts gibt. Die Physiker sprechen in diesem Zusammenhang von einem absoluten Vakuum, weil es in dieser Dimension nichts Materielles mehr gibt, aber dieses Nichtsein ist zugleich ein Plenum, eine absolute Vollständigkeit:
Paradoxerweise ist das Nichtsein des Grundzustandes, welches das Universum trägt, sowohl ein Vakuum als auch ein Plenum. Es ist ein Vakuum, weil sich die Materie ungehindert hindurchbewegen kann wie in der Alltagsvorstellung eines leeren Raumes. Aber es ist auch ein Plenum, weil es mit Energie angefüllt ist. Das sichtbare materielle Universum stellt im Grunde nichts anderes dar als kleine Fluktuationen auf diesem riesigen Energiemeer. Und es sollte nicht vergessen werden, daß diese unbegrenzte Energie, aus der die Materie erzeugt wird, auch dem Geist in den Tiefen seines Quellgrundes zur Verfügung steht. F. David Peat
Es muß etwas geben, was Materie, Energie und Bewußtsein verbindet. Die Durchforschung der Materie führt also nicht zu einer Reduktion der Realität auf das Materielle, sondern zeigt, daß sich das Materielle in unbegrenzte immaterielle Bereiche erweitert.
Die Grundstruktur der Materie offenbart: Je kleiner die Masse, desto größer wird die Energie. Nichts setzt soviel Energie frei wie Kernspaltung. Nichts braucht soviel Energie wie Kernfusion. Nichts ist so zerstörerisch wie die Kernspaltung; sie kommt deshalb in der Natur nicht vor. Und nichts ist so natürlich wie Kernfusion (Kernvereinigung, Kernumwandlung); sie kommt in der lebenden Natur überall vor, ist dem Menschen aber auf geheimnisvolle Weise bis heute verschlossen geblieben.
In den Grenzbereichen überlappen sich die Extreme. Eines der größten Rätsel der Wissenschaft ist die sogenannte Nullpunkt-Energie. Dort wo die Masse Null wird, wird die größte Energie frei! Ist das materielle Nichts, das immaterielle Meer, also die wirklich wirkende Wirklichkeit, die höchste implizite Ordnung, aus der alles Materielle in einem konstanten Wandel hervorgeht?
David Bohm: Die moderne Physik sagt, daß leerer Raum eine Nullpunkt-Energie enthält, die größer ist als alles, was uns bisher bekannt ist (z.B. enthält ein Kubikzentimeter leerer Raum mehr Energie, als durch die Vernichtung aller Materie im gesamten Universum freigesetzt würde). Materie, wie wir sie kennen, ist ein kleiner, relativ stabiler und sich selbständig bewegender Strudel in diesem unermeßlichen Meer von Energie. Wir, die wir physisch aus solchen Strudeln bestehen, sind nicht in der Lage, dieses Meer zu sehen (ebensowenig wie ein Fisch im irdischen Meer sich dieses Meeres bewußt ist). [...] Wie ich bereits betont habe, kann dieses Meer nicht im Sinne der gewohnten Raumzeit-Begriffe verstanden werden. Wir sollten es eher als eine Art relative Ewigkeit betrachten, Ewigkeit, die in einem Sinn lebendig und in Bewegung ist, aber nicht innerhalb der Ordnung von Zeit und Raum, wie wir sie für gewöhnlich wahrnehmen. Dieses Meer von Energie, das implizite Prinzipien der Ordnung enthält, entfaltet einen Vorgang, aus dem unser Universum von Raum, Zeit und Materie hervorgeht (und vielleicht auch noch andere Universen).
Kann man das Meer der Ursachen (Karana-udaka), das dem Schöpfer, Maha-Vishnu, entspringt, noch besser umschreiben? Aber wenn man Maha-Vishnu nicht kennt, merkt man nicht, daß man Ihn gerade eben beschrieb.
Bei der Frage nach dem Anfang des Universums spricht die vedische Wissenschaft von einem Ur-sprung und die moderne Wissenschaft von einem Ur-knall. Letztere sieht nur die Materie, die irgendwie auf einmal entstand und ein Universum zu formen begann. Erstere sieht nicht nur das Materielle, sondern den gesamten transzendenten Zusammenhang: Die Materie ist nicht das einzige, was es gibt! Die Materie ist nur eine von den zahllosen, zeitlosen, grenzenlosen Energien Gottes. Aber sie ist prakriti, geschaffen und abhängig. Ohne höheren Impuls bringt sie (die Materie) nie etwas hervor, und das gilt sowohl innerhalb der bestehenden Schöpfung als auch beim Zeit-punkt der Erschaffung, die deshalb ein Ur-sprung ist, ein erster Quantensprung der ewigen Energie: Aus dem Pradhana geht die Funktion des Mahat-tattva hervor, verursacht durch Maha-Vishnus befruchtenden Blick. Und das Mahat-tattva (die große Gesamtheit) wird auch Meer der Ursachen (Karana-udaka) genannt!
Die vedische Offenbarung spricht jedoch nicht nur von einem Urgrund (Udaka), sondern von dreien. Jedes dieser Udakas, deren Wirkung wir als kosmisches Informationsfeld und implizite Ordnung wahrnehmen, geht jeweils von einem der drei Vishnus aus und ist direkt mit Ihm verbunden. Diese drei Vishnus sind bereits im zweiten Kapitel erwähnt worden, und wir werden in den folgenden Ausführungen mehr über die Realität und Wirkungsweise von Karanodakasayi-Vishnu (Maha-Vishnu), Garbhodakashayi-Vishnu und Kshirodakashayi-Vishnu erfahren.
Aber bevor wir als Kinder der modernen, materialistischen Anonymität und Unpersönlichkeit uns an dieses Thema heranwagen dürfen, müssen wir eine zellentief sitzende Krankheit überwinden: Wir halten das Abstrakte für Realität und die Realität für abstrakt. Wenn die modernen Menschen von Vishnu hören, denken sie, dies sei bestenfalls ein Symbol für eine höhere, abstrakte Realität. Dies ist ein verhängnisvoller Trugschluß. Aus der praktischen Erfahrung sollten wir längst erkannt haben, daß das Abstrakte und Symbolische immer nur ein Ersatz der eigentlichen Realität ist. Hinter jeder Formel ist ein Gesetz, hinter jeder Form ein Inhalt, hinter jeder Wirkung eine Ursache, hinter jeder Energie eine Quelle, hinter jeder Ordnung ein Plan, hinter jeder Intelligenz eine Person. Wenn es jedoch um die allumfassende Formel, Form, Wirkung, Energie, Ordnung und Intelligenz geht, denken die meisten auf einmal, diese schwebe irgendwie isoliert und abstrakt in einem Vakuum und habe keine eigene Realität.
Wer nur an das Unpersönliche glaubt, an Energien, Symbole und Prinzipien, fällt einer Einseitigkeit zum Opfer. Das Absolute ist sehr wohl Symbol, Energie und Prinzip, aber auch Intelligenz, Individualität und Person. In der Schöpfung finden wir Intelligenz, Individualität und Persönlichkeit, also müssen diese Charakteristika auch im Urgrund, von dem ja alles ausgeht, enthalten sein, und zwar in allumfassendem Maß.
Diese Einsicht, die alle materialistische Einseitigkeit überwindet, wurde und wird leider von vielen Wissenschaftlern, Esoterikern und Theologen im Westen und von vielen Yogis, Gurus und Anandas im Osten übersehen oder sogar bestritten.