Hallo Nenever.
Ich habe eine Frage an Dich. Kennst Du das Gefühl, etwas zu sehen und zu fühlen, was noch nicht geschehen ist? Kennst Du es, Dich mit jemanden zu unterhalten, und dabei einen Teil seines Lebens zu sehen? Wie in einen Film, der nebenbei abläuft, bei dem du aber selbst nichts dagegen oder dafür tun kannst? Dann die Erschütterung zu erleben, weil das Gesehene und Gefühlte der Wahrheit entspricht?
Wenn dann nach Monaten oder Jahren das Gesehene eintrifft? Ich habe mir bisher noch nicht die Mühe gemacht in Büchern danach zu lesen. Sollte ich das?
Ich habe da zwar für mich persöhnlich Antworten zu, aber vielleicht kennst Du ja ein gutes Buch, dass mir dies besser erklärt. Aber bitte nichts über Hellseherei oder sowas, das würde ich gar nicht erst lesen.
Gut, ich möchte gerne versuchen, Dir zu antworten. Vielleicht schaffe ich nicht alles heute, aber ich fange einfach mal an.
Wir sagen, "wir sähen die Zukunft".
Aber was ist die Zukunft? Was ist die Zeit? Lass uns einen Moment innehalten und prüfen, wo wir mit dieser Aussage stehen.
Wir sagen, es gäbe die "Zeit". Es käme uns dumm und absurd vor wenn wir von jemandem hörten, dass es die Zeit nun
doch nicht geben sollte. Wir würden ihn für verrückt erklären, aber ist er wirklich so verrückt wie wir glauben?
Wohin geht die Zeit, wenn sie die Gegenwart passiert hat, woher kam sie, bevor sie Gegenwart wurde? Nun wird uns vielleicht klar, wie absurd der Gedanke ist, dass es Zeit gäbe. Was uns vorher selbstverständlich war, ist nun eigenartig, paradox und komisch.
Die Vergangenheit existiert nicht mehr, die Zukunft hat noch nicht begonnen. Die Vergangenheit wird nirgends aufbewahrt, die Zukunft nirgends gemacht. Aber dennoch haben wir die Begriffe von Vergangenheit und Zukunft - legen diese Begriffe nicht nahe, dass es dennoch Zukunft oder Vergangenheit gibt? Warum sollte es ein Wort geben, für das kein Objekt existiert?
Wir sprechen oft gedankenlos von einer Zukunft, von einer Vergangenheit. Aber wir vergessen, dass wir eigentlich damit unsere
Erwartungen und unsere
Erinnerungen meinen, die in unserem Gedächtnis gespeichert sind. So existiert die Vergangenheit nirgendwo, außer in unserem Kopf. Unser alltäglicher Sprachgebrauch ist schlunzig und nachlässig geworden, wir benutzen Worte und Begriffe ohne Bewusstsein. Wir sprechen von Datenbits, Präzision und Freiheit. Wir vergessen - das ist die Gefahr! - , dass sie allesamt nur geiste Formen darstellen, aber keine reellen Objekte. Die Sprache ist nicht die Realität, sondern ein Versuch, sie zu symbolisieren.
Mit diesem neuen Bewusstsein können wir nun beide von Vergangenheit sprechen, denn wir haben uns vor Augen geführt, dass wir mit Vergangenheit unsere im Gedächtnis gespeicherten Erinnerungen meinen, die Vergangenheit selbst aber nicht existiert. Wir können mit diesem neuen Bewusstsein nun auch von "Zukunft" sprechen, denn wir haben jetzt verstanden, dass die Zukunft lediglich in unseren Gedanken vorkommt - als "mögliches Szenario", als Idee, als Erwartungshaltung.