Mensch, das ist alles so wahnsinnig .... unmenschlich....
Hier ein recht ausführlicher Bericht vom letzten Jahr, der Einblick gibt, was so eine Bootsfahrt, was Flüchtling sein bedeutet...
22.09.2014
Flüchtlinge Der Untergang
Von Heyer, Julia Amalia; Mayr, Walter; Popp, Maximilian; Wilkens, Chrissi
Im September ereignete sich fast unbemerkt die größte Tragödie im Mittelmeer. Warum starben 500 Menschen, zumeist Palästinenser? Eine Suche nach Antworten, in Gaza und auf Kreta.
Am dritten Tag im Meer vor Malta begann Schukri al-Assuli zu halluzinieren. Er sah Straßen und Häuser, sah seine Mutter, die ihn mit einem Lächeln empfing, zu Hause im Gaza-Streifen. Er trug die Rettungsweste eines Ertrunkenen und klammerte sich an einen leeren Kanister. Doch nun verließen ihn die Kräfte. Seine Haut war verfärbt vom Salzwasser, Arme und Beine waren taub von der Kälte und vom Kampf gegen das Ertrinken. Dann endlich fuhr ein Frachter vorbei, und auch die Matrosen, die Assuli sowie fünf andere Überlebende aus dem Wasser zogen, hielt er für eine Halluzination. "Ich hatte mich damit abgefunden zu sterben."
Assuli wurde mit einem Hubschrauber in die Hafenstadt Chania auf Kreta geflogen. Fünf Tage lag er im Krankenhaus. Mit schwankendem Schritt geht er den Klinikflur hinunter, seine Augen sind gerötet, seine Stirn ist von Falten zerfurcht. Er ist gerettet, aber er hat alles verloren. Er vergräbt das Gesicht in den Händen und weint. "Wie könnt ihr Europäer ein solches Verbrechen zulassen? Wo ist meine Frau? Wo sind meine Kinder?"
Schukri al-Assuli, 35 Jahre alt, arbeitsloser Friseur aus Chan Junis im Gaza-Streifen, brach im August dieses Jahres nach Europa auf, der Krieg war gerade zu Ende gegangen. Er reiste gemeinsam mit seiner Frau Hiam, 25, der vierjährigen Ritadsch und dem acht Monate alten Jamin.
Jetzt sind seine Frau und seine Kinder wohl tot. Wie fast alle der etwa 500 Passagiere, Ägypter, Syrer, Sudanesen, vor allem Palästinenser aus dem Gaza-Streifen, die mit Assuli ein Boot bestiegen, das am 6. September im ägyptischen Damietta ablegte und vier Tage später vor Malta kenterte. Sie wurden unter Wasser gezogen, fortgetrieben von der Strömung, vom Mittelmeer geschluckt. Bislang konnten nur zehn Überlebende geborgen werden. Zwei von ihnen wurden nach Sizilien gebracht, zwei nach Malta und sechs nach Kreta.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129339521.html