Also. Erstmal danke für die beiden Interviews, ich hab sie mit großem Interesse gelesen.
Ich habe vielleicht nicht klar genug zum Ausdruck gebracht, worauf es mir eigentlich ankommt, also versuch ichs noch einmal etwas präziser zu sagen. Ich lerne unter anderem aus meiner eigenen Erfahrung, daß ernsthafte Beschäftigung mit spirituellen Inhalten (egal aus welcher Ecke der Welt) im Laufe der Zeit dazu führt, daß - so wie drück ich das jetzt am besten aus - sexuelle Betätigung an Wichtigkeit verliert. Und zwar von selbst und ohne aktive Unterdrückung von meiner Seite, es liegt in der Natur der Dinge.

Im Klartext - es geht mir nix mehr ab, wenn ich mit meinem Partner keinen Sex habe (ich gehör nicht zu denen, die sich ein Blatt vor den Mund nehmen) - und das war aber nicht immer so, verstehst du?
Das ändert aber nix daran, daß ich nicht hin und wieder absolut eine lustvolle Nacht genießen kann, und zwar wirklich genießen, mit allen Sinnen, und dazu steh ich auch.
Deine Ausführungen zu dem Thema wirken auf mich insofern krampfhaft, als bei mir der Eindruck entsteht, du seist der Ansicht, man müsse mit aller Kraft so schnell wie möglich sexuelle Interessen überwinden. Das Wort überwinden beinhaltet für mich aber einen Kampf. Was du zu bekämpfen versuchst, wird stärker - analog der Atemmeditation - je mehr du versuchst, die anfänglich wie eine Horde verrückter Affen durch dein Bewußtsein tobenden Gedanken zu verbannen, desto verrückter gebärden sie sich. Wenn du sie aber sanft zuläßt und nur nicht folgst - dann versiegen sie nach einiger Zeit von ganz allein - und die Zeit, die es braucht, bis es ruhig wird im Wald, verkürzt sich allmählich - da erzähl ich dir sicher nix Neues.
Wie aus den beiden Interviews deutlich hervorgeht, bezieht sich Buddha mit seinen eher drastischen Vergleichen eindeutig auf Mönche, auf seine Schüler, die ihm zu folgen versuchen. Das ist aber eben nicht jedermanns Sache. Und sogar in den Interviews wird bestätigt, daß Laien fähig sind, gewisse Stufen der Erleuchtung zu erreichen. Und nun denke ich mir dazu eben, wenn ich auf dem Weg fortschreite und gewisse Fortschritte mache - dann stellt sich ja heraus, will ich nun weitergehen oder nicht. Und dann steh ich vielleicht vor gar keiner Entscheidung mehr, weil Sex nicht mehr wichtig ist in meinem Leben. Dann ist das Verlangen danach aber ganz von selbst gegangen - ohne Kampf, verstehst du? Und dann muß Buddha nicht noch drei weitere Regeln für mich dazuerfinden, mit was sonst allem ich noch keinen Sex haben darf(duweißtschon

).
Nun sagt Chidananda, Tantra ist für Theravadins kein Buddhismus. Das ist ein möglicher Standpunkt. Allerdings ist es ja eben nicht so, daß Tantra in tibetisch-buddhistischem Sinn unbedingt mit Sexueller Betätigung verbunden ist. Tantra besteht dort aus verschiedenen Stufen, und der Punkt dabei ist immer, die Freude, die aus den Sinnen entspringt, die Lebensfreude also, der eigenen Entwicklung zu widmen, sie in etwas zu verwandeln, was nicht den Sinnen verhaftet ist. Das ist ein langes Kapitel und sprengt den Rahmen hier.
Worauf es mir ankommt, ist eben genau der Punkt: man muß nichts aktiv unterdrücken, um es nicht mehr zu tun. Darauf kommt es mir an, und dahingehend meine ich auch den Satz "Es gibt mehrere Wege zur Seligkeit". Für die einen ist es richtig, sich an eine strenge Disziplin zu halten und mit vielen Regeln zu leben, um das Verhalten zu vermeiden, über das sie hinausgelangen wollen. Für die anderen ist es sinnvoller, den Becher auszutrinken - und dann gesättigt zu sein und so über das Verlangen hinauszukommen.
Hoffe zur Begriffsklärung beigetragen zu haben, sachlich

Liebe Grüße
Kinnaree