Vorwürfe der Bibelfälschung werden allenthalben erhoben und sind auch nicht von der Hand zu weisen. Aber da hier der Eindruck erweckt wird, ausgerechnet Johannes, der Lieblingsjünger von Jesus, sei der grösste Bibelfälscher gewesen, lasse ich diesen Beitrag unkommentiert. Der Geist, der in dem Johannes-Evangelium lebt, der ist überzeugend und begründet den Glauben, nicht etwelche spätere Textveränderungen, die an der gesamten Bibel vorgenommen wurden.
ELi
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Lieber Eli,
Du missverstehst mich. Ich möchte das Wort Fälschung in diesem Zusammenhang mit dem Neuen Testament überhaupt nicht nennen, denn es wird diesen Schriften nicht gerecht.
Die Evangelien waren zunächst nicht mit einem Verfasser verbunden, das weiß man aus anderen Quellen. Der Kirchenvater Papias hatte so um das Jahr 100 ein Buch mit dem Titel „Die Worte des Herrn“ verfasst. Dazu soll er durch das Land gezogen sein, um die letzten Artefakte zu suchen und Zeugen zu befragen. Papias war es auch, der die Evangelien mit einem Namen verband, nur das Evangelium nach Lukas wurde wahrscheinlich schon immer als solches bezeichnet.
In den Evangelien kann man selbst heute noch, die Entwicklung des Menschen Jesus zu einem entrückten Christos im 1. Jahrhundert nachverfolgen. Während das wohl älteste Evangelium nach Markus gleich mit der Taufgeschichte beginnt, wird die Geburtsgeschichte als Legimitation des Messias erst bei Lukas und Matthäus vorangestellt. Bei Johannes wird zwar auch auf die Geburtsgeschichte verzichtet, dafür geht er aber mit dem Prolog noch einen Schritt weiter, indem er gleich einen direkten Bezug von Jesus zu Gott herstellt.
Bei Markus möchte ich noch einmal an die bis ins 3./4. fehlende Geschichte der Auferstehung erinnern. Das Evangelium endete bis ins 4./5. Jahrhundert mit dem
Vers 16[8].
Und sie (die Frauen) gingen schnell hinaus und flohen vor dem Grab ...
Erst nach diesem Zeitpunkt tauchen dann in den Quellen die Verse 16[9-20] auf. So endet auch der Codex Sinaitikus mit diesem Vers, dem dann der Buchtitel
„Evangelium nach Markus“ folgt.
Wer sich davon selbst überzeugen möchte:
http://www.codexsinaiticus.org/de/m...chapter=16&lid=de&side=r&verse=8&zoomSlider=0
(Aufbereitung: Merlin)
Zum Thema der Namen im Neuen Testament sollte man bedenken, dass es in jener Zeit noch keine erbliche Familiennamen gab. Ein großes Problem, das zum Beispiel mit den Marien in den Evangelien besonders deutlich wird.
Ich habe diese Art der Verwirrung auch schon in einer meiner etwas weiteren Verwandtschaft erfahren, in der es üblich war, den Vornamen des Vaters an seinen Sohn weiterzugeben. Wenn man sich also in der Familie unterhielt, wusst man oft nicht, welcher Robert jetzt eigentlich gemeint war.
Ein anderes Beispiel ist der Name Herodes, der eigentlich eher ein Titel im Sinne eines Königs war. Bei dem, Tod von Herodes der Große, wurde das jüdische Königreich auf seine drei Söhne Antipas, Phillipos und Archelaos aufgeteilt. Diese wurden aber weiterhin mit Herodes angesprochen (Mk 3[6]). Dieses Problem hatte man dann erst in späteren Jahren gelöst, indem man Herodes noch den eigentlichen Namen angefügt hatte (Herodes Antipas usw.). So gibt es auch unter den Jüngern einen Jakobus der Ältere, einen Jakobus der Jüngere.
Man weiß auch im Neuen Testament ohne Zusammenhang nicht immer gleich, ob da nun der Täufer, der Jünger oder ein Evangelist gemeint ist. Bei dem Lieblingsjünger kommt noch ein weiteres Problem dazu, dass er im Neuen Testament eigentlich namentlich nie mit einem konkreten Jünger verbunden wird. Dies Verbindung mit Johannes wurde erst später durch Vermutungen hergestellt.
Ich denke bei alledem, dass es auch nicht so wichtig ist, wer die Evangelien geschrieben hatte, vielmehr sollte das Geschriebene von Bedeutung sein. Zudem hilft die Zuordnung Papias auch bei der Diskussion – man weiß dann auch gleich, in welchem Evangelium man suchen muss.
Sei, wie es will, für mich dürften die Evangelisten Markus und Lukas dem Menschen Jesus noch am nächsten stehen. Ja, um an Jesus und seine Nächstenliebe zu glauben, muss man all dies sicherlich nicht wissen, da reicht es, davon erfüllt zu sein.
Merlin