Rolf Hagen

Naja, ich gehe nicht grundsätzlich davon aus, dass prinzipiell jeder Mensch moralisch empfindet. Also würd ich nicht sagen, jeder Mensch hat grundsätzlich diese Kraft in sich. Oder vielleicht hat er sie auch rein theoretisch, aber sie funktioniert nicht. Oder ist verdeckt. Wie auch immer, weiss grad auch nicht, was ich da sagen soll.

Aber, um den Punkt noch einmal herauszustreichen, mich interessiert wie gesagt weniger die Moral oder Ethik oder was auch immer. Sondern viel mehr die Frage der Empathie, also des Mit-Fühlens. Dazu gehört meines Erachtens auch das Mitfühlen mit sich selbst, dass man also wirklich wahrnimmt, was man fühlt! Und, das Faszinierende für mich ist, offenbar hat Hagen über weite Strecken in seinem Leben, also ca. 35 Jahre oder länger, überhaupt nichts gefühlt! Stell dir das mal vor, du lebst 35 Jahre ohne besondere Emotionen, also ohne besonderen Schmerz, Freude, Trauer, Neid, Stolz, Verliebtheit usw. Nichts, einfach nichts! Emotionale Flatline. Hast du das Interview gelesen? Weisst du, was Hagen dazu sagt, als sein Hund eingeschläfert werden musste? Dass es für ihn schon kurz ein komisches Gefühl gewesen sei. Und das war's dann. Business as usual. Hagen hatte einen Freund gebeten, den Hund zum Tierarzt zum Einschläfern zu bringen, weil er selbst keine Zeit dazu hatte, weil er arbeiten musste.

Übrigens, "Kontrollinstanz" schmeckt mir so gar nicht als Begriff. Ich behaupte: Wer sein wahres Wesen gefunden hat, benötigt keine Kontrolle mehr. Oder genauer: Er steht jenseits von Kontrolle. Aber das ist nur (m)eine Behauptung.

Ein Mensch ohne Emphatie, ohne Mitgefühl, ohne Mitempfinden ohne seelischen Schmerz, ohne Trauer usw, ist im eigentlichen Sinne kein Mensch.
Unser eigentliches Wesen, unser ureigentliches Menschsein ist der Gottesfunken im Wesensgrund, so sagte es Meister Eckart. Und dieser Gottesfunken ist unser schöpferisches Vermögen und auch die Ursache allen Mitgefühls und aller Selbstreflektion.
Sollte es Lebewesen in Menschengestalt geben, die nicht dieser Funke sind?

Wenn ein junger Löwe einen alten vertreibt, tötet er sämtliche Kinder des alten, denn erst wenn die Weibchen keine jungen mehr führen werden sie wieder paarungsbereit.
Durch das Töten erhält der junge Löwe einen Lustgewinn.

Wer sein wahres Wesen erreicht braucht keine Kontrollinstanz mehr.
Der Reisende verneigt sich vor dieser großen Wahrheit.
Doch die meisten von uns sind auf den Weg dorthin, und bis zur Ankunft ist die Kontrollinstanz unverzichtbar.
 
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Wie oft musste ich hören: Denk nicht soviel, lebe lieber oder so Sprüche in der Art? Unzählige male, am Anfag habe ich mich darüber geärgert, dann habe ich mir gesagt: "Die Leut wissen es nicht besser." Es ist zu einfach, zu einem Menschen zu sagen "liebe dich wie du bist, steh zu deinem Gefühl, sei du selbst" .... das sind Phrasen, sonst nichts. Gefährlich dazu, wenn man nicht weiß, was im Kopf von so einem Menschen ist.

Am Anfang war das Wort, der Gedanke. Das war auf der Ebene vom Logos und das Wort wurde Fleisch. So is es mit guten wie mit schlechten Werken. Auch im geschlossenen Organismus "Mensch" und auch wenn sich der von Leidenschaft und Trieb gepeinigte, gehetzte Mensch nicht mehr wirklich an diesen allerersten, vielleicht nur kurzen Gedankenimpuls erinnert.

Ich sehe 3 Ebenen und 2 Portale bei der Manifestation des Grauens.

Ebene 1: der Gedanke an die böse Tat induziert
Ebene 2: das entsprechende Gefühl (Lust, Macht oder auch Grauen, Angst und Ablehnung) das bei der Visualisierung der schrecklichen Szenen
Ebene 3: nach Verwirklichung im dreidimensionalen Raum durch die schreckliche Tat drängt (oder sich um Unterlassung bemüht)
Portal A: Zwischen 1 und 2, oberhalb der Emotionssebene sehe ich das Portal des Gewissens (Mitwisserschaft; Wenn ich hier gut verbunden bin, weiß ich bereits vor der Tat um die seelische Leere nach der Tat) Kein Gedanke ist im geschlossenen Organismus, der an diesem Portal vobeikommt. Es ist der Gedanken-Interpreter schlechthin.
Portal B: Zwischen 2 und 3, unterhalb der Emotionalebene sehe ich das Portal des Anti-Gewissens, (Nichtwissen; das aus der körperlichen Erfahrung lernen will und von seiner Natur her bestrebt ist, das vorgelieferte Wissen aus dem Gewissen zu zerstreuen.

Das alles findet sich ein in einem geschlossenen Organismus.
Auf Grund meiner persönlichen Erfahrung darf ich vermuten, dass nicht jeder Mensch in der selben Position auf die welt kommt. Einer befindet sich von Geburt an näher am Portal A, ein anderer vielleicht näher am Portal B. Daher ist wohl auch Selbstreflexion individuell verschieden stark ausgeprägt. Ich für mich kann sagen, das ich mich von Geburt an sehr nah am Portal A befunden habe und trotzdem sehr tief ins Anti-Gewissen abgesunken bin, fast ins völlige Vergessen, wenn ich an meine Jugendjahre zwischen 15 und 25 denke. Das Problem dabei scheint mir zu sein: wenn ein unreflektierter Gedanke zu tief in die Emotion sinkt, ist es kein reiner Gedanke mehr, sondern ist er bereits auf dem Weg "Fleisch zu werden". Irgendwann erreicht einen das Gewissen hier nicht mehr und klares Denken ist kaum mehr möglich.

Handelt es sich um einen bösen Gedanken, der nach Verwirklichung sucht, kann ich die entsprechende Tat nur Vermeiden, wenn ich es zurück, auf die Ebene vom Logos (zum Anfang) schaffe, um diesen Gedanken hier abzuklären oder eben bei Zeiten Hilfe aufsuche, weil das allein sehr schwer ist, was aber bei Tabuthemen wie Gedanken an Morden, Stechen und Würgen wohl eher selten der Fall sein wird. So erschafft der Täter eben Leid, in seinem Opfer und in sich selbst.

Ich vermute, der Grund liegt darin, dass aus dem Anti-Gewissen (Nichtwissen) Wissen werden soll. Aus 2 mach 1. Das geht mit Hilfe des Gewissens (wenn man dem eine reale Bedeutung beimisst und eine Instanz darin sieht und nicht nur ein Wort) recht gut. Bricht die Verbindung zum Gewissen ab oder ist von haus aus schlecht justiert, kommt man um die leidvolle Erfahrung kaum herum.

so mein Erleben von Gut und Böse im geschlossenen Organismus Mensch.
 
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