Ja, warum mag wohl kaum jemand diskutieren? Vielleicht, weil die wenigsten missioniert werden mögen? Oder nicht schätzen, wenn kommunikativ Stricke gedreht werden? Oder darauf verzichten können, wenn weiße Schimmel wie „reale Fakten“ in der Manege herumgeführt werden? Weil andere Diskutanten herabgesetzt werden durch die Verwendung von Begriffen wie „wahrer Astrologe“, ohne zu definieren, was ein „wahrer Astrologe“ ist, woran man ihn erkennt etc.? Oder die Behauptung, man wolle sich selbst nicht realistisch betrachten und könne daher dem „wahren Tierkreis“ nichts abgewinnen?
Wenn man es für dringend geboten erachtet, sich auf diese Weise auseinanderzusetzen, dann ist das meines Erachtens kein Zeichen persönlicher Reife. (Oups, jetzt habe ich es geschrieben, obwohl mein Liebster meint: Du hast Recht, aber erzähle es nicht weiter.)
Zurück zum Thema. Da ich die Bücher von Poweil nicht besitze und auch nicht beabsichtige, sie zu erwerben, habe ich Leseproben durchforstet. Powell ist stark antroposophisch orientiert und kommt daher zu folgender Aussage in „Powell, Robert. Hermetische Astrologie II“:
»Woher komme ich?« Ein erster Schritt zur Beantwortung dieser Frage besteht darin, auf vergangene Inkarnationen zurückzuschauen. Ein weiterer Schritt liegt darin, in den Bereich hineinzuschauen, in dem der Mensch sich zwischen den Inkarnationen aufhält, in den Bereich der Planetensphären, der bis zur Tierkreis-Sphäre der Fixsterne reicht. Hermetische Astrologie bemüht sich nicht nur darum, die vorhergehenden Inkarnationen mit in Betracht zu ziehen, sondern auch das kosmische Leben des Menschen, seine kosmische Existenz, im Bereich der Planeten und des Tierkreises zwischen den irdischen Inkarnationen nicht unberücksichtigt zu lassen.
Quelle: Hermetische Astrologie II - Leseprobe
Wenn man sich die Frage, woher man kommt, anders beantwortet als hier postuliert? Was, wenn man Powell nicht in den Bereich der Planetensphären als Aufenthaltsort zwischen den Inkarnationen folgt, obwohl man Reinkarnation für sehr wahrscheinlich hält? Worin könnte dann der Nutzen in der Anwendung der Erkenntnisse Powells liegen?
Aus einer weiteren Leseprobe (man soll den Urheber doch besser selbst zu Wort kommen lassen):
Zusammenfassend kann man sagen: Der babylonische Tierkreis stammt aus dem 6. oder dem frühen 5. Jh. v. Chr. Er ist als eine Alternative zum System des Zodiak-Gürtels mit den Normalsternen entstanden. Die Einteilung des Tierkreisgürtels in zwölf Zeichen von je 30° Länge geschah analog der schematischen Einteilung des Jahres in 12 Monate von je 30 Tagen. Diese Einteilung findet sich auf der Tafel mul-APIN aus dem 7. Jh. v. Chr. Die Beziehung zwischen dem Tierkreisgürtel der Normalsterne und seiner Unterteilung in Tierkreiszeichen wird im babylonischen Zodiak durch die Annahme der Aldebaran-Antares-Achse hergestellt, wobei Aldebaran und Antares jeweils in der Mitte ihres zugehörigen Sternzeichens liegen (Stier bzw. Skorpion). Die übrigen Normalsterne des babylonischen Zodiaks wurden nach der Annahme der Aldebaran-Antares-Achse durch Tierkreiszeichen und Grade festgelegt, indem man ihren jeweiligen Abstand von dieser Achse maß. Die Beziehung zwischen Normalsternen und dem babylonischen Zodiak der Tierkreiszeichen wurde in einem Sternkatalog festgehalten, der auf diese Weise die Definition des babylonischen Tierkreises darstellt.
Auch hier geht es um eine Definition, also eine willkürliche Setzung, die allerdings begründet ist durch die Annahme einer Achse. Nur ist auch der Beginn des tropischen Tierkreises nichts anderes als eine begründete willkürliche Festlegung, nur eben mit anderen Bezugspunkten.
Was mir allerdings schon aufstößt, ist diese Passage:
Die Eintrittsdaten der Sonne in die Sternzeichen des siderischen Tierkreises sind in der Abbildung 2 veranschaulicht, wobei auch die Beziehung zu den vier Stützpunkten des populär-astrologischen (tropischen) Tierkreises angegeben ist. Am wesentlichsten von diesen vier Stützpunkten ist der Frühlingspunkt, der als Stellung der Sonne zum Frühlingsanfang definiert ist (etwa der 21. März). Denn der Frühlingspunkt ist der Ausgangspunkt „Widderpunkt“ genannt – des tropischen Tierkreises der modernen Populär-Astrologie.
Das ist schon dolle, die ausdauernde Wiederholung und Verknüpfung von populär, astrologisch, tropisch und modern in nur zwei Sätzen. Irgendwie muss man die Botschaft in die Hirne hämmern. Zum anderen finde ich es schon beinahe unseriös, von Sternzeichen zu reden, aber sei es drum. Vielleicht hat der Übersetzer Murks gemacht, vielleicht wird der Begriff als Abgrenzung zu den Tierkreiszeichen gebraucht, wobei das unwahrscheinlich ist, da an anderer Stelle dann doch wieder von Tierkreiszeichen die Rede ist.
Im Gegensatz zum tropischen Tierkreis (Widderpunkt am 21. März) bringt der siderische Tierkreis die Tatsache der Evolution zum Ausdruck, dass wir nämlich verschiedene astrologische Zeitalter im Laufe der Menschheitsgeschichte durchleben.
Dass sich im tropischen Tierkreis die astrologischen Zeitalter nicht abbilden würden, ist Unsinn. Natürlich bildet sich die Verschiebung durch die Präzession ab, nämlich über die sich verändernde Position der Fixsterne. Ob sich darin dann tatsächlich die Evolution abbildet, wäre zumindest diskutabel.
Powell selbst scheint mir gar nicht so dogmatisch unterwegs zu sein, er beschreibt als Ziele seiner Betrachtungen:
Zusammenfassend sollten wir am Schluss unserer Betrachtung über den siderischen Tierkreis noch einmal ihr Ziel und ihre Aufgabe nennen, nämlich erstens die Gedanken und Ideen hervorzuheben, welche sich als bedeutsam erweisen, wenn man die Geschichte des Tierkreises und dessen Überlieferung von Kultur zu Kultur betrachtet, und zweitens zu einem definitiven Tierkreis zu kommen, in dessen Grenzen alle anderen Tierkreise ausgedrückt werden können. Zum zweiten Punkt ist zu sagen, dass wir nichts anderes getan haben, als die ursprüngliche Definition des babylonischen Tierkreises zu nehmen und ihn in Übereinstimmung mit der üblichen astronomischen Praxis formal für den Zeitpunkt 1950.0 zu definieren, so dass er als maßgeblicher Bezugsrahmen Verwendung finden kann. Dabei hoffen wir, dass es so möglich geworden ist, die komplexe Situation zu überschauen, denn wir haben die ursprüngliche Definition des Tierkreises als Bezugsrahmen verwendbar gemacht, im dem alle anderen Tierkreise bestimmt werden können.
Wir sind uns all der Mängel bewusst, welche mit jedem Versuch verbunden sind, eine geistige Realität – den Tierkreis – zu definieren, und wir schätzen die Weisheit des Ptolemäus, keinerlei Grenzen für die Sternzeichen festgelegt zu haben. Nichtsdestoweniger hoffen wir, dass wir zu einer Definition haben finden können, welche allgemein verwendbar und akzeptabel ist.
Quelle: Zu einer neuen Sternenweisheit ->Buchvorschau
Das klingt eher nach einer nützlichen Fiktion bzw. anwendbaren Definition als nach einem Glaubensbekenntnis.
Schönen Tag
Rita