Wissenschaft=Glaube ?

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Hi Joey,

also nur noch mal zum Begriff der Logik, damit wir das klarer kriegen.

Um erstmal einen Irrtum auszuräumen: Dass man die Logik nicht als einzige Grundlage eines Weltbildes akzeptiert, bedeutet nicht zugleich, dass man ihr überhaupt keine Bedeutung mehr zumisst. Es bringt nichts, hier in einem sturen "Ja oder nein"-Schema zu verhaften.

Ist genauso Quatsch, wie das, was hier manchmal insinuiert wird, dass etwa jemand, der einem nicht ausschließlich rationalen Weltbild anhängt, sich nicht mehr schuldmedizinisch behandeln ließe. Behauptet doch gar keiner!

Es geht beim Nachdenken um Rationalität und Logik im eigenen Weltbild vielmehr darum, seine Axiome klarzukriegen und bewusstzumachen. Denn nur dann kann man an ihnen auch bewusst etwas verändern.

Dazu schnapp ich mir einfach mal einen Satz, den ich oben geschrieben hab, vielleicht wird damit klarer, was ich meine:

Die Logik hilft nur dort, wo die Logik hilft.

Wenn man das so liest, fällt einem mit Sicherheit auf, dass der Satz selbst keinerlei logische Aussage beinhaltet. Ganz im Gegenteil, er ist selbstreferentiell bis in die Steinzeit, im Grunde eine Null-Aussage. Das sollte Vertrauen schaffen, denn es bedeutet nichts anderes, als dass er das System der Logik von außen betrachtet. Einen überzeugten Rationalisten müsste ein solcher Satz eigentlich ziemlich aufregen. Und wenn Dir klar wird, was genau Dich daran aufregt, dann hast Du es!

Wie gesagt, es kommt darauf an, sich seiner Axiome bewusst zu werden. Denn nur dann hat man eine Chance, sie genau so bewusst zu verändern. Dass alles logisch und rational zu funktionieren hat, ist ein Glaubenssatz. Ein nicht hinterfragtes Axiom.

Ist übrigens gar nicht so leicht, den obigen Satz über die Logik seinerseits auf ein Axiom runterzubrechen. Wenn man das tun wollte, müsste das Axiom wohl ungefähr lauten:

Ich schaue, dass es mir gut geht
(und setze die Logik dabei soweit ein, wie sie mir nützt.)

Entscheidend erscheint mir: Diskussionen über die Rolle von Logik und Rationalität in einem Weltbild lassen sich halt einfach schlecht führen, wenn kategorisch behauptet wird, dass Logik und Rationalität alles seien, ein Grundgesetz der Welt. Worauf soll das hinauslaufen: Gegenseitige Überzeugungsversuche? Das ist wie die Diskussion zwischen einem Gläubigen und einem Atheisten. In Abwandlung des obigen Satzes muss man daher auch hier selbstreferentiell (d. h. unlogisch, also wahr:) ) formulieren: Das Diskutieren über diese Frage macht nur so lange Sinn, wie es Sinn macht.

Herzlichen Gruß,

Vitriol
 
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Du schreibst, dass Logik der einzige Weg ist, die Welt zu verstehen. Wie stehst Du zu der These, dass auch unsere Emotionen uns einen Zugang zur Welt eröffnen, der sicheres Verständnis auf einer anderen Ebene ermöglicht. Hattest Du schon einmal eine Freundin? Versuch doch mal, den im Rahmen einer Beziehung auftretenden Phänomenen mit Logik beizukommen. Das ist, als ob Du Deutsch in Frankreich sprichst. Man kann das natürlich machen, aber sehr weit kommt man nicht damit. Die Aussage, dass außerhalb der Logik das "totale Chaos" herrscht, würde mich in dem Zusammenhang eher darauf schließen lassen, dass eine solche Aussage wohl vor allem ein Mensch trifft, der eben keinen anderen sicheren Zugang zur Welt als den Verstand hat.

Gruß, Vitriol

Ich habe den Eindruck dass, wer auf Logik verzichten will oder sie nur selektiv betreibt, den Versuch macht, Schach nach den Regeln von Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen.

Wie willst du über Emotionen zu einem sicheren Ergebnis kommen? Ich möchte Gefühle nicht abwerten, ganz im Gegenteil, Hirn ausschalten kann sehr schön sein, aber zu gesicherten Erkenntnissen kommt man auf diese Art nicht.
Gläubige können mit Atheisten sehr wohl sinnvoll diskutieren, es setzt nur voraus, dass beide bereit zum Zuhören sind und die Grenzen vorher klar abgesteckt werden.

Übrigens, überraschend viele Franzosen sprechen Deutsch. Man kommt sehr weit damit, man muss nur wissen, wies funktioniert. Soll ich dir den Trick verraten? :D
 
:liebe1:


Da stimme ich dir nicht zu. Meine Tochter ist 3 Jahre alt und kann lesen. Warum, weil ich die Kinder auf keinen Fall durch Alter geistig begrenze. Ich habe ihr spielerisch als sie zwei Jahre war das ABC beigebracht. Sie zählt und rechnet in drei Sprachen. Internet nutzt sie wie ich.

Wenn man dem Kind geistig nichts bietet, dann werden sie auch nicht lernen können.

Und meine Tochter ist kein Einzelfall, so habe ich auch mit meiner jungsten Schwester gemacht.


:liebe1:

Den Sinn dieser Antwort verstehe ich nicht, sie passt überhaupt nicht zu meinem Post. Ich habe davon geschrieben, dass die Bewertung von Quellen komplex ist und ein langer Lernprozess nötig ist.
 
Den Sinn dieser Antwort verstehe ich nicht, sie passt überhaupt nicht zu meinem Post. Ich habe davon geschrieben, dass die Bewertung von Quellen komplex ist und ein langer Lernprozess nötig ist.

Ja entschuldige, ich habe dich zu schnell überflogen und missverstanden. Deshalb habe ich meine Antwort so schnell wie möglich löschen wollen. War wohl nicht schnell genug:zauberer1

:liebe1:
 
Hi Pelisa,

Wie willst du über Emotionen zu einem sicheren Ergebnis kommen? Ich möchte Gefühle nicht abwerten, ganz im Gegenteil, Hirn ausschalten kann sehr schön sein, aber zu gesicherten Erkenntnissen kommt man auf diese Art nicht.
Gläubige können mit Atheisten sehr wohl sinnvoll diskutieren, es setzt nur voraus, dass beide bereit zum Zuhören sind und die Grenzen vorher klar abgesteckt werden.

Schau mal, genau das ist es, was ich meine. Du schreibst einerseits, dass Gläubige mit Atheisten sehr wohl sinnvoll diskutieren können. Ja, aber eben nicht, wenn es um die Grundsätze geht. Ist doch eigentlich ein gutes Beispiel hier: Wenn Du schreibst, "Nein, aus Gefühlen heraus gibt es keine Sicherheit", und ich sage "Doch, genau daher kann sie kommen", worüber soll man denn dann noch sinnvoll diskutieren. Soll man noch zehn mal ein "Nein, doch, nein, doch, nein, doch" hin und herschicken? Man kann doch im Grunde nur feststellen: OK, ich glaube dies, Du glaubst jenes.

Ist genau dasselbe wie mit der Logik, die hier diskutiert wird. Wenn mir einer schreibt, er akzeptiert nur Dinge, die sich logisch herleiten lassen, was soll man da sagen. Ist doch OK. Wenn ich dann sage, dass das nur eines von vielen möglichen Weltbildern ist, die andere Seite aber der Meinung ist, dass "nur" ein logisches Weltbild akzeptabel sei, ist es dasselbe wie oben: Man kann die Meinungsverschiedenheit im Grunde nur als solche stehen lassen. Ist sinnlos, sich über sowas verbal die Köppe einzuschlagen. Letztlich muss ich da als guter Diskutant hinnehmen, dass ich die andere Seite eben mit meinen Argumenten offenbar nicht überzeugen kann. Und paradoxerweise, genau das ist ja letztlich auch das Thema hier: Die Flexibilität von Weltbildern aus einer Meta-Perspektive erkennen zu können, bedeutet ja auch gerade auf einer anderen Ebene, eben den folgenden Satz aus voller Überzeugung aussprechen zu können: Vielleicht hast Du recht, und ich liege falsch.

In diesem Sinne, herzlichen Gruß,

Vitriol
 
Hi Vitriol,

lange Antwort, aber wenig Inhalt. Es ist richtig, dass ich deine Aussage, dass man über Gefühle zu sicheren Erkenntnissen gelangen kann, bezweifle, aber ich habe auch gefragt, wie du dir das vorstellst. Diese Frage ist noch immer offen. Schade.

"Glaube" bedeutet für mich bewusster Verzicht auf sichere Erkenntnisse. Das ist für mich so, das muss für niemand anderen so sein, das kann sich selbst bei mir ändern.

"Wissenschaft" ist das, was für alle gilt. Auch hier könnnen sich Erkenntnisse änderen, aber das ist die Folge bewussten Nachfragens, Infragestellens.

Wie gefährlich es sein kann, sich nur auf Gefühle zu verlassen, zeigt das schon erwähnte Heilerbeispiel:
die Schulmedizin kann Angst machen, also Rückzug zum Heiler. Während die Fehler der Schulmedizin übergroß gesehen werden, sieht man nicht mehr, dass der Heiler unter Umständen überhaupt keine gesicherten Erfolge vorzuweisen hat. Erstere wird kritisch gesehen, letzterer nicht. Wäre eine gleiche Bewertung nicht viel zielführender? Auch dann, wenn man sich beim Heiler viel "wohler fühlt" als beim Arzt?
 
Um erstmal einen Irrtum auszuräumen: Dass man die Logik nicht als einzige Grundlage eines Weltbildes akzeptiert, bedeutet nicht zugleich, dass man ihr überhaupt keine Bedeutung mehr zumisst. Es bringt nichts, hier in einem sturen "Ja oder nein"-Schema zu verhaften.

Ist genauso Quatsch, wie das, was hier manchmal insinuiert wird, dass etwa jemand, der einem nicht ausschließlich rationalen Weltbild anhängt, sich nicht mehr schuldmedizinisch behandeln ließe. Behauptet doch gar keiner!

Ich habe auch nie behauptet, dass Du oder andere die Logik komplett aufgegeben haben.

Es geht beim Nachdenken um Rationalität und Logik im eigenen Weltbild vielmehr darum, seine Axiome klarzukriegen und bewusstzumachen. Denn nur dann kann man an ihnen auch bewusst etwas verändern.

Natürlich hat jedes Weltbild Axiome, auch das rein rationale. Auch da habe ich nie was anderes Behauptet.

Dazu schnapp ich mir einfach mal einen Satz, den ich oben geschrieben hab, vielleicht wird damit klarer, was ich meine:

Die Logik hilft nur dort, wo die Logik hilft.

Wenn man das so liest, fällt einem mit Sicherheit auf, dass der Satz selbst keinerlei logische Aussage beinhaltet. Ganz im Gegenteil, er ist selbstreferentiell bis in die Steinzeit, im Grunde eine Null-Aussage. Das sollte Vertrauen schaffen, denn es bedeutet nichts anderes, als dass er das System der Logik von außen betrachtet. Einen überzeugten Rationalisten müsste ein solcher Satz eigentlich ziemlich aufregen. Und wenn Dir klar wird, was genau Dich daran aufregt, dann hast Du es!

Wieso sollte mich der Satz aufregen? Er ist eine Tautologie, in sich geschlossen. Eigentlich ziemlich uninteressant deswegen. Überleg Dir mal, wie groß das Feld ist, wo die Logik hilft. Ich denke, es ist wesentlich größer, als Du denkst.

Um ein kleines Missverständnis auszuräumen: Ich bin kein reiner Rationalist. Ich glaube mehr, als ich beweisen kann (Gott, Jenseits, Reinkarnation... halte ich alles für möglich und glaube teilweise dran). Bei Dingen, die prinzipiel beweisbar oder falsifizierbar sind, bin ich aber streng.

Wie gesagt, es kommt darauf an, sich seiner Axiome bewusst zu werden. Denn nur dann hat man eine Chance, sie genau so bewusst zu verändern. Dass alles logisch und rational zu funktionieren hat, ist ein Glaubenssatz. Ein nicht hinterfragtes Axiom.

Und wo hilft Deiner Meinung nach die Logik nicht? Wie kann z.B. auf der einen Seite die Behauptung stehen, jemand könne heilen, auf der anderen Seite geben Statistiken aber keinerlei bessere Heilung wieder? Da ist die Überprüfung der Aussage fehlgeschlagen, und dennoch wird die Behauptung, man könne heilen, aufrecht gehalten? Und das dann damit zu begründen, dass hier die Logik nicht hilft... das ist nicht zulässig.

Eine Beobachtung, die einer Aussage wehement widerspricht, widerlegt die Aussage. Das hat auch nichts mit Axiomen zu tun.

Wenn ich behaupte, ich würfel immer höher als Du, ist der erst Wurf, in dem ich eine niedrigere Zahl werfe, eine Falsifizierung meiner ersten Behauptung. Wenn ich behaupte, ich kann besser kranke Menschen gesund machen, dann ist eine sorgfältige geführte Statistik (am besten Doppelblind; unter Umständin mit Abstrichen darauf), die keinen signifikanten Überschuss an Heilungserfolgen zeigt, eine Widerlegung meiner Aussage.

Wieso sollte Logik hier nicht helfen? Warum sind diese Punkte im Bereich, wo Logik nicht helfen sollte?

Ich schaue, dass es mir gut geht
(und setze die Logik dabei soweit ein, wie sie mir nützt.)

Das tut jeder. Nur wie weit hilft die Logik? Sehr weit... extrem weit. Weiter als so manch einer sich vorstellt.

Vitriol;713029Entscheidend erscheint mir: Diskussionen über die Rolle von Logik und Rationalität in einem Weltbild lassen sich halt einfach schlecht führen schrieb:
alles[/I] seien, ein Grundgesetz der Welt. Worauf soll das hinauslaufen: Gegenseitige Überzeugungsversuche? Das ist wie die Diskussion zwischen einem Gläubigen und einem Atheisten. In Abwandlung des obigen Satzes muss man daher auch hier selbstreferentiell (d. h. unlogisch, also wahr:) ) formulieren: Das Diskutieren über diese Frage macht nur so lange Sinn, wie es Sinn macht.

Ich habe nie behauptet, Logik wäre alles. Emotionen sind durchaus unlogisch... aber sie helfen nicht, Naturgesetze zu entschlüsseln. Mit ihnen lassen sich keine zutreffenden Vorhersagen treffen. Und mit ihnen lassen sich keine Aussagen überprüfen.

Viele Grüße
Joey
 
Hi Joey,

Überleg Dir mal, wie groß das Feld ist, wo die Logik hilft. Ich denke, es ist wesentlich größer, als Du denkst. (...) Nur wie weit hilft die Logik? Sehr weit... extrem weit. Weiter als so manch einer sich vorstellt.

Insoweit Zustimmung: Ich denke auch, dass die "Logik" einen ziemlich großen Anwendungsbereich hat. Aber genau das impliziert ja, dass es auch Felder gibt, wo sie nicht funktioniert, und nix anderes habe ich ja behauptet. Meine Frage: Glaubst Du, dass man diese "Anwendungsgrenze" der Logik ihrerseits logisch definieren kann? Falls ja: Wie? Wenn nicht: Nach welcher Instanz sonst entscheidest Du, ob Du die Gesetze der Logik anwendest oder nicht?

Gruß, Vitriol
 
Insoweit Zustimmung: Ich denke auch, dass die "Logik" einen ziemlich großen Anwendungsbereich hat. Aber genau das impliziert ja, dass es auch Felder gibt, wo sie nicht funktioniert, und nix anderes habe ich ja behauptet.

Nein, das impliziert es nicht unbedingt. Ein grenzenloses Anwendungsgebiet ist auc hein ziemlich großes Anwendungsgebiet.

Meine Frage: Glaubst Du, dass man diese "Anwendungsgrenze" der Logik ihrerseits logisch definieren kann?

Ja, kann man. Bei jeder nicht falsifizierbaren und nicht verifizierbaren Aussage. Bei jeder Behauptung, zu der kein Test existiert, der die Behauptung widerlegen könnte. Beispiele: "Der Wein schmeckt mir gut." oder: "Gott existiert" ebenso wie "Gott existiert nicht". Diese und ähnliche Sätze kann man in sein persönliches Weltbild einflechten, ohne dass man Gefahr läuft auf irgendwelche Widersprüche zu stoßen. Solche Sätze helfen einem aber nicht, z.B. ein Verständnis der Naturgesetze zu erlangen.

Falls ja: Wie? Wenn nicht: Nach welcher Instanz sonst entscheidest Du, ob Du die Gesetze der Logik anwendest oder nicht?

Ganz einfach: Immer, wenn die Gesetze der Logik anwendbar sind; also wenn sich Aussagen mit Beobachtungen oder anderen Aussagen, deren Wahrheit gegeben oder postuliert ist, verifizieren oder falsifizieren lassen.

Das klappt nicht bei: "Der Wein schmeckt mir gut." Es funktioniert aber wunderbar bei z.B.: "Ich kann durch Handauflegen kranke Menschen gesund machen." Diese Behauptung kann an der Realität getestet werden.

Diese Fragen hat Pelisa Dir aber schon gestellt. Darum auch nochmal: Wo setzt Du die Grenze? Wie können negativ getestete Aussagen dennoch wahr sein? Was spricht bei einer testbaren Behauptung gegen einen Test?

Viele Grüße
Joey
 
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Hi Joey,

Ja, kann man. Bei jeder nicht falsifizierbaren und nicht verifizierbaren Aussage. (...) Ganz einfach: Immer, wenn die Gesetze der Logik anwendbar sind; also wenn sich Aussagen mit Beobachtungen oder anderen Aussagen, deren Wahrheit gegeben oder postuliert ist, verifizieren oder falsifizieren lassen.

Ich glaube, so langsam kommen wir der Sache näher. Wenn ich Dich richtig verstehe, ist für Dich der "Grenzbereich" der Logik die Falsifizierbarkeit einer Aussage anhand bisher schon getroffener Annahmen, die Du als wahr unterstellst.

Über eine solche Definition kann man reden, allerdings verlagerst Du das Problem damit auf die Definition des Begriffs der "Falsifizierbarkeit". Bisher haben wir halt immer auch Beispiele gewählt, die in dieser Hinsicht sehr eindeutig sind (die nach unten fallenden Steine einerseits, die Freundin andererseits).

Was ist denn z. B. mit einer Aussage wie: "Dr. A ist ein guter Arzt." Nehmen wir an, ein Patient trifft nach einer erfolgreichen Behandlung diese Aussage, ohne irgendeinen Anhaltspunkt, dass nicht ein anderer Arzt die Heilung hätte genauso bewirken können. Logisch oder nicht? Wahrscheinlich nicht, weil nicht falsifizierbar. Wie ist es, wenn tatsächlich mehrere seiner Patienten diese Aussage (im Vergleich mit anderen Ärzten, bei denen sie ebenfalls in Behandlung waren) treffen, aber ohne das insoweit eine Statistik existiert? Ändert sich die Beurteilung, wenn eine Statistik erstellt wird? Wenn herauskommt, dass Dr. A tatsächlich in 8 von 10 Fällen heilt, das statistische Mittel aber bei 6 von 10 liegt?

Wird die vorher unlogische "irrationale" Aussage nun logisch? Aber es bleibt doch dieselbe Aussage, oder?

Ein klareres Bild wirft die Diskussion meiner Meinung nach, wenn man seinen Blick auf die den logischen Schlussfolgerungen und der Verifizierbarkeit zugrundeliegende Intentionalität richtet. Das Arztbeispiel ist hierfür eigentlich ganz gut geeignet. Im Kern geht es um SICHERHEIT, und wie man sie erlangt. Ich will einfach deswegen zu einem guten Arzt, weil ich die bestmögliche aller Behandlungen bekommen will. Letztlich ist Logik insoweit eine Entscheidungshilfe, die mir Sicherheit geben soll. Aber nicht die einzig denkbare. Ich behaupte z. B., um bei dem Arztbeispiel zu bleiben, dass die Arzt-Patienten-Beziehung so komplex ist, dass bei der Suche nach dem richtigen Arzt auch die Intuition eine wichtige Rolle spielt. Ein Arzt, der für 8 Leute der Richtige ist, kann für mich der Falsche sein. Die Intuition stellt für mich insoweit eine mindestens gleichrangige Entscheidungshilfe dar. Wozu haben wir Menschen unsere Intuition und Emotionen? Vermutlich zu genau dem Zweck, dass sie uns jahrmillionen lang als wichtige Entscheidungshilfe dienten, die auf ihre Art Dinge genauer erfasst als der Verstand.

Das einseitige Setzen auf Logik wäre vor diesem Hintergrund eher ein Krisensymptom, nämlich ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber anderen Entscheidungsmechanismen, die ich in mir trage, deren ich mir aber nicht sicher bin, weswegen ich ihnen die Verifizierung bzw. Falsifizierung in dem Sinne, ob ein bestimmtes Ding für mich richtig ist, nicht überlassen möchte. Wenn man mal für einen Moment das Bild annimmt, dass es da in uns eine Vorinstanz gibt, die vorab entscheidet, ob für die Lösung eines bestimmten Problems die Logik das richtige Instrument ist, dann ist genau diese Instanz bei einem Menschen, der einseitig auf Logik setzt, möglicherweise in einer problematischen Weise justiert.

Denn er wendet dieses Instrument (der Logik) möglicherweise auch in Fällen an, in denen es nicht passt und schlechte Ergebnisse produziert, und nutzt zugleich sein Potenzial für andere innere Orientierungshilfen, die ihm helfen würden, sich im Leben zurecht zu finden, nur in unzureichender Weise. Insoweit kann sich durchaus so etwas wie ein "Teufelskreis" ergeben, denn: Angesichts der Tatsache, dass diese anderen "Werkzeuge" - wie Intuition und Emotionen - aufgrund der langdauernden einseitigen Betonung des Verstandes ziemlich ungenutzt sind, ist, wenn man nun beginnt, dies zu ändern, eine Phase der Fehlentscheidungen beinahe unvermeidlich. Das Feld des Verstandes wird als sicher und beherrschbar erlebt, ganz anders die Welt der Gefühle und der Intuition. Die Verteidigung der Rationalität kann somit Ausdruck der Angst vor Orientierungslosigkeit angesichts unentdeckter Instanzen in uns selbst sein.

Gruß, Vitriol
 
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