Und um die Zeit begannen Deine Empfindungen, nicht zu genügen (12?13?).
13 oder 14 war ich.
Einen Tag vor meiner Firmung ist mein Vater bei einer Baustelle vom Dach gefallen. Da hat meine Mutter einen Brief von seiner damaligen Geliebten (jetzigen Frau) gefunden. Den hat sie mir und meinem Bruder vorgelegt, weil wir ihn unbedingt lesen sollten, damit wir wissen, dass nicht sie Schuld an dem ganzen ist.
Ich sehe heute noch die Handschrift und das Briefpapier vor mir, als wäre es gestern gewesen.
Die "Schuld" lag aber nicht bei mir. Die lag bei meinen Eltern (die dafür nie Verantwortung übernahmen).
Ich hab immer öfter das Gefühl, dass die Menschen keine Verantwortung übernehmen können oder wollen. Schuld sind immer die anderen, das Opfer ist man immer selbst.
Kann es sein, dass Du alles dafür getan hast, dass diese Ehe Bestand hielt - und Dich schuldig fühltest, weil Du es nicht schafftest? Dich als ungenügend empfunden hast?
Oder dass Dein Vater sich als ungenügend empfand und Du das übernommen hast, also (unbewusst) ihm abgenommen hast, um ihm zu helfen?
Und/oder dass Du den "Job", diese Familie zusammenzuhalten, bis heute "übernimmst" und Dich dabei "übernimmst"?
Natürlich hab ich alles dafür getan, dass die Ehe hält. Ich wollte meinen Vater ja nicht verlieren - und in meiner kindlichen Welt wäre eine Scheidung einem Verlust gleich gekommen.
Nach der Scheidung war mein Vater auf einmal weg. Ohne Verabschiedung oder sonst was - er hat einfach seine Kleidung genommen und ist gegangen. Er hat sonst nichts mitgenommen. Eine goldene Regaluhr, die er mal von einem Arbeitgeber für seine Leistungen bekommen hat, hat er auch da gelassen. Die steht heute noch bei meiner Mutter im Wohnzimmer.
Ich hab ihm das lange nicht verziehen, dass er einfach so ohne ein Wort abgehauen ist. Mein Mann hat mal zu mir gemeint, ob ich nicht auch glauben würde, dass er das getan hat, weil ihm die Trennung zu seiner Familie zu sehr weh getan hat und er sich einfach nicht verabschieden konnte.
Diesen "Job" hab ich schon übernommen, denke ich. Ich bin immer um ein gutes Klima und gutes Miteinander bemüht.
Bite verzeih, wenn ich Dir zu nahe trete. Ich bin in solchen Dingen leider oft sehr nüchtern - will Dir aber keineswegs weh tun.
Dafür musst du dich nicht entschuldigen

Mit direkten Aussagen kann ich umgehen und arbeiten

Und du tust mir damit auch nicht weh. Ich brauch diese Nüchternheit, weil ich selbst ja zu vernebelt bin, um irgendwas zu sehen