Pseudowissenschaft

Sabbah

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Wien
Um mich vom Flüchtlingsthema abzulenken, folgendes Thema:
Es gibt einen kurzen Text von Paul Thagard mit dem Titel: "Why astrology is a pseudoscience" aus 1978.

http://www.helsinki.fi/teoreettinen...hagard_-_Why_Astrology_Is_A_Pseudoscience.pdf

Der Text ist sehr angenehm zu lesen, beginnt mit einer kurzen Einführung in die Astrologie und Geschichte und geht anschließend der Frage nach weshalb man die Astrologie den Pseudowissenschaften zuordnet bzw. an welcher Stelle ein Abgrenzungskriterium gefunden werden könnte um wissenschaft von nicht-wissenschaft zu trennen.
Dazu nimmt thagard das 1975 entstandene Pamphlet (objection to astrology, gibt auch noch andere) auf und skizziert die Argumente von Bok, Jerome und Kurtz, die ungefähr lauten:
Bok: was die Astrologie behauptet hat keine physikalische Grundlage und ist generell bloß ein veraltetes Instrument sich die Welt zu ordnen
Jerome: Interpretationen und vorhersage der Astrologie gründen auf einem magischen Weltbild.
danach zeigt er weshalb diese Kriterien nicht genügen um ein Kriterium für Pseudowissenschaft an die Hand zu bekommen. Er beschreibt außerdem weshalb Verifikation und Falsifikation nicht genügen, gibt dann aber selbst ein Kriterium an, das er in einem zusammenspiel aus sozialem, historischem und "logischen" Kontext definiert:
Von einer Pseudowissenschaft lässt sich dann sprechen, wenn die jeweilige Theorie:

1.) has been less progressive than alternative theories over a long period of time, and faces many unsolved problems; but
2.) the community of practitioners makes little attempt to develop the theory towards solutions of the problems, shows no concern for attempts to evaluate the theory in relation to others, and is selective in considering confirmations and disconfirmations.

wenn eine Theorie also irgendwo stecken bleibt und nach wie vor mit vielen Problemen konfrontiert ist und wenn ihre wissenschaftler (kurz) reaktionär sind.

Im Anschluss geht Thagard dieses Kriterium mit Blick auf die Astrologie noch einmal durch und auf einen Punkt gebracht lautet sein Demarkationskriterium: Fortschrittlichkeit, die er in der Astrologie nicht gegeben sieht und die er von anderen wissenschaftsphilosophischen und historischen Konzepten abgrenzt.

ich finde dieses Kriterium nicht schlecht weil Wissenschaft als Praxis einer community zu einem bestimmten Zeitpunkt verstanden wird. Für mich ist "Fortschritt" aber ein eher anzüglicher Begriff, der Höherentwicklung suggeriert. Andererseits schreitet auch der Wanderer voran, der den Weg nicht kennt. Es geht ihm wohl mehr um Dogmatisierung und Verknöcherung einer Lehre, die man dann pseudowissenschaftlich nennen könnte auf der einen Seite und das Offensein für stetige Veränderung auf der anderen Seite, die dann gute wissenschaftliche Praxis kennzeichnet.
Dieser letzte Punkt ist wohl problematisch und aus meiner Sicht versagt das Kriterium, solange wissenschaftliche Praxis elitär und undemokratisch organisiert ist. "Pseudowissenschaft" ist dann als politischer Kampfbegriff zu verstehen.

Das ist dann auch der Grund weshalb ich den thread hier aufmache.
 
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Ich habe den Text noch nicht gelesen (aber schon ausgedruckt, und werde das heute Abend auf einer Zugfahrt nachholen). Aber ein paar gedanken zu Deiner Beschreibung:

(...) danach zeigt er weshalb diese Kriterien nicht genügen um ein Kriterium für Pseudowissenschaft an die Hand zu bekommen. Er beschreibt außerdem weshalb Verifikation und Falsifikation nicht genügen, gibt dann aber selbst ein Kriterium an, das er in einem zusammenspiel aus sozialem, historischem und "logischen" Kontext definiert:
Von einer Pseudowissenschaft lässt sich dann sprechen, wenn die jeweilige Theorie:

1.) has been less progressive than alternative theories over a long period of time, and faces many unsolved problems; but
2.) the community of practitioners makes little attempt to develop the theory towards solutions of the problems, shows no concern for attempts to evaluate the theory in relation to others, and is selective in considering confirmations and disconfirmations.

Ich stimme zu, dass der rein empirische Ansatz - Verifikation bzw. fehlende Falsifikation - einer Theorie nicht alleinig sofort einen Gütesiegel aufdrücken (wobei ich wie gesagt noch ncith gelesen habe, welche Gründe er dafür nennt... vielleicht habe ich da andere Gründe). Als weitere Kriterien für die Qualität einer Theorie/Lehre würde ich allerdings eher die wissenschaftliche Plausibilität betrachten:
Wieviele Zusatzannahmen müssen gemacht werden, um die Theorie "wahr" zu machen? Werden Zusatzannahmen "über das notwendige Maß" hinaus getroffen (Ockhams Rasiermesser)? Ist eine alternative Theorie denkbar, die mit wenigen Annahmen das gleiche beschreibt?
Und wie weit wird bisherigen Erkenntnissen widersprochen? Und, wenn bisherigen Erkenntnissen widersprochen wird: Gibt es eine plausible Erklärung, was bei diesen bisherigen Erkenntnissen "falsch lief2? Lässt sich die Theorie in die aktuelle Wissenschaft einbetten und erweitern?
 
Ein bisserl ist das ja auch ein Thema das wir hier in letzter Zeit öfter hatten ;).

"Wissenschaft ist, was Wissen schafft" (geniales Eigenzitat von mir :ROFLMAO:). Es ist eigentlich völlig egal, ob die Schulwissenschaft (als Abgrenzung zu Esoterik, Alternativwissenschaften, Peudowissenschaft) etwas anerkennt oder nicht. Denn niemand ist auf diese Anerkennung angewiesen, und die Schulwissenschaft hat auch keinerlei Recht (ausgenommen das einer Gruppe halt gewisse potentielle Mitglieder auszugrenzen) ein Urteil zu fällen - insbesondere dann, wenn die entsprechenden Bereiche nicht nach ihren eigenen "wissenschaftlichen" Kriterien untersucht und eine Erklärung für das gefunden wurde, warum die Menschen diese Techniken empirisch gesehen und entwickelt haben (diese Menschen waren ja auch weder Idioten noch blind).

Das was wir als Schulwissenschaft kennen, ist eigentlich ein Sammelsurium verschiedener Richtungen, die sich ängstlich sowohl untereinander als auch gegen Einflüsse von Aussen (sogenannte "Laien") abgrenzt. Schaut man aber genauer hin, dann sind sehr viele Bereiche dieser Schulwissenschaft ziemlich "esoterisch" und in keinster Weise weder nachvollziehbar noch irgendwie logisch (man denke nur daran, dass die Archäologie jedes gefundene Pinkelbecken als "Ritualgegenstand" tituliert ... ein Begriff der letztendlich nur Ahnungslosigkeit dokumentiert). Das gleiche passiert in der Medizin, wenn unerklärliche Vorgänge auf die "DNS" geschoben werden (ebenfalls Synonym für "keine Ahnung").

Letzendlich wird durch die Wissenschaft hier lediglich ein System der Exklusivität geschaffen, in dem es um nicht unbedeutende Geldmittel handelt, und wo natürlich niemand die etablierten Fachrichtungen konkurrenzieren darf - egal wie gut oder schlecht diese sein mögen.

Letztendlich sind alle im esoterischen (als Synonym für alle Wissensbereiche die "wissenschaftlich" nicht anerkannt sind) Bereich vorkommenden Wissenszweige ebenso wissenschaftlich ... denn sie sind genauso wie die Grundlagen der Schulwissenschaft genauso auf Basis von Jahrhunderte und Jahrtausende langen Beobachtungen entstanden. Diese einfach anzuzweifeln ist absolut unwissenschaftlich und nur durch eine elitäre Abgrenzung zu erklären.

Das Problem entsteht eigentlich nur daraus, dass sich die Religion als Mittel zur Kontrolle des Volkes entwickelt hat (siehe z.B. das Pahraonenreich), und sich in der Folge daraus die Teilzweige Politik und Wissenschaft als "elitäre Zweige" und zur Kontrolle über das Volk entwickelt haben. Und heute basierend auf der Kontrolle durch die Schulwissenschaft hier oft sehr fatale und falsche Entscheidungen durch den Gesetzgeber getroffen werden.
 
Ein bisserl ist das ja auch ein Thema das wir hier in letzter Zeit öfter hatten ;).

"Wissenschaft ist, was Wissen schafft" (geniales Eigenzitat von mir :ROFLMAO:). Es ist eigentlich völlig egal, ob die Schulwissenschaft (als Abgrenzung zu Esoterik, Alternativwissenschaften, Peudowissenschaft) etwas anerkennt oder nicht. Denn niemand ist auf diese Anerkennung angewiesen, und die Schulwissenschaft hat auch keinerlei Recht (ausgenommen das einer Gruppe halt gewisse potentielle Mitglieder auszugrenzen) ein Urteil zu fällen - insbesondere dann, wenn die entsprechenden Bereiche nicht nach ihren eigenen "wissenschaftlichen" Kriterien untersucht und eine Erklärung für das gefunden wurde, warum die Menschen diese Techniken empirisch gesehen und entwickelt haben (diese Menschen waren ja auch weder Idioten noch blind).

Das was wir als Schulwissenschaft kennen, ist eigentlich ein Sammelsurium verschiedener Richtungen, die sich ängstlich sowohl untereinander als auch gegen Einflüsse von Aussen (sogenannte "Laien") abgrenzt. Schaut man aber genauer hin, dann sind sehr viele Bereiche dieser Schulwissenschaft ziemlich "esoterisch" und in keinster Weise weder nachvollziehbar noch irgendwie logisch (man denke nur daran, dass die Archäologie jedes gefundene Pinkelbecken als "Ritualgegenstand" tituliert ... ein Begriff der letztendlich nur Ahnungslosigkeit dokumentiert). Das gleiche passiert in der Medizin, wenn unerklärliche Vorgänge auf die "DNS" geschoben werden (ebenfalls Synonym für "keine Ahnung").

Letzendlich wird durch die Wissenschaft hier lediglich ein System der Exklusivität geschaffen, in dem es um nicht unbedeutende Geldmittel handelt, und wo natürlich niemand die etablierten Fachrichtungen konkurrenzieren darf - egal wie gut oder schlecht diese sein mögen.

Letztendlich sind alle im esoterischen (als Synonym für alle Wissensbereiche die "wissenschaftlich" nicht anerkannt sind) Bereich vorkommenden Wissenszweige ebenso wissenschaftlich ... denn sie sind genauso wie die Grundlagen der Schulwissenschaft genauso auf Basis von Jahrhunderte und Jahrtausende langen Beobachtungen entstanden. Diese einfach anzuzweifeln ist absolut unwissenschaftlich und nur durch eine elitäre Abgrenzung zu erklären.

Das Problem entsteht eigentlich nur daraus, dass sich die Religion als Mittel zur Kontrolle des Volkes entwickelt hat (siehe z.B. das Pahraonenreich), und sich in der Folge daraus die Teilzweige Politik und Wissenschaft als "elitäre Zweige" und zur Kontrolle über das Volk entwickelt haben. Und heute basierend auf der Kontrolle durch die Schulwissenschaft hier oft sehr fatale und falsche Entscheidungen durch den Gesetzgeber getroffen werden.

Bei der Wissenschaft geht es wie bei allem anderen am Ende um Macht und Eigentum. Man macht sich zum Hüter des Wissens, zumindest trifft das auf die institutionalisierte Wissenschaft zu. Genau wie bei den Kirchen, die alles religiöse, sowie Gott selbst zu ihrem Eigentum erklärt haben, betreibt es heute die Wissenschaft mit ihrem Wissen, und verhält sich dabei den Kirchen nicht unähnlich. "Du darfst keine anderen Götter mehr haben", oder "wir sind die einzig wahre Religion(Wissenschaft)", wird ja bis heute betrieben. Aus dem Grund wird die alternative Medizin genauso bekämpft, wie jeder, der gegen die vorherrschende Meinung ist. Das sie dabei oft genug genauso dogmatisch ist, wie die katholische Kirche, fällt gar nicht mehr auf, da man es nie anders betrieben hat. Tatsache ist aber, dass die Wissenschaftler auf unzählige Fragen keine Antwort haben, sich aber trotzdem immer hinstellen und behaupten sie wüssten alles. Das man Wissen auch auf andere Weise erfahren kann würden sie niemals zulassen, da sie ansonsten ihren gottgleichen Status verlieren würden. Aus dem Grund entwickelt sich die Menschheit auch nur so extrem langsam, da es nicht erlaubt ist, unsere "Götter" in Frage zu stellen. Außerdem haben die Wissenschaftler eine unheimlich Angst um ihr Eigentum, dass sie sich so schwer erarbeitet(erfunden) haben. Unzählige alternative Ärzte, Archäologen, die gegen die allgemeine Darstellung arbeiten, können davon wohl ein Lied singen.
 
(...) Dieser letzte Punkt ist wohl problematisch und aus meiner Sicht versagt das Kriterium, solange wissenschaftliche Praxis elitär und undemokratisch organisiert ist.

Eine bemerkung bzw. Frage zu diesem Satz: Wie würdest Du Dir eine demokratisch organisierte wissenschaftliche Praxis vorstellen? Was würde da anders laufen als heutzutage? Ich kann mir unter (un)demokratisch organisierter wissenschaftlicher Praxis nicht viel vorstellen.
 
Ich habe den Text noch nicht gelesen (aber schon ausgedruckt, und werde das heute Abend auf einer Zugfahrt nachholen).

Der Text ist ganz interessant, weil er Kuhn und Lakatos aufgreift und sich das gute sozusagen rauspickt. Er ist auch ganz interessant, weil er sein Kriterium für Pseudowissenschaft kurze Zeit später erweitert hat, aber sich dabei gleichzeitig sehr angreifbar gemacht hat.
Der Witz an diesem Text ist ja irgendwo, dass man nur von Pseudowissenschaft sprechen kann, wenn es eine konkurrierende Lehre gibt und erst aus dem Verhältnis der beiden, lässt sich dann von Pseudowissenschaft sprechen und selbst da eigentlich nur graduell.

Aber ein paar gedanken zu Deiner Beschreibung:

Ich stimme zu, dass der rein empirische Ansatz - Verifikation bzw. fehlende Falsifikation - einer Theorie nicht alleinig sofort einen Gütesiegel aufdrücken (wobei ich wie gesagt noch ncith gelesen habe, welche Gründe er dafür nennt... vielleicht habe ich da andere Gründe). Als weitere Kriterien für die Qualität einer Theorie/Lehre würde ich allerdings eher die wissenschaftliche Plausibilität betrachten:
Wieviele Zusatzannahmen müssen gemacht werden, um die Theorie "wahr" zu machen? Werden Zusatzannahmen "über das notwendige Maß" hinaus getroffen (Ockhams Rasiermesser)? Ist eine alternative Theorie denkbar, die mit wenigen Annahmen das gleiche beschreibt?
Und wie weit wird bisherigen Erkenntnissen widersprochen? Und, wenn bisherigen Erkenntnissen widersprochen wird: Gibt es eine plausible Erklärung, was bei diesen bisherigen Erkenntnissen "falsch lief2? Lässt sich die Theorie in die aktuelle Wissenschaft einbetten und erweitern?

ad-hoc-Hypothesen sind auch bei Thagard II ein Kriterium. Je mehr Hilfshypothesen angenommen werden, desto pseudowissenschaftlicher. Ein zweites Kriterium stellt für ihn das Denken in Analogien dar. Wenn also aus irgendwelchen Ähnlichkeiten Rückschlüsse gezogen werden (Nashornpulver als Aphrodisiakum)
Deine letzteren fragen lesen sich für mich aber eher pragmatisch. Dass man eher theorien akzeptiert, die sich mit den bisherigen in Einklang bringen lassen, ist ja eben genau der Punkt, der Pseudowissenschaften ausschließt (ausschließen muss). man versucht das eigene Weltbild eben am Leben zu erhalten, zurecht! Aber auch das wäre für mich wieder politisch.
Also diese Kriterien lesen sich ja gerade in der normal science die Kuhn beschrieben hat und grob gesagt gegen Popper!
 
Eine bemerkung bzw. Frage zu diesem Satz: Wie würdest Du Dir eine demokratisch organisierte wissenschaftliche Praxis vorstellen? Was würde da anders laufen als heutzutage? Ich kann mir unter (un)demokratisch organisierter wissenschaftlicher Praxis nicht viel vorstellen.

Wissenschaft und Bildung (die gehören denk ich eng zueinander) sind politisch hochbrisant, weil deren Organisation auf eine sehr funktionale Weise ausgerichtet ist und Widerspruch unterdrückt, bzw. gar nicht aufkommen lässt. Dahinter steckt der Gedanke, dass Wissenschaft ein säkulares Gutes ist, das man sozusagen dem Pöbel entziehen kann.
Grundsätzlich hab ich damit nicht viel gesagt, sondern eher problematisiert, dass in einer direkten Demokratie auch die wissenschaftliche Praxis eine vermutlich andere wäre.
Demokratisch organisiert würde in diesem Zusammenhang also sowohl Kontrolle bedeuten, als auch den Rahmen abstecken innerhalb dessen Wissenschaft arbeitet, aber vor allem welche Institute welche Mittel bekommen.
das Motto lautet: Freiheit der Wissenschaft, statt freie Wissenschaft.
 
@Joey ahja, diese erweiterten und überarbeiteten Überlegungen von Thagard finden sich in: Computational philosophy of science aus 1988
 
(...) Also diese Kriterien lesen sich ja gerade in der normal science die Kuhn beschrieben hat und grob gesagt gegen Popper!

Jain. Stur und streng nach Popper - soweit ich ihn verstehe - ist jede Theorie gültig, sofern sie ausreichend falsifizierbar formuliert ist und die empirischen Falsifikationen trotz Versuchen ausbleiben. Nur mit diesen Kriterien hätten wir allerdings dann weiter eine Reihe von "konkurierenden" Theorien, die die gleichen Sachverhalte beschreiben. Meine Kriterien - Ockhams Rasiermesser (was leider oft relativ oft nicht unbedingt "klare" Favouriten zulässt), wissenschaftliche Plausibilität etc. - greifen danach ein, um diese Menge an Theorien von der anderen Seite weiter auszudünnen. Also sozusagen:
Popper: "Seid offen für alles, was nicht widerlegt wurde."
Ockham: "... aber nicht zu offen. Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht."
Somit habe ich dann einen Satz von Kriterien, die die Theorien von zwei Seiten her angreifen.

Wissenschaft und Bildung (die gehören denk ich eng zueinander) sind politisch hochbrisant, weil deren Organisation auf eine sehr funktionale Weise ausgerichtet ist und Widerspruch unterdrückt, bzw. gar nicht aufkommen lässt. Dahinter steckt der Gedanke, dass Wissenschaft ein säkulares Gutes ist, das man sozusagen dem Pöbel entziehen kann.
Grundsätzlich hab ich damit nicht viel gesagt, sondern eher problematisiert, dass in einer direkten Demokratie auch die wissenschaftliche Praxis eine vermutlich andere wäre.
Demokratisch organisiert würde in diesem Zusammenhang also sowohl Kontrolle bedeuten, als auch den Rahmen abstecken innerhalb dessen Wissenschaft arbeitet, aber vor allem welche Institute welche Mittel bekommen.
das Motto lautet: Freiheit der Wissenschaft, statt freie Wissenschaft.

Ich stimme nur bedingt/teilweise zu.

Zum einen: Wissenschaft lebt fast von Widerspruch. Es stimmt zwar, dass sie recht träge reagiert, wenn etablierten Lehrmeinungen widersprochen wird, aber auch hier gibt es Präzedenzfälle, wo sich dieser Widerspruch eben durchsetzte, und ehemals Außenseiter-Aussagen heutzutage zurecht etabliert sind. Und ich bin sogar der Ansicht, dass diese Trägheit auch ihre guten Gründe hat. Bei weitem nicht jeder Widerspruch gegen die Lehrmeinung ist richtig. Zu jedem Semmelweiß kommen tausende "Möchtegerns", die zwar massenhaft das Galileo-Gambit ausspielen, aber letztendlich doch nicht viel in der Hinterhand haben, bzw. die Überprüfungen immer wieder stark gegen ihre Behauptungen sprechen. Du wirst jetzt wieder sagen, dass ich da ein politisches Totschlag-Wort verwendet habe... und das stimmt auch. Das Problem ist aber, wenn man all diese "neuen Ansätze" von Anfang an sofort ernst nehmen würde - sch... auf Plausibilität und Lerhbüchern - wäre der wissenschaftliche Betrieb gelähmt. Vertreter von Außenseiter-Ansichten müssen aus guten Gründen schon ein wenig mehr Arbeit darein stecken zu zeigen, dass es sich lohnt, und was bei den "Lehrbüchern" falsch gelaufen ist. Damit meine ich NICHT, dass derartige Theorien nicht auch - sofern falsifizierbar formuliert - überprüft werden sollen, gerne auch immer und immer wieder ... Skepsis ist aber wie gesagt angebracht.

Was die Verteilung von Geldmitteln etc. angeht... ja, das kann problematisch werden.
 
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Zum Artikel:

So wie ausgeführt ist natürlich Astrologie nicht falsifizerbar. Es gibt derzeit noch kein Modell, das die Auswirkungen der Planeten auf den Menschen bzw. auf der Embryo erklären würden. Was wird wissen ist mittlerweile aus der Astronomie, dass Planeten ein Gravitationsfeld haben. Dass Lebewesen auf der Erde primär durch die Sonne, aber auch durch den Mond in ihrer biologischen Aktivität beeinflusst werden (Regel, Biorythmus, "Mondsüchtigkeit") Daraus könnte man folgern, dass das Gesamtgravitationsfeld des Sonnenystem ebenfalls einen - wenn auch feinen - Einfluss auf den Menschen und seine Entwicklung hat (z.B. auf die Menge der Hormonausschüttungen in der Schwangerschaft).

Derzeit haben wir Schulwissenschaftlich hier einfach nicht den Input, um eine Entscheidung treffen zu können, ob Astrologie falsch oder richtig ist.

Die andere Seite der Medaille ist natürlich die Beweisbarkeit. Einen Beweis könnte bzw. kann man heute nur auf Grund einer Neo-Neo-Astrologie treffen. Zwar stehen der Astrologie heute teilweise wesentlich bessere Daten über die Planetenbewegungen zur Verfügung, andererseits mussten aber auch schon Korrekturen in Kauf genommen werden, die primär in Unklarheiten bei Datumswerten, möglichen zeitlichen Verschiebungen (Änderung der Tageslänge) begründet sind. Dadurch kann es sein, dass überliefertes empirisches Wissen heute nicht 100% exakt sind. Das begründet aber ebenfalls noch nicht, hier als Pseudowissenschaft zu klassifizieren, da die Grundprinzipien trotzdem richtig sein könnten, und nur die aktuelle und mehrfach tradierte Ausprägung unexakt sein könnte. Was lediglich nur begründen würde, dass hier - wie in anderen Wissenschaftszweigen auch - Forschung zum Abgleich mit den tatsächlichen Verhältnissen notwendig ist.
Zum Teil hat sich hier auch das psychologische Weltbild weitgehend verändert, und dadurch kann es natürlich ebenfalls zu Abweichungen gegenüber den tradierten astrologischen Aussagen kommen.

Wie Artikel erwähnt, gibt es neuere Techniken und Verknüpfungen, die auch im Zusammenhang mit Astrologie entstanden sind, und die relativ gute Vorhersagen der menschlichen Psyche ermöglichen. Zu nennen wäre hier z.B. Human Desigen, Penta Design etc.

Ich bin nicht ganz der Ansicht des Artikels, dass es einer genaueren Definition des Terms "Pseudowissenschaft" bedarf. Ich empfinde diesen Terminus als obsolet.

Ich sehe Wissen als Wissen, und wir tun gut daran, ein über Jahrhunderte hinweg erworbenes Wissen zu hinterfragen, was es uns nützliches sagen kann. Wovon ich nichts halte sind pseudo-religiös-dogmatische Ansätze mancher Wissenschaftler über den Status Pseudowissenschaft oder Wissenschaft. Das hat meiner Meinung nach in der Wissenschaft nichts verloren. Wissen ist Wissen, und es liegt an uns, aus diesem Erbe an Wissen die für uns nützlichen Teile zu extrahieren bzw. sie auf neue exaktere und mit anderen Richtungen integrierte Beine zu stellen.
 
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