Der evangelische Theologe Stephan Holthaus, Dekan der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen und Leiter des Instituts für Ethik und Werte in Gießen, sieht die KFN-Studie indes skeptisch. Er ist der Meinung, wenn man Freikirchen in Deutschland als eher gewaltbereit gegenüber Kindern bezeichnet, bedürfe es einer genaueren Betrachtung. "Streng religiöse Katholiken schlagen ihre Kinder zum Beispiel wesentlich weniger, als Eltern, für die Religion in der Erziehung keine Rolle spielt", so Holthaus. "So einfach kann man es sich also nicht machen." Er zeigte sich gegenüber pro zudem verwundert darüber, dass sich die KFN besonders die Freikirchen herausgepickt habe. "Unter diesem Sammelbegriff werden in Deutschland mindestens 30 Gruppierungen geführt, die sehr unterschiedlich sind. Von der Heilsarmee bis zu den Evangelisch Freikirchlichen Gemeinden, von den Herrnhutern bis zu den pazifistisch eingestellten Mennoniten, von den Brüdergemeinden bis hin zu den Pfingstlern und Aussiedlergemeinden. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen, bisher durch sachliche Beiträge aufgefallen, hätte hier differenzieren müssen, statt eine ganze Bewegung undifferenziert in Sippenhaft zu nehmen." Der Theologe fügte hinzu: "Klar ist: Die allermeisten Freikirchler und Landeskirchler praktizieren eine gewaltfreie Erziehung."
Holthaus vermutet hinter der Motivation des Kriminologischen Forschungsinstitutes den Versuch, die Muslime in Deutschland, die derzeit viel Kritik trifft, in Schutz zu nehmen. "Die Studien des Forschungsinstituts hatten in den letzten Monaten herausgefunden, dass Gewalt unter Migranten viel weiter verbreitet sei, als unter der deutschen Bevölkerung und damit der Sarrazin-Bewegung ungewollt Material geliefert. Jetzt rudert man zurück: Nein, auch die Christen hätten ein Problem, besonders diejenigen, die sich an der Heiligen Schrift orientieren. Ein Schelm, der sich dabei etwas denkt." Er selbst würde es nicht bestreiten, dass es christliche Kreise gebe, in denen Kinder geschlagen werden, auch wenn er niemanden kenne, der es tue. "Das aber als typisch für Freikirchen zu bezeichnen, ist Quatsch."