Merkur – der geflügelte Götterbote – Hermes.
Hermes Trismesgistos ist der dreimal große Götterbote, der im Merkur als einzigem Planeten im Halbkreis, Kreis und Kreuz diese Dreiheit symbolisch abbildet: ein seelisches Aufnehmen, das geistig verarbeitet sich körperlich verwirklichen soll. Wenn wir sagen, am Anfang war das Wort, so bedeutet das den ersten Atemzug, den Odem, den Hauch. Zugleich bedeutet es aber auch ein dreifaches Bewusstwerden unserer eigenen Existenz. Wenn ich im folgenden mit dem Bewusstmachen beginne, dann wird damit die dem Kreis entsprechende geistige Grundlage angesprochen, jene Mitte, aus der das Merkurische entsteht. Im Boten, dem zweiten Kapitel, wird analog dem Halbkreis dieser Mitte weitergegeben in die dafür offene Welt. Der Verstand letztlich ist die abgrenzende, sichtbare Form, das Kreuz als endliches Resultat, dass, was ich nicht nur weiß, sondern zugleich verstehe.
Bewusstmachen.
Die in Stein eingeritzte Schrift der Sumerer geht auf 3600 vor Christus zurück, eine Keilschrift, die in dichterischen, religiösen und kaufmännischen Fragmenten zeigt, was damals bewusst gemacht wurde. Später waren es Tontafeln und noch später bei den Ägyptern der Papyrus, unser Papier. Doch zuerst war es Stein: die Darstellung des Hermes als Grenzstein oder Grabstein, eine Abgrenzung also. Die Hermes – Säulen stellen den Gott mit ausgemeisseltem Kopf dar, er Körper ist unausgemeisselt mit einem hervorstehenden männlichen Glied. Symbolisch zeigen diese vor den Häusern aufgestellten Totemfiguren die Fruchtbarkeit der religiösen und dichterischen Worte und setzen zugleich die eigenen Grenzen fest. Ein anderes Totem war in Ägypten der verwandelte Gott Horus als Falke, der durch die Lüfte flog, um täglich das Reich zu beaufsichtigen. Im Mittelalter wurde daraus das Todessymbol, wie wir es im Raubvogel Habicht finden.
Wer spürt nicht die verwandelnde Kraft, spürt nicht wie jede Schlangen, die sich um den Hermesstab winden, Erkenntnisse vermitteln? So stieg aus der Stirne des ägyptischen Königs der Uraeus oder die Schlange sinnbildlich die magischen Tugenden von Weisheit und Leben. Genauso begegnen sich die beiden Schlangen, die sich um den phallischen, fruchtbaren Stab des Hermes winden. Sie schauen sich an, und der unentwirrbare Knoten wird zur Erkenntnis, das Wissen wandelt sich also um in Verstehen! Im Stab ob im Aaronstab oder im Hirtenstab des Hermes ist eine Zauberkraft drin, die eine symbolisch magische Kraft ausstrahlt, eben die der inneren Wandlung; ich erinnere an den Krummstab der Bischöfe oder an die Engel, die den Botenstab in der byzantinischen Kunst tragen.
„Was ist Sünde?“ – so fragten die Babylonier ihren Gott Nabu, der dem Merkur entspricht. Obwohl das Bewusstsein der Sündhaftigkeit nie in babylonischen Menschen vorwaltete, lebte es doch in den klagenden, religiösen Gesängen und Liturgien: „Herr, meine Sünden sind viele, groß sind meine Missetaten…. ich versinke in Trauer….“. Das sechste Haus, die Jungfrau, das Dienende, fällt mir dazu ein, das Einordnen in den höheren Kosmos.
Jetzt möchte ich die Geschichte vom Hermaphroditen erzählen. Der Sohn des Hermes und der Aphrodite, Eros, begegnete als Jüngling der Nymphe Salmakis, die sich in ihn verliebte. Eros wies die Nymphe zurück, bis sie mit ihm in die Quelle ging und ihn dort umarmte. Daraus, aus diesem Einssein, entstand der Hermaphroditos, ein weiblicher Knabe. Eine durch die Weigerung des Jünglings ganz bewusste Vereinigung von Männlich und Weiblich in einer Gestalt, was wir ausdrücken mit dem Wort androgyn! Dahin gehört auch, um es bewusst richtig zu verstehen, der Sohn von Hermes, der groß-phallische Gott mit Bockshörnern und Bocksbeinen, Pan. Dies Wunderkind der Nymphe Dryope trug Hermes aus dem Olymp und stellte es den Göttern vor. Alle – und Pan heißt als Wortspiel auch alle – hatten Freude an ihm, an seinem Lachen, das dunkel war und schreckenserregend, doch nicht bösartig – vor allem freute sich Dionysos. Wiederum ein Bewusstmachen unserer eigenen Tiefe, unserer uralten, archetypischen Bilder.
Überall spiegelt sich ab, was uns den Götterboten bewusster macht, so dies noch: Kurz nachdem Hermes geboren wurde, fand er die Schildkröte und machte ein tönendes Instrument aus ihrem Schild, die Leier. Mit ihr besingt er die Liebe von Zeus und Maia, von seinen Eltern. Apollon hört ihm zu, so lange, bis Hermes ihm diese Leier schenkt. Die Schildkröte symbolisiert die Stütze des Universums, der Panzer den Himmel, in ihr ist Alter und göttliche Weisheit. Sie versinnbildlicht das All und macht uns unsterblich, denn wir können uns zurückziehen, in eine andere, in unsere innere Welt! Aus dieser kleinen Perspektive bereits sehen wir, was alles Merkur uns bewusst macht, wenn wir immer mehr verstehen lernen, was die Bilder eigentlich aussagen.
Der Bote.
Die Sumerer dachten sich den Luftraum mit Geistern erfüllt, es gab damals schon wohltätige Engel so wie Dämonen und Teufel. Auch die israelischen Nomaden fürchteten sich vor den Geistern in der Luft und opferten deshalb Lämmer und Stiere. Und schließlich gehört ja auch der Falke in die Luft, welcher als geistiges Wendigkeit dem Merkur zugeordnet wird. Was bedeutet Botschaft von hier aus gesehen? Es sind die Hymnen, die Psalmen, die Gesänge und Tänze.
Der homerische Hymnos, auch Hermes, bezeichnet die Moiren, die weissagenden Göttinnen, als Bienen ein Symbol der unermüdlichen Arbeit und Beredsamkeit. Die Psalmen Babylons werden einzeln oder im Wechselgesang vorgetragen, oft in fremder, in sumerischer Sprache gleichsam konserviert. Nicht anders wie heute das Ritual und die Liturgie der Römischen Kirche! Aber auch die heiteren Tänze Apollons mit phallischen Symbolen müssen als magischer Zauber, der frei macht, verstanden werden. Bevor ich mitteile, was unser Götterbote, der Hermes, alles getan hat, um seine Vielseitigkeit uns allen zu zeigen, möchte ich kurz auf die römische Götterwelt eingehen. Da gab es den Gott Abeona, der als Geist dem Kind zu Hilfe kam und seine ersten Schritte leitete. Und Fabulina lehrte es sprechen – Luftzeichen, wenn man so will, die das selbstständige Sprechen und Gehen, wie im dritten Haus, in der Schule beeinflussen. In Rom gab es 30000 Götter, ja in Babylon waren es sogar 65000, was analog gesehen einem Heiligen in jedem Dorf gleichkommt.
Maia, jede Nymphe, gebar einen Sohn von großer Schlauheit, einen listigen Schmeichler, einen Räuber und Rinderwegtreiber, einen Traumgeleiter und nächtlichen Späher, wie diejenigen sind, die auf der Strasse, vor dem Tor lauern. Er ist auch der Garant von Maßen und Gewichten, ein Schutzheiliger der Meineidigen; er trägt die Verordnungen und Briefchen von Gott zu Gott oder zu den Menschen mit geflügelten Schuhen, so schnell wie der Sturmwind. Aus dieser Fülle der Eigenschaften kann er – unser Hermes – Aphrodite durch die Luft zu Anchises befördern. Zeus brachte er die in einem Ledersack verborgenen Fuß- und Handsehnen zurück, die ihm der Drache abgeschnitten hatte. Ares befreite er von dem Zwillingspaar, den Aloaden, die ihn in einem Gefäß 13 Monate gefangen hielten. Seine List zeigte sich, als er einen Tag nach seiner Geburt die 50 Kühe des Apollon stahl und „rückwärts“ trieb er sie auf sandigen Boden, so dass die hinteren Hufe vorne waren und die vorderen hinten…..Und er konnte auch zaubern, indem der die Weidenzweige Wurzeln fassen ließ, im Boden sie über Kühe wachsen ließ, so dass er die sich sitzende Aglauros mit einem Schlage seines Zauberstabes in ein Steinbild; jetzt konnte er hingehen in den Raum, wo Herse wohnte, in die er verliebt war. Seine Lügen gegenüber Apollon waren eigentlich keine, denn er sagte zu Zeus: „Vater Zeus, dir sag ich die Wahrheit, denn ich bin wahrhaftig und kann nicht lügen.“ Was war es anderes als ein Überlisten, eine Freude am Wort, in dem so sehe ich es, der uranische Einfall darin steckt? Und Apollo macht ihn zum Gott der Diebe, und beide lachen aus innerer Freude am Wortspiel.
Dass Hermes Persephone aus der Unterwelt befreit, indem er Hades mit milden Worten überredet, das macht seinen Wirkungsraum noch umfassender. Persephone wollte aus dem Dunkel zum Licht, um zu ihrer Mutter zu gelangen – und Hermes sprach mit dem Gott der Toten, dem Gott mit den „dunklen Locken“. Damit verbindet dieser geflügelte Gott die unbewusste, die dunkle Seite mit unserem hellen Bewusstsein. Als Hephaistos ein sehnsuchtserweckendes, schönes Mädchen schuf, das den unsterblichen Göttinnen gleich ist, da befahl Zeus dem Hermes, dem Geschöpf hündische Schamlosigkeit und Betrügerei einzuflössen. Der Bote der Götter pflanzte in ihre Brust Lügen und Schmeicheleien und nannte das Weib Pandora, das verborgene Übel. Schließlich beschwichtigte Hermes Apollon mit der Leier und der wunderbare Ton durchdrang Apollons Herz, süße Sehnsucht ergriff ihn, als er aus seiner Seele zuhörte. Die Leier symbolisiert Frohsinn, Liebe und süßen Schlaf. Und Hermes schenkte sie ihm. Von Apollon erhielt er dafür den Hermesstab und die Gabe des Wahrsagens, nicht aber die höhere Weissagung; letztere entspricht Zeus dem Jupiter.
Unser Verstand.
Die Priester waren es in Sumer, die die Erziehung übermittelten, sie wollten nicht nur herrschen, sondern vor allem belehren. Den meisten Tempeln waren Schulen angeschlossen, wo Knaben und Mädchen im Schreiben du in Arithmetik unterwiesen wurden; eine Vorbereitung bis zum Schriftgelehrten. Schon 2700 vor Christi Geburt wurden in Sumer große Bibliotheken gegründet; man entdeckte mehr als 30000 Tafeln sauber und in logischer Anordnung übereinander geschichtet. Ja bereits 2000 vor Christus wurde von sumerischen Historikern die Geschichte rekonstruiert. Das Gilgamesch – Epos finden wir in seiner Urform auf einer in Nippur aufgefundenen Tafel. Die babylonische Schöpfungsgeschichte besteht aus sieben in den Ruinen der Bibliothek Assurbanipals gefundenen Tafeln. Tontafeln stellen praktisch Handbücher über Astrologie dar, ebenso Abhandlungen über Traumdeutungen, die übrigens mit den fortgeschrittenen Erkenntnissen der modernen Psychologie konkurrieren können. Die Astrologie war eine Spezialwissenschaft, die die Babylonier in der Alten Welt berühmt machte; die Astrologie – die Mitte der Wissenschaft – sollte das zukünftige Schicksal der Menschen anzeigen.
Der Schluss dieser Reise in unsere Bildwelt bezieht sich auf die Vervollkommnung der Sterblichen, auf Prometheus = der zum voraus Wissende. Dieser Prometheus hatte einen wunderschönen ersten Menschen geschaffen und verborgen gehalten. Dies wurde Zeus verraten, der Hermes ausschickte, um den Schönen zu holen. Das Geschöpf erhielt den Trank der Unsterblichkeit – Ambrosia und Nektar als Götterspeise – und glänzt seither am Himmel als Phainon, der Scheinende, wie in Griechenland der Planet Jupiter hieß.
Merkur bereitet ihn vor, den Jupiter, denn keiner von beiden kann alleine bestehen. Merkur und Jupiter gehören in das Kreuz der Veränderung, sie machen bewusst, was wir – so scheint es – in uns lange schon „wissen“!
Jupiter und Merkur im Gespräch.
Wie wir wissen, gehört sowohl der Jupiter wie der Merkur in den Kontaktbereich, und wie wir ebenfalls wissen, will Merkur möglichst viel wissen, um dies so oder so in seiner Vielfältigkeit zu verwenden! An den Jupiter glauben wir fast blind, denn seine überzeugt vorgebrachten Ideale können eigentlich gar nicht falsch sein – wozu darüber nachdenken! – Diese beiden sitzen sich nun gegenüber, Merkur mit leuchtender Krawatte, gut gebügelter Hose, sauberem Hemd und ein kleines Notizbüchlein zur Hand. Jupiter lässig in einen blauseidenen Umhang gehüllt, die Beine übereinander geschlagen und statt des Notizbüchleins ein Kelch Spätburgunder. Da Jupiter in seiner Art großzügig ist, lässt er Merkur den Vortritt im Gespräch:
Merkur: „Ich habe viele Bücher gelesen – noch dazu in verschiedenen Sprachen -, meine Aufzeichnungen dazu gemacht, und möchte heute Abend einen Vortrag in Astrologie halten. Bisschen Angst habe ich schon, denn wie soll ich die vielfache Kombinatorik der Aspekte zueinander auf zwei Stunden Vortrag zusammenpressen?“
Jupiter: „Nimm ein paar Aspektbilder als Beispiel, gehe gleichsam in sie hinein, empfinde sie, lass die Zuhörer miteinander sprechen, und siehe da, auf einmal wird die Kombinatorik lebendig und erklärt sich als eigene Wahrheit! Noch was; trinke davor etwas Wein, das beschwingt, denn was soll der Vitaminstoss von Orangensaft, den du jetzt zu dir nimmst?“
Merkur: „Du hast leicht reden! Wo bleibt die Gründlichkeit, die begriffliche Auseinandersetzung? Die hörenden Menschen wollen doch lernen! Andernfalls wäre mein Vortrag nichts anderes als eine groß angelegte Wiedergabe meiner eigenen womöglich ethischen Empfindung. Mir erscheint dein Rat nur für Fortgeschrittene brauchbar.“
Jupiter: „Ob das ein so genannter Anfänger ist oder einer, der schon 102 Jahre Astrologie betreibt, das dürfte gleichgültig sein! Ich gehe ganz einfach vom Lebendigen aus, vom Lebenssinn, und der zeigt sich in jedem Horoskop, sonst wäre die betreffende Person ja nicht am Leben. Der Glaube an eine höhere Macht ist für die Astrologie Voraussetzung und dies sollen wir uns bewusst machen.“
Merkur: „Ich kann doch keinen Glauben voraussetzen, wenn das Wissen nicht zuvor da ist -, das klingt mir überheblich, entschuldige, da sagen wir – der gibt ganz schön an - . Mit dem Kleinen beginnen, dass verlangt die menschliche Bescheidenheit. Und noch was: Der Merkur ist der Hermes trismegistos, das heißt: ihm stehen alle drei Bereiche des Lebens offen, und das trifft nur auf Merkur zu!“
Jupiter: „Einen kräftigen Schluck trinkend und mit einer großzügigen Geste sich die nächste Zigarette anzündend: Zu Anfang, ob bei den alten Kulturen oder beim Kind war alles ein Bild, und diese Bilder soll der Merkur eben in allen Ebenen bewusst machen. Macht sich dieser kleine Hermes selbstständig, dann vergisst er, woher er kommt. Dies nenne ich Bescheidenheit, wenn er also weiß, woher er kommt. Und dann entsteht daraus die persönliche Freiheit im Denken!“
Merkur: „Ja, du hast schon recht, aber nur von dir aus, ganz subjektiv; aber ich muss jetzt zu meinem objektiven Vortrag schreiten, ich möchte ja, dass mich jeder versteht!“
Jupiter: „Auf Wiedersehen, wichtig ist für mich, dass wir noch ein paar Mal miteinander sprechen, doch so, dass jeder freie mittlere Kreis das Menschliche dabei ist. Wir haben ja alle sowohl das Merkurische wie das Jupiterische oder Joviale zugleich in uns…“
Der Beitrag stammt von meinem alten Freund und Astrologen Fritz Gehre!
Alles liebe!
Arnold