Wie kann eine Religion eine Religion überwinden?
Indem die andere gar keine Religion ist.
Das Christentum
kam als eine Religion, aber es ist selber
mehr als Religion
- eben jenes Prinzip, welches sozusagen zu sich selbst, dem
wahrhaft Göttlichen, hinführt. Das bestätigt ja der Christus von sich selbst: ICH bin der Weg...! -
Ich vergleiche diese Sache gern mit einem Baum, von dessen Hauptspross viele Nebensprosse ausgehen: Im Stamm bündeln sich alle Sprosse zu einer Einheit. Hinaufwärts beginnen sie sich nach und nach vom Hauptspross abzuzweigen und seitlich in eigene Richtungen nach oben zu streben, und je weiter hinauf sie wachsen, desto mehr und mehr verästeln und verzweigen sie sich. In der Krone zeigt sich dann die verwirrende Vielfalt an Einzelsprossen und wie diese zuletzt eine harmonische hochgewölbte Kuppel bilden. Nimmt man nun die gesamte Baumgestalt ins Auge, bemerkt man trotz der zahlreichen Fülle an Ästen, Zweigen und Zweiglein, dass
ein Spross von Anfang an niemals die Stammesmitte verlässt und seine Spitze geradewegs von der Erde ab bis nach oben einer
geraden Linie folgt: Der
Hauptspross. Dieser ist das
Herzstück und das
Lebenszentrum des Baumes und der einzige Spross, der eine gerade vertikale Achse zur Erdoberfläche bildet. Von diesem Hauptspross hängen alle Nebensprosse und Verzweigungen ab, denn er "entscheidet" um ihre Anzahl, Wuchsrichtung und Länge,
ernährt sie und "bestimmt" ihr Fortkommen oder ihr Absterben, und wenn der Hauptspross abstirbt, ist das baldige Ende des ganzen Baumes absehbar. -
Auch die Welt der Religionen stellt einen solchen Baum dar: Im Stamm sind die Ur-Religionen und alten Götterkulte noch sehr einheitlich und homogen, ihre jeweiligen Grundlehren gestalten sich recht einfach und sind einander relativ ähnlich. Dann erscheinen oberhalb seitlich des Stammes erste Nebenstämme und starke Hauptäste, und in allen zusammen können wir die Entstehung der sogenannten "Welt-Religionen" sehen. Schließlich, wo sich die Äste weiter verästeln und verzweigen und sich zuletzt im Gewirr des Kronendachs auflösen, erblicken wir die zahllosen Abspaltungen, Kirchen und Sekten etc., die sich nach und nach aus den Welt-Religionen heraussplittern und zuletzt verselbständigen. - Auch beim "Religionen-Baum" bemerkt man bei allen Unterschieden die Gleichheit bzgl. der jeweiligen "Färbung" und des jeweiligen Status der Gruppierung, wo keine Religion, Kirche oder Sekte etc. der anderen Über- oder unterlegen scheint, sie erscheinen wie Farben auf einer Palette, wo man ebenso deren Buntheit wahrnimmt, aber den einzelnen Farben keinen besonderen Stellenwert zuordnen kann. Und wie bei einem wirklichen Baum sieht man zu verschiedenen Zeiten neue Gruppierungen entstehen und wieder verschwinden, zuweilen sogar die Sprosse der Haupt-Religionen
überragen und sie
in den eigenen Schatten stellen. - Nun kann man den "Religionen-Baum" insgesamt von zweierlei Gesichtspunkten aus betrachten: Einmal mit dem Blick des
Materialisten, der in der Tat
alle irgend religiösen Gruppierungen als einen uni-versalen Kosmos unterschiedlichster geistig-spiritueller Weltanschauungen mutmaßt und
keiner einen jeweiligen spezifischen Hauptrang zuordnet. Da gebärdet man sich wie ein botanischer Laie, der unfähig ist, die verschiedenen Wuchsformen und Sprossarten samt ihrer ungefähren Lebensdauer zu unterscheiden, geschweige denn Blatt- und Blütenknospen als solche zu erkennen. Oder aber mit dem tiefer blickenden Auge, mit dem man in all der Vielfalt der Religionen und ihrer Abzweigungen im Christentum den
Hauptspross erkennt, wie er von der Wurzel an kerzengerade und unbeirrt
steil nach oben strebt, zugleich hier und da Seitenimpulse und weniger steile und gerade Wege zum Göttlichen hin von seinem Hauptweg abzweigen lässt - und seitens
derer mancherlei Abweichungen, Abspaltungen und Zersplitterungen zulässt. Aber selbst hoch oben, wo die Diversität in chaotisches Gewirr hineinwuchert und kaum noch Identifikation ermöglicht - selbst da tritt für den geübten Blick aus all dem Durcheinander deutlich und unverkennbar der
bestimmende, ernährende und tragende Hauptspross, der
Christus-Impuls, zutage. -
So wie beim wirklichen Baum Nebenstämme, Hauptäste, Seitenäste, Zweige und Seitenzweige etc. am Stamm vergängliche Sprosse sind, die den Baum als ganzheitliche Pflanze nicht erhalten können, so bedeutet der Haupttrieb
der Baum schlechthin und ist der eigentliche Garant für seinen dauerhaften Erhalt. In gleicher Weise sind die unterschiedlichen Religionen einzelne religiöse Wege und Pfade, aber das
Christentum ist
der Weg, der,
ohne als Religion angenommen werden zu müssen, als
unmittelbarer Weg zur geistigen Welt gegangen werden kann, denn so wie man auf ihm wandelt, glänzt einem noch vor dem ersten Schritt schon der offene Himmel entgegen. -
Die Metapher des Baumes macht ein wesentliches Gesetz bei der Suche und dem Streben nach dem Göttlichen deutlich: Befindet man sich nämlich auf dem Ab-Weg einer Religion oder Sekte etc. und wird durch die Blickrichtung nach dem goldenen Mittelweg von dessen einzig wahrem Sinn überzeugt, muss ein
Innehalten und eine
Umkehr erfolgen, und zwar in wörtlicher Hinsicht: Man muss die Gründe und Intentionen seiner Gottsuche erforschen und zum inneren Ausgangspunkt seiner religiösen Pilgerfahrt zurückkehren. Dort angelangt, nahe am Urstrom allen spirituellen Werdens und Reifens, kann dann die rechte Entscheidung erfolgen, inwieweit man bereit und willens ist,
in den Urstrom zu steigen und dem Christus-Impuls zu folgen - oder sich einer anderen Religion zuzuwenden und wiederum sich seitlich abzukehren. -
"ICH bin
der Weg,
die Wahrheit und
das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch
mich!":
Die Religionen bieten viele gangbare Wege zum Göttlich-Geistigen an; das
Christentum aber
ist der Weg dorthin, denn von ihm weichen alle anderen Wege ab.
Die Religionen enthalten viele große Wahrheiten und hohe Erkenntnisse; das
Christentum aber
ist die Wahrheit, denn in ihm gründet alle Erkenntnis und Weisheit.
Die Religionen sind voller Leben und lebendiger Vielfalt; das
Christentum aber
ist das Leben, denn es durchpulst und durchströmt alle Wesen, alles Werdende und alles zum Aller-Höchsten hin sich vervollkommnende.
Losung jeder
Religion, aber
Bestimmung und
Ziel des
Christen:
Vorwärts, aufwärts - in Ewigkeit!