Du schriebst, dass Orgasmen IN WIRKLICHKEIT im Hirn stattfinden. Jetzt redest du unbestimmt von "Bewusstseinszuständen". Ausserdem gibst du zu, dass man Gefühle nicht nur im Gehirn erlebt.namor schrieb:Hi,
schlafen findet auf der Matratze statt, trotzdem ist der Schlaf ein besonderer Bwusstseinszustand.
Wachen ist ebenso ein Bewusstseinzustand, der vom Schlaf unterschieden ist.
Natürlich erlebt man Gefühle nicht nur im Gehirn, nur ändert das trotzden nichts daran, dass das Gehirn für diese Empfindungen und die Entstehung, sowie Aufrechterhaltung des Bewusstseins zentral ist.
Aber nicht, dass du jetzt sagst, ich hätte behauptet, dass Duschen auch ein besonderer Bewusstseinszustand ist.
MfG
namor
Diese Argumentation ist typisch für die heute am weitesten verbreitete Denkweise, nicht nur du bist ihr erlegen (Lotusz und viele andere genauso). Eigentlich drücken sich alle diese Termini vor der einen Frage: Sind z.B. Gefühle real oder sind sie es nicht? Und genau hier, genau an diesem Punkt, geschieht eine so grosse Verwirrung, dass man nur darüber staunen kann. Die Leute können diese Frage nämlich nicht beantworten, weil sie in ihren Entweder/Oder-Vorstellungen gefangen sind. Entweder findet ein Gefühl nur im Gehrin statt, dann ist es nicht real, oder es findet auch "woanders" statt, dann ist es eben real, dann ist die Erklärung aber mit dem Gehirn als einziger Sitz des Gefühls nicht hinreichend. So, genauso denken heute so gut wie alle Menschen. Das ist aber völlig verkürzt. Denn: Es gibt überhaupt keinen Grund, warum ein Gefühl nicht beides gleichzeitig sein kann: real UND im Gehirn stattfindend!
Der Grund, warum das nicht begriffen wird, ist die nicht genügend klar gezogene Trennlinie zwischen innen und aussen. JEDE Sache hat aber immer gleichzeitig BEIDES, ein Innen UND ein Aussen. Es gibt NICHTS, was nur innen oder nur aussen stattfindet. Z.B. ein Gefühl. Das Innen entspricht dem subjektiven Erlebnis. Das Aussen entspricht den objektiv messbaren Vorgängen. Es ist idiotisch, zu sagen, es gäbe Kausalzusammenhänge zwischen dem inneren und dem äusseren Zustand. Hier liegt keine Kausalität vor, sondern zwei Seiten derselben Münze! Es gibt nicht das Innen, WEIL das Aussen abläuft, und auch nicht umgekehrt. Sondern es gibt das Innen NUR GLEICHZEITIG als Gegenstück zum Aussen.
Wenn also beispielsweise jemand behauptet: "Chakren existieren nicht. Das sind alles nur elektrische/biologische Vorgänge". Dann behauptet er eigentlich so viel wie: "Es gibt nur ein Aussen." Das ist natürlich völlig sinnlos, sowas zu behaupten, weil ein Aussen immer nur existieren kann, wenn es auch ein Innen gibt. Die Erweckung der Kundalini hat zwei Seiten: Die subjektiv erlebte (und vielfach ziemlich lebhaft geschilderte) und die objektiv messbare (und unzulänglich untersuchte). Die beiden schliessen sich nicht aus, sondern sind im Gegenteil Voraussetzungen für die jeweils andere Seite derselben Sache.
Darum kritisiere ich auch ständig Lotusz's Aussagen. Er behaupten nämlich seit einiger Zeit implizit ständig: "Es gibt nur ein Aussen." Und dann muss er die seltsamsten logischen Verrenkungen anstellen, weil diese Sichtweise nie und nimmer all die subjektiv empfundenen Vorgänge hinlänglich erklären kann. Das gilt für alles, auch für Dinge wie "Gott".
Ich verstehe auch, warum viele Menschen das dauernd falsch verstehen, wenn Begrifflichkeiten wie "Kundalini, Erleuchtung, Gott" genannt werden. In der Vergangenheit wurden durch diese Termini oft rein innerliche Phänomene bezeichnet, und es wurde bisweilen sogar ernsthaft so dargestellt, als wären diese Dinge quasi "Magie", irgendwas, was nur Eingeweihte sehen und verstehen können, eben weil die Dinge völlig innerlich sind. Das ist natürlich Dünkel und Unwissen, der dahintersteht. Wenn es einen Erleuchtung gibt, dann muss sich das auf zwei Arten manifestieren: innerlich und äusserlich. Innerlich haben viel Menschen auf dieser Welt Erleuchtung schon erfahren. Es gibt hier relativ gut dokumentiertes, allerdings oft ausschliesslich mündlich verbreitetes Wissen dazu (weil es eben als Geheimlehre konzipiert ist). ABER: Erleuchtung muss auch eine äusserliche Seite haben. Und die ist (vermutlich) tatsächlich nichts weiter als ein paar biochemische/elektrische Vorgänge im Zentralnervensystem des Menschen. Mit andern Worten: Da ist nirgendwo Platz für "Magie" und Obskuritäten. Die Erleuchtung kann nichts dafür, dass die allermeisten Menschen sie auf einen Status erheben, der der Anbetung eines Götzen näherkommt als einer wissenschftlich fundierten Betrachtungsweise. Die Frage, was denn das eigentlich sei, deckt alleine schon diesen Aberglauben der Leute auf.
Und genau als Gegenströmung zum weit verbreiteten Aberglauben an diverse Dinge (Gott, Kundalini, Erleuchtung) haben die Aufklärer dann den Fehler begangen, dass sie plötzlich "zu weit" gegangen sind. Sie haben nämlich schlicht alles, was nicht mit "naturwissenschaftlich" messbar ist als nichtexistent erklärt. Weil alle an ihrem Aberglauben hingen, haben sie sich gesagt: Ich lasse nur gelten, was ich "sehen/fühlen/hören/riechen/schmecken" kann (auch mit dem Verlängerungsarm von wissenschaftlichen Instrumenten)." Mit anerdern Worten haben sie gesagt: "Ab sofort gilt nur noch das Aussen." Damit sind sie aber zu weit gegangen. Sie haben eine nicht rückgängig machbare Konfusion angestellt, denn natürlich gibt es ein Aussen nur, wenn es ein Innen gibt. Was sie nicht verstanden haben, ist, dass das Innen genauso wissenschaftlich prüfbar ist, wie das Aussen - aber, und jetzt kommt der grosse Unterschied, es muss erst INTERPRETIERT werden! Im Innen gibt es nicht einfach richtig und falsch, was messbar und prüfbar ist. Sondern das, was da innen stattfindet, muss aufgedeckt und einer Prüfung unterzogen werden, die nach anderen Kriterien und Gesetzen funktioniert, als Naturwissenschaft, beispielsweise durch eine diskursive Übereinkunft dessen, welches die "richtige Interpretation der inneren Vorgänge" zu sein hat. In diesem Zusammenhang benutze ich eher den Term: "wahrhaftig" um ihn vom Term "wahr/falsch" zur Überprüfung der äusseren Vorgänge abzugrenzen.
Und plötzlich machen ganz viele Dinge Sinn, die zuvor keinen Sinn machten. Wie ist eine Drogenerfahrung zu untersuchen? Auf ZWEI Arten: Erstens innerlich, zweitens äusserlich. Äusserlich kann man die Gehirnströme messen, man kann Blutproben nehmen, usw. Innerlich aber kann man beispielsweise die Mittel der Psychoanalyse benutzen, um verlässliche Aussagen zu erhalten.
Moderne Psychologie benutzt beide Seiten. Einerseits die Strömung der Neuropsychologie, wo geschaut wird, wie die Psyche des Menschen "im Aussen" funktioniert (was zumeist Hirnforschung ist). Diese Forschung bringt beispielsweise Anti-Depressiva als Medikamente hervor. Sie beruht auf der simplen Erkenntnis, dass das subjektive Empfinden durch Veränderungen im Organismus geändert werden kann. Dann gibt es aber auch die Psychologie des Innenraums der Psyche, etwa Freud oder Jung, die Dinge wie kollektive Archetypen untersuchen, die Machtstrukturen in Gruppen verstehen möchten, die die Arbeitsmotivation von Menschen untersuchen usw. Auch hier haben wir's wieder: Innen und Aussen derselben Sache. Es ist einfach sinnlos, das eine auf das andere reduzieren zu wollen und zu behaupten, das eine löse das andere "kausal" aus. Kausalität spielt sich immer nur auf einer Seite der Münze ab, zwischen den beiden Seiten der Münze existiert keine Kausalität, sondern etwas, was man vielleicht "Synchronität" nennen könnte (oder wie auch sonst immer man das nennen will).
So. Ich hoffe, ich konnte klarmachen, was ein Orgasmus ist, und dass die Aussage, er spiele sich in Wahrheit im Gehirn ab ziemlich unsinnig ist.