Hi!
Und je "unnatürlicher" eine Reaktion ausfällt, um so "richtig" bist Du gelegen und je mehr der andere sich wehrt und windet oder sich selbst belügt etc., um so genauer hast Du getroffen.
Momenterl -- diese Ebene der Esoterik-Zampanos geht mir nicht erst seit gestern auf den Nerv. Es kannn doch nicht angehen, dass jede ablehnende Reaktion als "Erfolg" verbucht wird. Es soll schon vorgekommen sein, dass Beauskunftete nicht gar so blöd sind, wie manche Beauskunfter meinen. Inzwischen geht mir die Hutschnur schon hoch, wenn ich das glücklicche Gesicht eines "Beraters" sehe, der gerade wieder ein Opfer zum Auszucken gebracht hat, ohne zu wissen, wodurch. Denn meist sind es nicht die Inhalte (denn auf der Sachebene zuckt man nicht aus), sondern die Verpackung, die Emotion hinter der Vermittlung. Ich z.B. zucke aus, wenn ich Bevormundung wittere. Das heißt, ich kann zwar mit dem guten Rat leben, aber die Bevormundung bringt mich auf 180. Das heißt nun nicht, dass der gute Rat nicht angekommen wäre, aber dass die Art der Vermittlung genau meine Saite getroffen hat. Witzig, dass die meisten der Esoteriker bisher nicht geschnallt haben, dass es die Bevormundung ist, die ich nicht vertrage. Die verbeißen sich dann richtig in den "Rat", so blöd der auch sein mag, sind der Meinung, sie hätten genau den richtigen Tipp gefunden und wollen mir ihren Erguss aufpropfen. Sinnlos, denn jede Energie kommt mit der selben Heftigkeit zurück. Sprich: je mehr der Berater "drückt", desto stärker reagiert der Beratete, und die Reaktion hat nichts mit der Sachebene, sondern immer nur mit der Emotionsebene zu tun.
Grundsätzlich sind Fragen ein brauchbarer Weg, kritischere Inhalte zu kommunizieren. Im aktuellen Beispiel (der launische Schriftsteller) muss man den nicht in die Enge treiben ("und wenn du deine Launen unter Kontrolle bekommst, wirst du mehr rausholen"), man kann ihn durch Fragen führen ("Hast du das Gefühl, dass deine Launen deine Schriftstellerei behindern?"). Dann kann er für sich entscheiden...
Gerade bei Künstlern ist eine gewisse Exzentrizität für den Schaffensprozess notwendig -- wenn man hier zu spießbürgerlichem Lebenswandel anregt, darf man sich nicht wundern, wenn die Reaktion heftig ausfällt: man sägt immerhin gerade am Potenzial, und selbst wenn das der Native nicht bewusst wahrnimmt, beim Sägen an der Lebensader springt die Intuition ganz selbstverständlich an...
Im Allgemeinen habe ich häufig den Eindruck, als ob sich (deutschsprachige) Esoteriker nur dann wohl fühlten, wenn sie einen maximalen Schmerz (=Ein-Druck) hinterlassen. In angelsächsischen Diskursen sieht das (meist) anders aus, da wird positiv formuliert, und da werden dem Nativen keine Aufgaben zur Bewältigung seiner Schwächen vor die Tür geknallt, sondern (möglichst) einfühlsam vermittelt, wie der Native seine Stärken verstärken kann -- im Sinne von: "es ist gut, wie du jetzt bist. Wenn du etwas für dich tun willst, mach dies und das. Deine Schwächen sind jenes, und probier' mal, ob's nicht besser geht, wenn du dies und jenes..."
Damit möchte ich auch zum Ausdruck bringen, dass ich es für notwendig halte, bei einer "Lesung" auch zu schauen, was ich dem Nativen überhaupt sagen kann, und wie. Wenn ein Thema auch erst in fünf Jahren ansteht, so kann ich es jetzt thematisieren und damit ein Bewusstsein wecken. Mein Credo lautet, dass wir alle zur maximalen Gelassenheit finden sollten, und wenn ich Sterne deute, dann versuche ich das rüberzubringen. Also keine Horrorszenarien, sondern sanfte Hinweise auf bevorstehende Engpässe, keine Euphorien, sondern Vorbereitung auf eine gute Zeit. Wobei mir auffällt, dass in deutschen Deutungen nur sehr selten gute Zeiten angekündigt werden -- meist wird der Blick auf unsägliche Probleme der dunkelsten Art geleitet und daran herumgemacht. Wenn man sich manche Deutung durchliest, muss man sich wundern, wie der Native es überhaupt geschafft hat, so lange ohne Hilfe eines Kundigen zu überleben...
Gerade bei der Radix-Deutung halte ich den Ansatz, angezeigte Schwächen "korrigieren" zu wollen, für vollkommen missglückte Allmachtsgefühle. Würde es gelingen, die Zeichen der Radix zu "beheben", so wäre die Astrologie bereits widerlegt -- was aber meines Wissens noch nicht passiert ist. Die Radix gilt in vollem Umfang, von der Wiege bis zur Bahre, und man kannn sich mit viel Aufwand dagegen stellen und jeden Tag Kreide fressen, um die Wolfsstimme zu glätten, oder man kann lernen, ein akzeptierter Wolf zu sein. Aber ab und an wird man doch ein Schäfchen fressen müssen, denn deswegen ist man Wolf geworden -- sonst hätte einen das Schicksal als Schäfchen auf diese Welt geschickt. Und auch dem Schäfchen wird es nicht helfen, ein Wolfsfell überzusteifen, um nicht gefressen zu werden.
Also hat man den, der sich beraten läßt, in aller Demut als eigenständiges Wesen zu begreifen, das von sich aus sein Bestes tut, um mit seinem Leben zu Recht zu kommen. Aber in keinem Fall kann die Heftigkeit der Abwehrreaktion zum Indikator für die Qualität und Tiefe der Einsicht des Beraters herangezogen werden. Das wäre so, als ob sich der Erfolg eines Arztes an den Schmerzensschreien seines Patienten messen ließe...