der ehemalige jesuit und missionar bert hellinger betont an mehreren stellen seiner werke bzw. in interviews die bedeutung von grenzen, an die wir stoßen, und die wichtigkeit, diese grenzen zu achten. grenzen der wahrnehmung, grenzen des sagbaren... und jedes reden über gott stellt eine überschreitung solcher grenzen dar. das wussten schon die verfasser des zweiten der zehn gebote: du sollst dir kein götzenbild machen...
sprache ist immer vereinzelung, herauspicken aus der ganzheit. sprache ist sogar noch weniger als bewusstsein ... sobald ich den scheinwerfer des formulierens auf etwas richte, verliert das drumherum den fokus, ich kann immer nur über etwas bestimmtes und nie über alles sprechen. das betrifft bei weitem nicht nur das reden über gott...
sprache ist aber auch magie, der versuch, unsagbares ins benennbare zu bannen, um es in den griff zu bekommen. und das ist seit jeher ein zug, der allen religionen gemein ist: der versuch, das mysterium zu instrumentalisieren und durch rituale, durch den kuhhandel von opfern, durch beschwörung und überreden berechenbar zu machen, in die eigenen dienste zu spannen. so kommt es letzten endes zur wahnwitzigen idee der kriegsherren aller nationen, gott wäre auf ihrer seite.
und auch in weiten bereichen der esoterik habe ich den dringenden verdacht, es ginge dabei vor allem darum, die besseren tricks zu erlernen, das schicksal umzulenken und im eigenen sinn zu manipulieren. weißgewaschene, schwarzmagische ableger... geht es nicht zu 98 % darum, dass es uns oder irgendwem durch irgendwelche verfahren besser geht? und ist "besser gehen" nicht das volle hineintappen in die dualitätsfalle, ins urteilen, in das selbstgeschmiedete kleine glück à la courts-mahler?
wir sind mit unseren sinnen und organen, zumindest in der aktuell entwickelten ausprägung, gerade mal in der lage, uns gedanklich und physisch in drei dimensionen zu bewegen, die vierte dimension der zeit bereitet uns schon großes kopfzerbrechen, und die vielen weiteren dimensionen, die ja immerhin in der mathematik aufscheinen, sind uns außer in abstrakten formeln schlicht unzugänglich. und mit diesen beschränkten horizonten wollen wir über gott reden?
wie die kinder werden... ja, einsehen, dass wir vielleicht gerade mal in der phase des lallens sind im versuch, unser erkennen auszudrücken.
nun heißt "die grenzen wahren" keineswegs, fatalistisch die hände in den schoß zu legen. ich erlaube mir die sichtweise, dass wir innerhalb unserer engen raum-zeit-koordinaten immerhin ein teil, eine ausprägung, vielleicht pars pro toto des unsagbaren sind, das wir hier und da gott nennen. wir sehen spuren und strukturen, wir schaffen spuren und strukturen in dieser "unserer" welt - im sinne von "uns zugänglicher welt" -, und wenn wir, gespeist aus welchen quellen auch immer, erkennen, dass diese welt nicht alles und nicht das ganze ist, dann heißt das im umkehrschluss nicht, dass sie egal oder null und nichtig wäre.
unsere aufgabe, unsere herausforderung, unser schicksal. das, was uns gegeben ist - vielleicht dürfen wir das biblische gleichnis der talente hier anwenden: was machen wir aus der erde?
mit der erde ist uns auch ihre begrenztheit auferlegt... und doch drückt sich innerhalb dieser grenzen, im mikrokosmos der quanten, in der ästhetik von gedanken und theorien, im wunder der lebendigen organismen, in der kraft unserer emotionen, in der vision des noch nicht seienden alles aus, was wir diesseits uns jenseits aller grenzen haben .... nein: SEIN können.
das schicksal, das gesendete heil, ist das, was uns gegeben ist. es ist, was es ist, sagt die liebe (erich fried). liebe ist: nehmen, was ist. es nicht anders haben wollen, es nicht in ein besseres, höheres, eitleres licht stellen wollen. in aller demut unser sein nehmen und es leben. wenn wir unsere energie darauf verwenden, wahr zu nehmen, was unser SEIN im hier und jetzt ist, erübrigt sich jedes spekulieren über gott.
und: danke für diesen spannenden thread!
im übrigen, der hl. augustinus: herr, ich glaube. hilf meinem unglauben.
alles liebe, jake