Zum Thema:
Was kann die Astrologie?
Als Reaktion auf die auch im Eingangspost erwähnte ZDF-Magazin-Royal-Sendung über Astrologie, in der die diese nicht gut weggekommen ist, hat der Astrologe Axel Becker auf YouTube folgendes Reaktionsvideo gepostet:
Er möchte darin seriöse Astrologie beschreiben und definieren.
Er wünscht sich darin beispielsweise ab etwas Timecode 1:40 dass analog zu den Grundlagen von Religionen auch die Grundlagen asrtrologischen Denkens in der Schule beigebracht werden, auf dass die Menschen breitflächiger die Möglichkeiten aber auch die Grenzen der Astrologie kennenlernen, auf dass sie nicht mehr so viel auf unseriöse Angebote reinfallen.
Was sind denn aber nun die seriösen Angebote? Was sind die Möglichkeiten? Und wo sehen auch Astrologen die Grenzen?
Ab etwa Timecode 2:20 versucht er eine Gemeinsamkeit der Astrologen dadurch zu definieren, dass sie die Zeit nicht als "leeres Blatt" sehen, sondern dass da Zeitpunkten und Zeiträumen schon Themen vorgegeben wären. Astrologen sprechen da dann von der
Zeitqualität, die man erkennen und beschreiben kann.
Nun gut, dass sich unsere Stimmung, Laune, Verfassung - sowohl individuell als auch gesellschaftlich - etc. auch ohne erkennbare Ursache oder Anlass verändern kann, ist unbestritten
. Ob man das nun schon von der Zeit gegeben zuschreibt oder die Ursachen davon woanders vermutet/verortet, sei dahin gestellt. Aber für meine weitere Argumentation kann man als Prämisse durchaus stehen lassen bzw. annehmen, es gäbe diese Zeitqualitäten.
Axel Becker erklärt später selbst, dass die verschiedenen Astrologie-Schulen, -Traditionen, -Techniken und auch die individuellen Astrologen untereinander sich stark unterscheiden, als dass sie die Zeitqualität gleich und untereinander reproduzierbar deuten würden. Er stellt dann auch selbst klar, dass die Astrologie damit seiner Meinung nach KEINE Wissenschaft wie beispielsweise Physik sei, deren Ergebnisse ja reproduzierbar sein müssen (etwa Timecode 3:30). Er stellt den individuellen Musikgeschmack daneben als Vergleich.
Finde ich persönlich durchaus gut so weit.
Danach im weiteren Verlauf des Videos erhebt er die Astrologie dann aber doch wieder zur Wissenschaft, indem er behauptet, sie könnte Input zur psychotherapeutischen Anamnese (ab etwa 5:50) beisteuern und diese vereinfachen und verkürzen. Ebenso behauptet er (Ab etwa 7:20) , dass Astrologen bei der Auswahl von OP-Terminen sinnvollen Input leisten könnten, sofern es verschiedene Terminoptionen gibt, die untereinander aus medizinischer Sicht gleichwertig sind. Er erwähnt dann auch (etwa bei 9:25) kurz die Wettervorhersage, auf die man sich ha verlasse, wenn man das Haus verlässt.
Er sagt also sinngemäß nicht nur, dass es verschiedene Zeitqualitäten gibt, sondern auch, dass die Astrologie ein Werkzeug zur Zeitqualitäts-Vorhersage wäre, und dass sich die so gewonnenen Aussagen sinnvoll nutzen ließen - z.B. bei der Auswahl von OP-Terminen.
Und DAMIT erhebt er die Astrologie doch wieder zur Wissenschaft.
Eine Wettervorhersage ist genau nur dann sinnvoll, wenn das vorhergesagte Wetter und das tatsächlich eingetretene Wetter statistisch miteinander korrelieren. Je stärker die Korrelation, desto seltener oder schwächer sind Fehlvorhersagen. Die Qualität eines Wettermodells wird an der Stärke dieser Korrelation bemessen.
Wenn ich beispielsweise drei oder vier mögliche Termine für ein (relativ zeitnahes) Open-Air-Event habe, und frage Meteorologen, welcher der Daten am besten geeignet wäre - also das geringste Rosiko für Regen besteht - wird er mir je nach Qualität des Wettermodells eine fundierte Antwort geben können (wobei Vorhersagen weiter als 7 Tage selten hoch-qualitativ sind - siehe
Schmetterlingseffekt), und die Antwort wird häufiger/wahrscheinlicher richtig sein als wenn man die Auswahl reib zufällig geraten hätte.
Kann das die Astrologie auch meistern? Ist gezeigt, dass die austroligisch vorhergesagte Zeitqualität mit der tatsächlichen korreliert, so dass irgendwie wirklich der so ausgewählte OP-Termin besser ist als die anderen, bzw. häufiger ein guter Termin gewählt wird, als wenn man rät? Nur dann könnte die Astrologie wirklich sinnvollen Input liefern (oder worüber man noch Angaben über die Zeitqualität haben wollen würde).
In der zweiten Hälfte des Videos erhebt Axel Becker die Astroligie also doch wieder wieder zur Wissenschaft, obwohl er doch vorher beteuert hat, sie sei es nicht. Seine Ausführungen darüber, wo die Astrologie sinnvolle Inputs geben können soll, überschreiten selbst die von ihm vorher gesteckten Grenzen, weil diese Imputs wissenschaftlich anmutende Annahmen vorraussetzen.
Was denn nun? Was kann Astrologie wirklich? Darüber müssten sich vor allem Astrologen selbst untereinander einigermaßen einig werden.
Im paralelen Thread im Astrologie-Unterforum schrieb dazu
@Donna:
Es geht um was ganz Anderes. Astrologie gehört nun mal zur Esoterik, einer weltanschaulichen Bewegung,
die durch Heranziehung anthroposophischer, metaphysischer u. a. Lehren und Praktiken auf die Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung des Menschen abzielt. Und darum muss sie nicht falsch ein.
Ist die Astrologie deswegen richtig?
Aber das könnte man durchaus so stehen lassen und deklarieren, dass Astrologie nicht empirisch belegbar wäre. Dann sollten die Astrologen, die das so deklarieren wollen, aber auch drauf achten, dass sie auch wirklich keine Behauptungen aufstellen, die empirisch durchaus doch überprüfbar sind. Und es ist nunmal empirisch überprüfbar, ob sich irgendein wirklicher Vorteil ergibt, wenn man eine "Zeitqualitäts-Vorhersage" nutzt, so wie es auch empirisch überprüfbar (und auch schon belegt) ist, dass man seltener z.B. von Regen überrascht wird, wenn man die Wettervorhersage nutzt, als wenn man das erwartete Wetter nur rät.
Auf der anderen Seite gibt es unter Astrologen und Astrologie-Anhängern auch solche Stimmen wie die von
@fckw hier:
Insofern sollten wir uns tunlichst darum kümmern, den Wissenschaftsbegriff zu erweitern - denn der jetztige ist ganz offenbar nicht reichhaltig genug, um die Realität der Astrologie erfassen zu können.
Das ist nichts Neues, es wäre eben ein Paradigmawechsel in der Wissenschaft nötig. Diese Paradigmenwechsel gab es schon viele, und es wird sie weiterhin geben. Aber dazu braucht es gute, überzeugende Argumente, nicht das Aufgeben des Anspruchs auf Wissenschaftlichkeit.
Oder kurz sinngemäß:
"Wenn die Wissenscharft die Astrologie nicht anerkennen kann/will, müssen wir eben die Wissenschaft ändern, damit die Astrologie darin bestand halten kann."
Und DAS kann und darf nicht Sinn der Sache sein. Ich gehe zwar durchaus mit
@fckw weiteren Ausführungen soweit mit, dass Wissenschaft nicht nur empirische Forschung beinhaltet, und dass sich auch Disziplinen Wissenschaft nennen können, die nicht empirisch forschen.
ABER: Aussagen, die empirisch überprüfbar sind - weil sich z.B. daraus implizit statistische Korrelationen ergeben würden, wenn sie denn wahr wären - sollten dann auch weiter empirisch überprüft werden. Und wenn die behaupteten Korrelationen nicht reproduzierbar beobachtet werden in der statistischen Auswertung, dann liegt das sehr wahrscheinlich daran, dass die untersuchte Hypothese schlicht falsch war. Und ob eine Behauptung empirisch überprüfbar ist, ergibt sich aus der Aussage selbst. Das darf nicht einfach weg-deklariert werden.
Also weiterhin die Frage: Was kann die Astrologie?