Stephan schrieb:
Liebe Damura,
deine Antwort hat einiges klar gestellt - einiges wo ich dich offenbar mißverstanden habe.
o.k. was bedeutet das konkret? Es bedeutet m.E. z.B., dich nicht darüber zu beklagen, daß du für eine Weile in den Knast wanderst dafür und für die Versorgung und Behandlung dieses Menschen finanziell mit aufzukommen hast - mit allen einschränkungen , die das für dein eigenes weiteres leben nach sich zieht. Oder siehst du das anders?
Ich weiß nicht. Im Idealfall schwebt mir schon vor, auch im Knast dann meine Augen offen zu halten und zu schauen, wo ich hier gebraucht werde. Aber ob ich das real auch durchziehen könnte, weiß ich nicht.
...
Es ist für mich ziemlich schwierig dass alles eben miteinander zu verbinden. Es aus einer höheren Warte zu sehen und gleichzeitig die Ungerechtigkeit dann hier unten als gegeben hinzunehmen. Das gebe ich ehrlich zu. Und ich merke gerade das ich unterscheide. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dafür in den Knast zu gehen, aber dafür finanziell aufzukommen widerstrebt mir total. Vielleicht weil ich generell das GEfühl habe, dass das mit dem Geld einfach zu einfach ist, verstehst Du. Es ist ungerecht. Dann kann nämlich ein Millionär wahrlos Idioten produzieren und sich einfach auslösen - wie im Reallife ja vorkommt, da gibt es doch so einen Prinzen, der immer wieder Journalisten und auch andere krankenhausreif prügelt, oder - und die arme Socke muss sich zusammenreißen, weil sie keine Kohle hat. Knast ist okay. Das würde - in einem gerechten System ja beide gleich treffen.
da hast du mich mißverstanden (oder ich hab mich mißverständlich ausgedrückt). Mir geht es nicht um die moralische oder gesellschaftlich-moralisierende bewertung von Tätigkeiten bzw. Arbeitsleistungen. Mir ging es nur darum zu sagen: Ich darf mich für oder gegen jeden Job dieser Welt entscheiden, aus welchen Motiven auch immer. Aber ich habe dann auch die Konsequenzen dessen zu akzeptieren (z.B. wenig/viel Geld oder wenig/viel Freizeit).
Sorry. Ich gehe bei dem Thema schnell generell auf Gegenströmung
... Ja klar. Darüber muss ich mir klar sein. Wenn ich mich so entscheide, wenn ich wählen können will, dann muss ich mir auch über die Konsequenzen im klaren sein, was aber nicht heißt, dass ich sie aktzeptiere oder richtig finde. Okay ?
es gab und gibt v.a. in Südasien die sog. "bettelmönche" (Sadhus). Sie ziehen durch die welt, auf dem weg zu heiligen orten und zu sich selbst. Alles, was sie besitzen, tragen sie bei sich, also materiell gar nichts.
Sie können nur dadurch überleben, daß alle anderen sie nicht verhungern lassen. Ist ein legitimer Lebensweg, warum nicht? Schwebt dir so ein Weg in letzter Konsequenz für dich selbst vor?
Nein. Das ist nicht mein Weg. Ich will unter den Menschen bleiben. Ich will sichtbar und erreichbar sein. Ich habe einen eigenen Weg, Stephan. Jeder Mensch hat den. Ich schaue nicht danach, wie oder was andere leben. Ich höre in mich und ich versuche zu ergründen, was diese Stimme in mir von mir will. Ich mache meine eigene Erfahrung.
Ich verstehe diese Haltung, es ist wohl der Wunasch vieler menschen, auch meiner.
Aber es ist dir schon klar, daß es in Wirklichkeit kein Hartz-IV-Almosen und kein Arbeitslosengeld vom Staat oder vom System gibt, sondern nur von den anderen menschen um dich herum? (wobei Staat und oberste Systemträger sich vorher gewaltige Summen abzweigen - diese schmarotzen beim "normalen" Bürger, nicht umgekehrt!)
Ja. Das ist mir klar. Aber den wirklichen Schmarotzern tut doch keiner was. Im Gegenteil. Aber alle Menschen, die sich trauen dieses Sozialnetz dann wirklich in Anspruch zu nehmen, die werden ausgeschlossen, diffamiert, beschimpft und verunglimpft. Ich spreche hier gerade für all die Menschen, die tatsächlich unbrauchbar sind für das System "Arbeit sonst kein REcht auf leben".
siehe oben, die bewertung von Arbeit ("leistung") ist ein ganz zentrales problem dieser angeblichen "leistungsgesellschaft". tatsache ist, daß es keine "leistungsgesellschaft" ist, nie gewesen, denn nicht Leistung wird im allgemeinen belohnt, sondern die Höhe der Entlohnung richtet sich entweder nach der machtposition innerhalb des Systems und nach der nützlichkeit für den fortbestand des systems oder wird ansonsten dem blindwütigen spiel von angebot und zahlungskräftiger nachfrage überlassen.
marktmechanismen und gerechtigkeit schließen einander aber aus - der markt ist grundsätzlich blind für gerechtigkeit oder soziale, humanitäre oder ökologische aspekte in seinem wirken.
Ja. Aber auch nicht ganz. Ist die Nachfrage nach Beamten oder Bankangestellten wirklich höher als nach einer Kindergarten-Erzieherin oder einer Krankenschwester oder eben einer Mutter ? Ich denke es ist eher blindwütig.
das ist der Konflikt, in dem wir alle stehen, die das system in seinem grundsatz ablehnen. das system als solches besteht erst einmal, wir werden hineingeboren. was auch immer wir verändern oder annehmen wollen: das erste ist: akzeptieren dessen, was ist! es ist, wie es ist. und nun kann ich loslegen und für mich herausfinden, was will ich verändern, was nicht und wie soll das geschehen? wie lebe ich in dieser wirklichkeit, die ich mir nicht ausgesucht habe, die aber gleichwohl da ist.
Ja genau so sehe ich das auch und dann habe ich die Wahl. Ich kann entweder sagen, so ist es halt, ich mache mit oder ich sage, ich verweigere mich nur innerlich und mache mich damit krank (indem ich zwar schimpfe und mich aufrege, aber trotzdem immer wieder die Faust in der Tasche mache und mich halt ausbeuten und erpressen lasse) oder ich kann die Konsequenz ziehen und etwas konkretes unternehmen (und dann rummosern *breitgrins*)
du unterwirfst dich dann entweder widerstandslos dem bestehenden system, oder du führst einen täglichen kampf um dein physisches und seelisches überleben. dazwischen liegt der kompromiß - sich in bestimmten punkten bewußt auf das system einzulassen und in anderen nicht. extrem schwierige gratwanderung.
Ja. Siehe oben. Jeder geht anders damit um und das ist auch okay so. Ich biete mich aber gerne als Alternative an oder wenn auch nur als Stein des Anstoßes, an dem man sich reiben kann, über den man sich aufregen kann und viele wundern sich, wenn ich gelassen bin. Ich werde immer wieder darauf angesprochen, warum ich so entspannt wirke, wo ich doch kein Geld habe, keine Arbeit und dies und das. Eben all die Ängste mit denen sich die Menschen rumschlagen, damit sie schön in der Reihe bleiben.
Strebst du eigentlich -auch beziehungsmäßig- nach völliger Autonomie in deinen handlungen, damura? Autonom von deinem verstand und seinen kontrollmechanismen, aber auch autonom vom denken, fühlen und handeln anderer menschen?
das würde mich interessieren, das ist mir nicht klar geworden aus deinen beiträgen bisher.
Liebe Grüße, Stephan
Ich weiß nicht, was autonom ist, Stephan. Wenn es dasselbe ist wie autenthisch, dann ja. Ich will leben, woran ich glaube - auch wenn mir das Schwierigkeiten einbringt und mich das mit meinen Ängsten konfrontiert. Und das gilt auch für meine Beziehungen und Partnerschaften.
Ich kann mir einfach nichts anderes vorstellen. Ich denke, es ist mein Job
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