Lieber FCKW,
Mir ist ehrlich gesagt auch noch nicht völlig klar, worum's mir geht. Strafjustiz und die Behandlung eines Menschen wie Hagen ist natürlich ein interessantes Thema für sich, interessiert mich hier aber nicht in erster Linie.
ok, dann schnappe ich mir jetzt erst einmal eine deiner folgenden Fragen heraus und posaune mal so meinen ersten Eindruck hier in das Forum hinein.
Und am wichtigsten: Ist Rolf Hagen nicht in gewisser Weise ein "Prototyp" - das radikale und konsequent zuende gedachte Monster eines Menschen, zu welchem eine eindeutige Tendenz in dieser unserer Gesellschaft besteht?
Also ich habe hier gleich mehrere Einwände.
1. besteht hierzu nicht erst in unserer "modernen Gesellschaft" die Tendenz, Vielmehr wurde im gesamten Abendland im "zwischenmenschlichen Bereich" - ich klammere hier Kriege aus - sicherlich in keinem Jahrhundert zuvor so human miteinander umgegangen, wie in der Gegenwart - auch wenn uns diese Tatsache immer wieder erschrecken mag. Noch vor 30 Jahren schlugen Lehrer die Schüler in der Schule, war körperliche Gewalt absolut "normal" in Familien. Im Abendland wurde eigentlich erst im Verlauf des 16-18 Jh. so etwas wie Kindheit "entdeckt", zuvor wurden Kinder wie ERwachsene und Gegenstände behandelt. Sexueller Missbrauch, Gewalt, Todschlag, all das gabe es - wenn man von Kriegen absieht - im alltäglichen Umgang miteinander viel mehr in den vorherigen Jahrhunderten.
2. HAgen ist für mich persönlich überhaupt nicht "das radikale und konsequent zuende gedachte Monster eines Menschen". Derartige Fälle scheint es mir sehr oft zu geben. Und ich persönlich finde beispielsweise den Fall Jürgen Bartsch , der seine Opfer - 8-, 11-,12-,13-jährige Kinder - alle zerhackte und zerstückelte, "gruseliger".
Jürgen Bartsch empfand jedoch nach der Tat auch Mitgefühl. Das finde ich insgesamt sogar noch erschreckender, dass ein Mensch der auch wirklich mitfühlen kann - und zwar extrem - auch zu solchen Taten fähig ist.
3. Aus meiner Sicht ist er dennoch kein Zufallsprodukt, das gemäss statistischen Gesetzen immer mal wieder vorkommen muss. Ich glaube nicht, dass hier rein biologische Faktoren ausreichen. Natürlich ist die Gesellschaft daran beteiligt und ist die Tat letztlich ein Resultat unserer gesellschaftlichen Organisation. In einer anderen GEsellschaft hätte er vielleicht noch 20 Menschen mehr ermordet oder man hätte ihn sofort "erkannt" und zuvor therapiert und es wäre in der Kindheit nicht zu derartigen Verletzungen gekommen.
4. Soweit ich es bis jetzt sehe, habe ich das Gefühl, dass er wesentliche Teile seiner Persönlichkeit abspalten musste. Dies hatte zur Folge, dass er kein Mitgefühl mehr empfinden konnte und extreme Anreize brauchte, Genuß zu empfinden.
Dies erst einmal als ersten Input.
Liebe Grüße,
Energeia