Meditation und Enthaltsamkeit

Der Unterschied zwischen dem Hinayana und dem Mahayana - Teil 1

Durch die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Wegen zur Buddhaschaft (Paccekabuddha, Savakabuddha, Sammasambuddha (Bodhisatta)), auf die ich später noch einmal eingehen möchte, stellte ich mir die Frage, wo eigentlich die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Hinayana und dem Mahayana sind, wie der Mahayana sich überhaupt entwickelte und was eigentlich unter dem "Mittleren Weg" zu verstehen ist, der ja bei der Entstehung des Mahayana eine sehr entscheidende Rolle gespielte.

Ein wichtiger Unterschied im Buddhismus besteht zwischen dem Hinayana und dem Mahayana. Der Hinayana (Theravada) ist die älteste und einzige noch ursprüngliche Form des Buddhismus. Er beruft sich auf die Lehren Buddhas. Der Hinayana-Buddhismus beruft sich vor allen Dingen auf den südbuddhistischen Kanon (Kanon - d.h. die Schriften, der Dreierkorb (Tripitaka), wurde vom buddhistischen Konzil anerkannt). Der süddbuddhistische Kanon wurde in der Sprache Pali, einem Vetterndialekt des Sanskrit, verfasst. Buddhhas Muttersprache dagegen war Magadhi, der Dialekt der Provinz Magadha (Bihar), in der Buddha aufgewachsen und 40 Jahre lang seine Lehre verkündete. Der Ausdruck „südbuddhistischer“ Palikanon ist übrigens nur insofern gerechtfertigt, weil dieser Kanon sich besonders bei den Buddhisten in Südindien, Ceylon (Sri Lanka), Birma und Siam verbreitete. Die dem Palikanon zugrunde legenden Texte aber haben keinerlei Beziehung zum Süden, sie haben nicht einmal Kenntnis von Südindien oder Ceylon. Alles deutet darauf hin, dass die altbuddhistischen Palitexte in Nordindien entstanden und dann durch den Bruder König Asokas, nach anderer Überlieferung vom Sohn König Asokas, nach Ceylon gebracht wurden und dort ihre Verbreitung fanden. Der Palikanon ist wesentlich älter als der nordbuddhistische Sanskrit-Kanon, auf den sich der Mahayana-Buddhismus beruft.

Der Palikanon wurde in drei Konzilen, die im 5., 4. und 3. Jahrhundert vor Christus stattfanden, verabschiedet. Buddha lebte vermutlich zwischen 563 - 483 v. Chr.. Das 1. buddhistische Konzil fand kurz nach Buddhas Tod im Jahre 473 v. Chr. in Rajagriha statt. Im antiken Indien war Rajagriha (Pali: Rajagraha, heute: Rajgir) die Hauptstadt des Königreichs Magadha. Nach dem ersten buddhistischen Konzil löste Pataliputra (Pali: Pataliputta, heute: Patna) Rajagriha als Hauptstadt ab. Das 2. buddhistische Konzil fand 383 v. Chr. in Veasali (Indien) statt. Das 3. buddhistische Konzil fand 253 v. Chr. in Pataliputta (Indien) statt.

Der südbuddhistische Palikanon wurde zunächst nur mündlich überliefert. Erst der singhalesische König Vattagamani (die Singhalesen sind die größte ethnische Gruppe in Sri Lanka) ließ den Palikanon im 1. Jahrhundert v. Chr. Niederschreiben. Der Hinayana-Buddhismus bestand einst aus insgesamt 18 Schulen, von denen heute nur noch der Theravada-Buddhismus existiert.

Der nordbuddhistische Sanskrit-Kanon ist dagegen der wesentlich jüngere Kanon. Er entstand erst im 1. Jahrhundert n. Chr.. Der Sanskritkanon trägt genenüber dem wesentlich älterem Palikanon wesentlich sekundärere Züge. Die eingestreuten Palismen beweisen, dass der südbuddhistische Palikanon die Grundlage für den nordbuddhistischen Sanskritkanon war. Der nordbuddhistische Kanon hat sich vor allen Dingen zunächst in den Himalaya-Ländern, zunächst in Nepal und Tibet verbreitet, dann aber auch in der Mongolei, China und Japan.

Während sich aus dem südbuddhistischem Palikanon der Hinayana entwickelte, der sich auf die ursprüngliche Lehre Buddhas beruft, und der die Sprache des Pali beibehielt, ist der Sanskritkanon in die Sprachen seiner Heimatländer übersetzt worden. Aus dem Sanskritkanon ging dann der Mahayana hervor.

Aus dem Mahayana heraus entwickelte sich später der Vairayana, der im allgemeinen auch als tibetischer Buddhismus oder als tantrischer Buddhismus bezeichnet wird, der chinesische Chan-Buddhismus und der japanische Zen-Buddhismus. Der Vajrayana wird neben dem Hinayama und dem Mahayana als die dritte Hauptrichtung des Buddhismus betrachtet. Der Vajranaya stützt sich auf die philosophischen Grundlagen des Mahayana, auf den „Mittleren Weg“. Der Mittlere Weg beruht auf der Philosophie Nagarjunas, der im 2. Jahrhundert n. Chr. lebte und der die Leere (Shunjata) in den Mittelpunkt seiner Philosophie stellte.

Quelle: Prof. Dr. habil Kurt Leider - Buddha

Die Philosophien der Sarvastivadin und der Sautrantikas

Um die Leerheit zu verstehen, muss man wissen, dass es zur Lebenszeit Nagarjunas zwei extreme Philosophien gab, die einerseits von den Sarvastivadin und andererseits von den Sautrantrikas vertreten wurden, die unterschiedliche Auffassung in den Grundelementen der Daseinsfaktoren (Daseinsfaktoren: 1. Körper, 2. Gefühl, 3. Wahrnehmung, 4. Wille, 5. Bewusstsein) hatten. Sowohl die Sarvastivadin als auch Sautrantrikas waren Vorläufer der Mahayana-Buddhismus. Die Sarvastavadin hatten sich nach dem 3. Konzil um 250 v. Chr. wegen Meinungsverschiedenheiten von den Tharavada-Buddhisten getrennt. Ihre Lehre bildete einen Übergang vom frühbuddhistischen Hinayana zum Mahayana. Die Sautrantrikas wiederum hatten sich um 150 v. Chr. von den Sarvastavadin getrennt. Beide Schulen gingen im 11./12. Jahrhundert n. Chr. mit dem Niedergang des Buddhismus und dem Aufkommen des Islam in Indien unter.

Die Sarvastivadins vertraten die Auffassung, dass er möglich war, die Daseinsfaktoren unmittelbar und direkt wahrzunehmen. Sie unterschieden 4 Stadien, die den Prozess der Vergänglichkeit durchliefen:

1. Entstehung
2. Dasein
3. Verfall
4. Zerstörung

Da die Existenz der Daseinsfaktoren stets mehrere Augenblicke andauerten, müssten sie auch in den Vergangenheit und Zukunft existent sein. Der heutige Zustand ist also auf bestimmte Bedingungen, die in der Vergangenheit auftraten, zurückzuführen. Und die heutigen Bedingungen bestimmen somit die Zukunft. Es gab den Sarvastivadin zufolge, eine direkte kausale Verbindung zwischen den Daseinsfaktoren und der Zeit. Damit sprachen sie den Daseinsfaktoren eine dauerhafte Eigenexistenz, eine Seele, zu. Die Daseinsfaktoren hatten also eine ewige Existenz und wechselten ihrer Auffassung nach, aus einem Zustand der Latenz, in der sie sich, je nach ihrer karmischen Bedingung, entweder in einem himmlischen Paradies oder einer Hölle aufhielten, wieder in die menschliche Existenz. Nachdem die Daseinsfaktoren für die Zeit des menschlichen Lebens wieder eine Bindung mit dem Leben eingehen, verlöschen sie mit dem Tode des Menschen nicht, sondern bleiben solange in ihrem Potentialität erhalten, bis sie erneut aktiviert werden. Erlösung entspricht im Sarvastivada dem Zustand, indem kein Daseinsfaktor mehr aktiviert wird. Damit kommt der Lebensstrom des Erlösten zum Stillstand, der als Nirvana bezeichnet wird. Die Sarvastivadin sprachen den Daseinsfaktoren also eine „Eigenexistenz" zu (d. h., dass sie aus sich selbst heraus existieren können) und betrachteten sie als „höchste Wirklichkeit“ (Gott). Mit anderen Worten kann also gesagt werden, dass die Sarastivadin der Reinkarnationslehre anhingen, während die Sautrantiker die Reinkarnationslehre ablehnten.

Die Sautrantikas kritisierten die Vorstellung einer (göttlichen) Eigenexistenz, die die Sarvastivadin den Darseinsfaktoren zusprachen. Dies war für die Sautrantikas ein Verstoß gegen Buddhas Anatta-Lehre (Nicht-Selbst), die die Existenz eines unveränderlichen Selbsts, einer Seele, ablehnte. Die Sautrantikas vertraten in Übereinstimmung mit den Theravadins eine Lehre der Augenblicklichkeit, demzufolge die Daseinsfaktoren im selben Moment entstehen und vergehen. Demnach besitzen die Daseinsfaktoren also weder zeitliche noch räumliche Ausdehnung und unterliegen keinem linearen Ursache-Wirkungs-Prinzip. Vor ihrem Entstehen waren sie nichtexistent und nach dem Erlöschen besitzen sie ebenfalls keine Existenz. Da die Daseinsfaktoren so kurzlebig sind, dass sie nicht unmittelbar wahrgenommen werden können, rückten sie das Bewusstsein ins Zentrum ihrer Analyse. Sie stellten sich einen Bewusstseinsstrom vor, in dem die Eindrücke der Daseinsfaktoren wahrgenommen und bewertet wurden. Erlösung bedeutete für die Sautrantikas, das Abreißen dieses Bewusstseinsstroms.

Man kann sich dieses vielleicht in etwa wie folgt vorstellen. Der Mensch erfährt durch die Wahrnehmungsfaktoren Angst, Leid und Schmerz, aber auch Lust und Freude. Sie entstehen und vergehen gewissermaßen gleichzeitig. Dadurch ergibt sich ein Bewusstseinsstrom, der die Empfindungen wahrnimmt und sie beurteilt. Erlösung stellt sich in dem Moment ein, indem man sich aus diesem Bewusstseinsstrom löst. Damit löst man sich sowohl von der Verhaftung an Leid und Schmerz, aber auch an die Verhaftungen von Lust und Freude. Alle diese emotionalen Zustände bestehen zwar weiterhin und man empfindet sie auch, aber man verhaftet sich nicht daran. Sie werden gewissermaßen als „neutrale“ Empfindungen wahrgenommen.

Mir persönlich ist diese Betrachtung der Sautrantikas etwas zu theoretisch. Geht es im Endeffekt nicht darum, das Leid aus seinem Leben zu verbannen? Ich halte die Lebensfreude für etwas ganz natürliches, solange man nicht darin verhaftet. Ein gesunder Mensch wird eine ganze Menge Lebensfreude erfahren. Mir fallen in diesem Zusammenhang immer die Zugvögel ein. Wenn man sich einmal den Gesang der Zugvögel anhört, wenn sie nach dem Winter wieder aus dem Süden zu uns zurückkehren, so ist ihr Zwitschern von einer Lebensfreude geprägt, die man nur mit Seligkeit bezeichenen kann. Schaut man sich weiter an, mit welchem Übermut besonders junge Tiere den lieben langen Tag verbringen, so erkennt man, dass sie ebenfalls voller Lebensfreude sind. Die gleiche Wonne und Zufriedenheit kann man bei kleineren Kindern sehen. Sie strahlen vor Glück. Man muss sie einfach gerne haben.

Darum halte ich Glück und Zufriedenheit für etwas vollkommen normales. Das Problem ist das Leid, welches sich im Laufe unseres Lebens einschleicht und immer mehr Besitz von uns ergreift, bis es schließlich die Oberhand gewinnt und unser Lebensglück vertreibt. Dadurch verändert sich natürlich unser Empfinden, unser Bewusstseinstrom. War er ursprünglich gekennzeit von Lebensfreude, so ist er in späteren Lebensjahren oft vom Leid geprägt. Depressionen, psychosomatische Erkrankungen, Schmerz und Angst bestimmen dann vielfach unser Leben.

Was ist also zu tun? Wir müssen uns bemühen, die Ursachen des Leides zu beseitigen. Das meiste Leid wird in der Regel dadurch verursacht, dass wir uns durch unsere permanente sexuelle Aktivität der Lebensenergie berauben, die uns die Seligkeit bescherte, die wir einst besaßen. Unser sexuelles Verhalten, welches vielfach einen Suchtcharakter trägt, ist zwar nicht die alleinige Ursache für unser Unglücklichsein, aber sie ist die Hauptursache für unser Unglücklichsein. Daneben sind es die vielen emotionalen Verletzungen, die uns im Laufe des Leben zugefügt wurden, denen wir uns nicht gestellt haben und die deshalb nun aus dem Unterbewusstsein auf uns einwirken, die unser Unglücklichsein bedingen. Will man sich von diesen emotionalen Verletzungen befreien, dann muss man bereit sein, sich mit ihnen auseinander zu setzen. Das erfordert enorm viel Mut und Kraft, zumal man alles das, was man bisher „hinuntergeschluckt“ hat, wieder an sich herankommen lassen muss. Man wird die Wut, die Trauer, die Verzweiflung erneut empfinden, die man seinerzeit hinunter geschluckt hat und man muss Wege finden, den Hass und die Tränen in die richtigen Kanäle zu leiten, um sie abzulegen.

Quelle: Sarvastivada
Quelle: Sautrantika
 
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Der Unterschied zwischen dem Hinayana und dem Mahayana - Teil 2

Der mittlere Weg Nagarjunas

Das Hauptmotiv für Nagarjunas Lehre vom mittleren Weg, war die Wiederherstellung der Lehre Buddhas, deren Kerngedanke, die Anatta-Lehre, die Lehre vom Nicht-Selbst, man durch die buddhistischen Schulen der Sarvastivadins und Sautrantikas aus den Augen zu verlieren drohte. Dem „Ewigkeitsglauben“ der Sarvastivadins, der sich an die theistische Philosophie der Samkhya anlehnte, bzw. einer pantheistischen religiösen Weltanschauung (alles ist göttlich, Gott ist in allen Lebewesen, Pflanzen und auch in toter Materie) folgte, der von einer immerwährenden Reinkarnation ausging, und der „Vernichtungslehre“ der Sautrantikas, die der naturphilosophischen Vaisheshika-Philosophie folgten, die allerdings ebenfalls theistische (religiöse) Ansätze hatte, und davon ausging, dass die Daseinssgruppen wie in einem Bewusstseinsstrom unaufhörlich entstehen und wieder vergehen, setzte er konsequent den mittleren Weg entgegen. Die detaillierte Ausarbeitung des Leerheitsbegriffes (Sunyata), im direkten Zusammenhang mit dem „Entstehen in Abhängigkeit“, sowie der Weiterentwicklung der „Lehre der zwei Wahrheiten“ zählen zu den von Nagarjuna geleisteten Beiträgen, die ihn zu einem der einflussreichsten buddhistischen Denker Indiens machten.

Was heißt dies im Einzelnen? Für die Sarvastivadin existierten die Daseinsfaktoren in einem zeitlosen und verborgenen Latenzzustand, den sie karmisch bedingt verlassen, um wieder zu reinkarnieren, wobei sie Verbindungen mit den Daseinsfaktoren (Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Willen, Bewusstsein) eingehen. Nach dem Tode verlöschen sie aber nicht vollständig, sondern bleiben in ihrer Potentialität im Latenzzustand erhalten, bis sie erneut reinkarnieren. Die Sarvastivadins sahen ihre Existenz in einer höheren (göttlichen) Wirklichkeit eingebettet.

Diese Auffassung war für die Sautrantikas ein Verstoß gegen die zentrale buddhistische Lehre vom Nicht-Selbst, derzufolge es so etwas wie ein (göttliches) Selbst, eine Seele (Atman) nicht gab, denn die Erhöhung der Daseinsfaktoren auf eine übergeordnete Realitätsstufe, hätte die Daseinsfaktoren ebenfalls zu einem „unwandelbaren (göttlichen) Selbst“ erhoben. Die Sautrantikas vertraten dagegen eine Lehre der Augenblicklichkeit, nach der die Daseinsfaktoren unmittelbar entstehen und augenblicklich wieder vergehen. Sie besitzen dabei keinen zeitlichen Zusammenhang und unterliegen keinem Ursache-Wirkungs-Prinzip. Vor dem Entstehen waren die Daseinsfaktoren also nicht existent und nach dem Vergehen gehen sie wieder in die Nichtexistenz.

Die Haltung der Sarvastavadins betrachtete Nagarjuna als „Ewigkeitsglaube“, da sie die Daseinsfaktoren zu etwas ewig existierendem emporhoben. Die Lehre der Sautrantikas betrachtete Nagarjuna dagegen als „Vernichtungslehre“, da sie die Daseinsfaktoren vor ihrer Entstehung und nach ihrer Entstehung als nichtexistent betrachteten. Beide Ansichten waren für Nagarjuna mit Buddhas Lehre vom „bedingten Entstehen“ und der „Leere“ nicht vereinbar. Nagarjuna betrachtete die Daseinsfaktoren als nicht ewig, da sie in Abhängigkeit von bedingen Faktoren entstehen. Sie werden jedoch auch nicht vernichtet, da sie aufgrund ihrer Abhängigkeit keine Eigenexistenz besitzen.

Um dieses etwas besser zu verstehen, soll an einem Beispiel gezeigt werden, wie die Aussagen Nagarjunas gemeint sind. Ein Baum ist abhängig von den verschiedenen bedingenden Faktoren: Wurzeln, Stamm, Ästen, Zweigen, Blättern, Nährstoffen im Boden, Wind, Regen, Sonneneinstrahlung usw.. Der Baum hat aus diesem Betrachtungswinkel gewissermaßen keine Eigenexistenz, sondern wird erst durch das Ineinandergreifen diverser Faktoren ins Dasein gehoben. Das ganze Universum wirkt mit an diesem einen Baum, da alle Faktoren einander bedingen. Entfiele ein Faktor, so hat dies Auswirkungen auf alle anderen Faktoren, da sie alle miteinander in Verbindung stehen. Da alle Phänomene wechselseitig bedingt sind, existiert kein Phänomen aus sich selbst. Folglich sind alle Phänomene leer. Wäre der Baum ein eigenständiges Phänomen, besäße er eine Eigenexistenz, so könnte er nicht wachsen und gedeihen, da er für sein Vorhandensein nichts anderes benötigte, als sich selbst. Somit würde er dem Prozeß von Entstehen und Vergehen nicht unterliegen und wäre gewissermaßen unsterblich. Dies jedoch widerspricht der Realität.

Die Dinge sind, laut Nagarjuna, also ohne Selbst (Seele), ohne Eigenexistenz (etwas, das aus sich selbst heraus existiert, das für sein Vorhandensein, keine Bedingungen benötigt – der Atman wird beispielsweise als eigenexistent betrachtet) und leer, da sie infolge der Abhängigkeit von bedingten Faktoren, über keine Eigenexistenz verfügen.

Nach Nagarjuna sind die Sarastivadin und Sautrantikas in zwei Extreme verfallen, dem er den mittleren Weg entgegenstellte. Beide Schulen waren seiner Ansicht nach vom buddhistischen Weg abgewichen, deren Zusammenfassung Buddha in einer seiner Lehrreden wie folgt erläuterte: „Nur eines Lehre ich, das Leiden und die Aufhebung des Leidens.“ Für Nagarjuna ist ebenso wie für Buddha, die Unwissenheit, eine der Hauptquellen des Leidens. Sie gilt es abzubauen, um sie durch Erkenntnis und Wissen zu ersetzen. Nur weil die Phänomene leer sind, so argumentiert Nagarjuna, können sie entstehen und vergehen. Wären die Phänomene nicht leer, gäbe es keinerlei Entwicklung. Alles wäre statisch, unveränderlich, in Ewigkeit erstarrt. Die Welt ist für Nagarjuna, wegen des Fehlens der Eigenexistenz, keine Welt des Seins, sondern des ständigen Werdens.

Vom Standpunkt der Erlösung gibt es keine Differenzierung zwischen den bedingten Erscheinungen der Daseinswelt und dem unbedingten Nirvana. Nur derjenige, der nicht zur Weisheitserfahrung der universellen Leerheit gelangt ist, errichtet eine Grenze zwischen Samsara und Nirvana, die es nicht gibt. Da die Leerheit gleich Erlösung ist, befinden sich alle Wesen bereits im Zustand essenzieller Erlöstheit. Es gilt also lediglich, sich dieser Erlöstheit bewusst zu werden, und sie zu erkennen. Doch dieses Erkennen, so mahnt Nagarjuna, ist nicht als ein persönlicher Vorgang zu verstehen. Er macht auf den Widerspruch aufmerksam, der in der Vorstellung zu Tage tritt, das Nirvana "haben", "erringen", "erlangen" oder "verwirklichen" zu wollen:

Erlöschen werde ich ohne Ergreifen; mir wird Nirvana sein! – Diejenigen, die in solchem Wahn gefangen sind, die sind vom Ergreifen besonders gefangen.​

Laut Nagarjuna ist mit dem Begriff der Leerheit äußerst vorsichtig umzugehen. Sie ist als heilsames Konzept gedacht, um von extremen Ansichten zu befreien. Sie kann jedoch, wenn sie missverstanden wird, auch Schaden anrichten:

Die falsch aufgefaßte Leerheit richtet den, der von schwacher Einsicht ist, zugrunde – wie eine schlecht ergriffene Schlange oder falsch angewandte Magie.​

Quelle: Nagarjuna
 
Ein Guru muss keineswegs in den Schriften bewandert sein. Er kann auch völlig unbelesen sein. Das wichtigste findet er nicht in den Büchern, sondern ausschliesslich in sich selbst.

Ja, sicher.
Ein Erwachter kann sogar Analphabet sein, auch stumm oder blind. das kann sogar von Vorteil sein. Nur wird er dann wahrscheinlich kaum Schüler oder Anhänger haben, was ihn aber eher nicht stören wird.:)

Doch wenn sich bei einem Guru Anhänger und Schüler eingefunden haben, ist es von Vorteil, wenn er sich in den Schriften auskennt. Dies vor allem in unserer Epoche, welche von der unheilvollen Allianz der Vernunft, des Verstandes und des Intellekts dominiert wird.

Eine Frage noch:
Wenn das Wichtigste ausschliesslich in uns selbst zu finden ist, warum bist du dann so intensiv mit dem Studium der Schriften beschäftigt?

Gruss Ch'an
 
Ch'an schrieb:
Wenn das Wichtigste ausschliesslich in uns selbst zu finden ist, warum bist du dann so intensiv mit dem Studium der Schriften beschäftigt?

Du meinst also, es gibt eine Weisheit, eine Art von Wissen die alles intellektuelle Wissen übersteigt ... die man nicht über die Schriften lernen, sondern selber praktisch erfahren kann und muss ... und das IN UNS? :D

lg
Topper
 
Hej Opti,
im Beitrag #1291 steht u. a. folgendes zu lesen:
Um die Leerheit zu verstehen, muss man wissen, dass es zur Lebenszeit Nagarjunas zwei extreme Philosophien gab, die .....

Warum sollte das Wissen um diese zwei Philosophien
1. eine Voraussetzung sein um die Leerheit zu verstehen und
2. eine Garantie das die Leerheit aufgrund dessen verstanden wird?
 
Hej Opti,
im Beitrag #1291 steht u. a. folgendes zu lesen:
Um die Leerheit zu verstehen, muss man wissen, dass es zur Lebenszeit Nagarjunas zwei extreme Philosophien gab, die .....

Warum sollte das Wissen um diese zwei Philosophien
1. eine Voraussetzung sein um die Leerheit zu verstehen und
2. eine Garantie das die Leerheit aufgrund dessen verstanden wird?

Ich glaube ehrlich gesagt, dass die Leerheit eigentlich nicht so wichtig ist. Nāgārjuna warnt sogar mehrfach davor, die Leerheit nicht mit einer hinter der Welt liegenden "Realität" oder einer Ansicht zu verwechseln, die diese Realität repräsentiert. Man sollte sich davor hüten, sie ihrerseits zum Träger einer Substanz oder gar zum "wahren Wesen" der Phänomene, einem Absoluten, zu machen. Die Leerheit ist für Nāgārjuna vorrangig im Sinne eines Hilfsmittels zu verstehen, das als solches nicht vergegenständlicht werden darf:

Die Leerheit wurde von den "Siegreichen", den Buddhas, als Zurückweisung jeglicher Ansicht gelehrt. Diejenigen aber, für welche die Leerheit eine Ansicht ist, die wurden für unheilbar erklärt.​

Mit anderen Worten, die Leerheit ist nichts als ein Hilfsmittel, das eigentlich so gut wie gar nichts erklärt. Ich habe mich auch eigentlich nur mit dem "Mittleren Weg" beschäftigt, weil immer wieder von irgendwelchen Knallbonbons behauptet wird, Buddha habe den mittleren Weg beschritten, also den Mittelweg zwischen Askese und Ausschweifung. Das stimmt zwar nicht, aber diese etwas eigenwillige Auslegung des "Mittleren Weges", die natürlich gar nichts mit dem eigentlichen "Mittleren Weg" zu tun hat, wird immer wieder herangezogen, um die eigene Lüsternheit zu rechtfertigen.

Mit anderen Worten, es gibt wichtigeres als die Leere, nämlich Meditation und Enthaltsamkeit.
 
Mit anderen Worten, es gibt wichtigeres als die Leere, nämlich Meditation und Enthaltsamkeit.

... und Meditation ist in erster Linie Geistentleerung, denn Leerheit ist das Zentrum, das nonduale "Tor" oder Nadelör in der Mitte, oder wie immer man es auch nennen mag, kann es ja eigentlich nicht benannt werden, da an diesem Punkt Zeit und Raum sein Ende finden. Es ist wirklich simpler als man denkt :weihna1

opti, komm in meine Arme und lass Dich mal knuddeln :)
 
Mit anderen Worten, es gibt wichtigeres als die Leere, nämlich Meditation und Enthaltsamkeit.

... und Meditation ist in erster Linie Geistentleerung, denn Leerheit ist das Zentrum, das nonduale "Tor" oder Nadelör in der Mitte, oder wie immer man es auch nennen mag, kann es ja eigentlich nicht benannt werden, da an diesem Punkt Zeit und Raum sein Ende finden. Es ist wirklich simpler als man denkt :weihna1

opti, komm in meine Arme und lass Dich mal knuddeln :)

Das ist deine Definition von Meditation - irgendwie muss man die Leere doch dort hineinpressen können. Nur Tote denken nicht!
 
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Das ist deine Definition von Meditation - irgendwie muss man die Leere doch dort hineinpressen können. Nur Tote denken nicht!

Was meinst Du mit hineinpressen ? Leere ist doch schon allgegenwärtig. Es geht nur darum, das jenes Erschaffene was das Zentrum verhüllt darin alles Zweierlei sich vereint und kompensiert, wie in einem "schwarzen" Loch.

Das Tote nicht denken ist schon richtig. Es gibt aber auch einen Zustand der dem des Todes sehr sehr ähnlich ist, aber bei lebendem Körper. Es ist eine Art Ruhezustand des Gehirns. --> Delta Zustand.
 
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