Holterdipolter - oder: Vom langen Weg zur Erleuchtung

Et libera nos

Aktives Mitglied
Registriert
2. November 2006
Beiträge
4.134
Hier jetzt eine kleine "Weihnachtsgeschichte"
b046.gif
, gerade in einem anderen Thread improvisiert - weshalb die Form nicht gerade perfekt ist.

Die zugrundeliegende Geschichte dürfte vielen bereits vertraut sein, ich finde sie aber immer wieder erhellend.

:)

_____
k015.gif


Nehmen wir mal an dass wir da haben im Menschen:
- Körper
- Gefühle, Emotionen
- das Mentale (Denken, Geist, Kultur etc.)

Denken ist eine kulturelle Errungenschaft, keine angeborene Fähigkeit.
Angelegt ist NUR die Veranlagung zur Sprache, aus der erst das Denken entsteht.
Wächst ein Mensch bei Tieren auf, wird er zum Tier, obwohl er wie ein Mensch aussehen wird.
Er wird nicht sprechen und auch nicht denken, sondern wie ein Tier triebhaft und emotional agieren und re-agieren, unmittelbar, ohne zu "wissen" dass und was er gerade tut.

Nehmen wir jetzt mal den Wagen (eine Kutsche) des Reisenden:

vornan sind zwei hitzige Pferde gespannt, ein schwarzes und ein rotes, nennen wir sie Instinkt und Gefühl (ungefähr passend zu unseren tierischen Gehirnanteilen, dem ururalten Stammhirnareal, und dem "jüngeren" aber trotzdem Millionen Jahre alten sog. Mammaliagehirn).

Die Kutsche nennen wir "körperliche Hülle", "Materie", darin sitzt eine wunderliche menschliche Gestalt, weder Mann noch Frau, die wir "Das Selbst" nennen, für einige Schulen "Das Höhere Selbst".
Diese Gestalt ist wie von Glas, durchscheinend und gleichzeitig leuchtend.

Auf dem Kutschbock sitzt ein ordentlich gekleidetes Männchen, der Verstand. Dazu passt in etwa der jüngste, äußerste Gehirnbereich, die Großhirn-rinde. Das Ich ist mit ihm stark verwandt.
Er ist der "Chauffeur" des Selbst, dem auch die heißblütigen Pferde und die Kutsche gehören.
Er verfügt über einen scharfen Adlerblick, selbst den kleinsten Punkt am Horizont kann er ausmachen und erkennen, worum es sich handelt.

Bei den meisten Menschen sieht das nun so aus:

Die Pferde sind ungezähmt, sausen im Galopp dahin, wollen noch dazu häufig in verschiedene Richtungen laufen.
Der Kutscher hockt schlafend auf dem Kutscherbock, und fällt nur deshalb nicht herunter weil er daran angeschnallt ist. Die Zügel hängen ihm schlaff in den Händen.
Von einer Leitung der Pferde durch ihn also ganz zu schweigen.

Es geht holterdipolter querfeldein, über Stock und Stein, im Zick-Zack-Kurs werden Schlaglöcher voll genommen, Gewässer werden durchschwommen, rauhes Gebüsch streift an den Seiten der Kutsche.

In der Kutsche ist das Selbst in diesem Fall in zwei getrennte Gestalten zerfallen, ein Mann und eine Frau, die in der Kutsche auf und nieder, hin und her geworfen werden, einmal unter die Sitzbank fallend, ein anderes Mal an der Decke sich stoßend.
Dabei befinden sie sich in einer Art Langzeitschlaf, sie bekommen von dem Treiben (!) kaum was mit, höchstens in ihren Träumen.

Und jetzt das Wunderliche:
schlafen Kutscher und Kutscheninsaße(n), ist es draußen finsterste, pechschwarzeste Nacht, kein Stern und kein Mond stehen am Himmel.
Der Kutscher schläft traumlos vor sich hin.

Fangen sie aber an, aufzuwachen, beginnt zuerst einmal ein Großes Leiden, ein notwendiger Prozess der aber auch wieder zu Ende geht.
Der Kutscher beginnt jetzt zu träumen.
Anfangs träumt er davon, wie gut er die Pferde doch im Griff hat, und welche Kunststücke er ihnen beigebracht hätte.
Überhaupt hält er oft das Geträumte für die Realität.
Wahr ist davon nichts, aber er lernt daraus wie er später mit ihr umgehen wird.

Zuerst "entstehen" Sterne und Mond, ein Zwielicht taucht aus der Finsternis empor, in der die vorbeihuschenden Formen unscharf und unbekannt sich abzeichnen.
Der Kutscher kann nun langsam seine guten Augen gebrauchen, er beginnt träumend "etwas" in Form von Bildern zu erkennen, und teilt das immer wieder den Wageninsaßen mit, wobei ihm meistens die Worte fehlen um das zu benennen, was er sieht - auch weil es noch nicht gut sichtbar ist.

Jetzt fängt der Kutscher auch an, die Pferde zu "erziehen" und sich nicht mehr von ihnen beherrschen zu lassen.
Was bedeutet, dass er auf viel "Unter-haltung" verzichtet, und dafür eine größere Entscheidungsgewalt über den zu fahrenden Weg erhält.

Ein Verdrängen von Emotion/Gefühl und Instinkt käme einer Schwächung der Pferde gleich, fast einer Tötung.
Eine "Erziehung" hingegen belässt ihnen all ihre Energie und setzt sie positiv für das "Ziel" ein - das nur dem Selbst in der Kutsche bekannt ist.

Mit zunehmendem Erwachen und Einsatz des Kutschers (in Austausch mit den erwachenden Wageninsaßen) werden die Pferde zahmer und zahmer, die Teile des Selbst im Inneren können bei zunehmend ruhigerer Fahrt immer näher aneinander rücken und die Erinnerung an das "Ziel" dem Kutscher mitteilen.

Der Kutscher sieht seine Umgebung immer klarer, und mit zunehmender Klarheit kann er was er sieht benennen, er entwickelt Worte und Gedanken für seine Erkenntnisse und - es wird wundersamerweise Tag!

Anfangs ist er taub, da der Lärm der Fahrt alle feineren Geräusche überdeckte.
Je ruhiger die Fahrt wird, umso mehr klärt sich auch sein Gehör, und er beginnt die Stimme des Selbst zu hören, erst leise und unverständlich, dann immer klarer und verständlicher.
Irgendwann teilt sich die klare Sicht des Selbst dem Kutscher deutlich mit,
plötzlich strahlen am Himmel Sonne und Mond gleichzeitig, die Formen, die im blossen Licht flach aussahen erhalten Plastizität durch ihre Schattenseiten.
Der Blick reicht immer tiefer und weiter.

Der Prozess setzt sich fort und fort und fort ... und eines Tages verschmelzen Pferde, Kutscher, Kutsche und Insaßen zu


G o t t



f042.gif
f042.gif
f042.gif



a014.gif

 
Werbung:
hmm...

Einerseits wunderschön beschrieben, dieses Gefühl des erkennens und auch dass es Schwerarbeit an sich selbst ist...
Aber irgendwas gefällt mir daran nicht. Warum muss das so von außen gesehen und analysiert werden? das ist mir zu narzißtisch.

Für den "zu Erleuchtenden" müsste es sich doch viel subjektiver anfühlen... Als würde sich plötzlich die ganze Welt um ihn herum ändern und in Wirklichkeit ändert er sich selbst.
 
Werbung:
ROFL, ich sehe mich gerade auf dem Kutschbock sitzen und die Pferde mit der Peitsche antreiben, bis sie im wilden Galopp dahinrasen. *kicher* Wie lange werden sie das wohl aushalten? Erinnert mich an die Kutschfahrt aus Roman Polanskis "Tanz der Vampire" *grins*

und jetzt: grappen (bedeutet: festhalten)

J.
 
Zurück
Oben