hi ihr!
@cassiopeya: die hauptsache ... je länger ich mich damit beschäftige, wie die spuren einer ordnung im leben sich zeigen bzw. woran sich "meine" ordnung ablesen lässt, desto mehr fasziniert mich das chaos. chaos ist keineswegs unordnung, chaos ist das zusammenwirken von allem mit allem, und wenn wir sehen, wie die mündung eines flusses ins meer auf einem satellitenfoto aussieht und wie ein tintentropfen, der in ein glas wasser fällt, sich verteilt, dann bekommt das chaos seine struktur (ich habe übrigens wie du einen steinbock-AC, statt der krebs- allerdings eine fische-sonne). es gibt essentielle strukturen im chaos, die übergreifend sind, egal, worum es sich handelt. diese strukturen - attraktoren in der sprache der chaosforscher - findest du überall - die verzweigungen des flussdeltas sind auch in den adern eines blattes zu sehen. was ist nun die hauptsache des flusses?
wenn ich hermann hesses siddharta folge, dann komme ich nach einem langen leben quer durch alle stationen dazu, am ufer dieses flusses zu sitzen und einfach "om" zu summen, oder "amen" in unserer westlichen ausprägung. so sei es. es ist, wie es ist. oder, aus einer völlig anderen richtung, dem systemischen stellen, mit bert hellinger: anerkennen, wie es ist. es gibt nur das jetzt (eckhard tolle) ... und das ist alles. nicht nur die hauptsache, sondern alles. das einzige. einundalles.
das ist - auf das horoskop übertragen und auf seine elemente - ganz ähnlich. die hauptsache des horoskops ist seine ganzheit. es bildet ja auch quasi ein fraktal der sonne: es ist wie ein blick mit der lupe auf das sonnensymbol: wenn ich auf diesen kreis mit punkt in der mitte genau hinschaue, dann zeigen sich zahlreiche details. und es ist vielleicht auch ein wenig wie mit der unschärfen-relation in der quantentheorie: je mehr ich mich dem detail annähere, desto weniger gehaltvoll werden die möglichkeiten, etwas auszusagen.
nun sind wir menschen selten zufrieden damit, am fluss zu sitzen und "om" zu summen. wir wollen es genau wissen und wie es funktioniert und warum. also haben wir verschiedene systeme entwickelt, um das zusammenwirken der dinge zu beschreiben und vermutungen darüber anzustellen, was aus dem jetzt werden könnte und warum es so geworden ist, wie es jetzt ist. eines von diesen systemen ist die astrologie, die (ähnlich wie bei flusslauf, tintentropfen und blatt) strukturen auf verschiedenen ebenen vergleicht und daraus bedeutungen ableitet.
hilft uns nun dieses beschreibungs-system bei der definition der hauptsache? meine erfahrung ist: die hauptsache ist immer das, worauf sich gerade meine aufmerksamkeit richtet. der fokus. das, was ich mit meinem blick, mit meinen begriffen scharfstelle. alles andere verschwindet dann für eine weile aus dem tunnelblick meiner zuwendung, es ist aber unverändert da und unverändert wirksam. so ist es auch in der horoskopdeutung und erst recht, wenn ich versuche, die gerade herausgegriffene "hauptsache" zu leben: jeder punktuelle eingriff ins system bewegt das gesamte system. wenn ich in meiner lebenspraxis versuche, den saturn nachzujustieren, dann setzt das alle anderen attraktoren in meinem horoskop nicht in andere beziehungszusammenhänge, wohl aber in ein anderes licht.
de facto wird sich diese hauptsache dort ergeben, wo es am meisten zwickt und drückt, und das kann irgendeine planetenkonstellation sein, u.U. sogar ganz ohne beteiligung von sonne und/oder mond. und wenn der fokus auf diese hauptsache etwas in bewegung gesetzt hat, dann mag etwas anderes in den vordergrund treten und zur neuen hauptsache werden ... ein leben lang. niemand lebt sein horoskop in erlöster form, allenfalls haben wir teile davon so integriert, dass wir damit in frieden sind.
etwas anderes ist die frage, wie ich an ein horoskop herangehe, was ich beim zerlegen der ganzheit in begriffe als meine strategie entwickelt habe. da ist für mich die "hauptsache" der AC als ausdruck dessen, "was das potenzial ist" und "worum es geht" - die essentielle anlage. dann die sonne: "wie wird es umgesetzt? wie wird es inszeniert?" und schließlich der MC: "was ergibt sich daraus? was ist es?" ... andere gehen anders vor, und auch das hat wieder sehr mit dem fokus zu tun, mit dem man ein horoskop betrachtet.
@spirit chaser: dank dir für die klarheit, mit der du darauf hingewiesen hast, dass wir in konstrukten kommunizieren - wobei ich gerade deswegen zweifel habe, ob sich die gängigen begriffe der psychologie bzw. der philosophie so ohne weiteres auf die astrologie übertragen lassen. für "psyche" zum beispiel steht der mond im horoskop in meiner sicht/begrifflichkeit nur teilweise, in bestimmten funktionen, "psyche" ist bei mir sicherlich auch plutonisch fundiert oder erschüttert, je nachdem, ich würde die marsischen triebe nicht von der psyxche abspalten wollen und auch das bewusstsein der sonne ist eine funktion der psyche. mir stellt sich zunehmend die frage, ob nicht all diese adjektive - "psychologische" astrologie, "karmische" astrologie etc. - ausdruck der verunsicherung sind, so quasi mit dem versuch, durch die anbindung an anerkannte disziplinen anerkennung und festeren boden unter den füßen zu gewinnen. ich mag eine "astrologische astrologie", die ihre betrachtungsweise des zusammenwirkens ihrer attraktoren (betreibe ich etwa eine "chaotische astrologie"?) als ergänzung und bereicherung anderer disziplinen pflegt. dann kann ich den mond - je nach meinem fokus - mal als mein persönliches unbewusstes be-deuten, mal als repräsentantin der mutter, mal im mundanen bereich als "das volk". sag mir, wo du hinschaust, und ich sage dir, was du siehst... in other words: der mond erhält seine bedeutung erst durch die jeweilige bedeutungsvereinbarung, die wir treffen (und die sinnvoller weise dort wurzeln sollte, wo es sich schon bewährt hat, die aber in neuen regionen aufblühen kann...)
@rita: om. amen. und wo wir beginnen, miteinander zu reden und wo das om verstummt ... ich hab's, meine ich, eh schon mal zitiert: steve de shazer, minimalistischer geprächstherapeut auf dem boden der konstruktivisten, sagte mal zu beginn eines workshops: "ich hoffe, dass sich unsere missverständnisse der kommenden tage als fruchtbar erweisen!". ohne diese hoffnung hilft eh alle begriffsdefiniererei nix... weil der erste zugang immer der mond ist und der merkur erst das reflektierte als meterial zur verfügung hat...
alles liebe, jake