Hallo,
@Kinnarre
Na, das ist wirklich schön, dass wir vom gleichen Erleben sprechen.
Darum will ich auch nicht sprachlich darauf eingehen, wo dort ein Punkt sein soll
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Jetzt wieder zum Them "Anatta" (ganz theoretisch

)
Ich will noch einmal meinen Rekonstruktion wiederholen und korrigieren (Dank Opti):
Die Konstitution der Persönlichkeit (Konstitution)
Buddha hat 5 Aneignungsgruppen unterschieden:
Körper (rupa)
Empfindungen (vedana)
Wahrnehmung (sanna)
Geistesregung (Sankhara)
Bewusstsein (Vinnana)
Bewusstsein, Vorstellung und das Ich
Dem Menschen ist es eigen, dass er ab ungefähr dem 12-18 Monat sich selbst im Spiegel erkennen kann und zu sich „ICH“ sagen kann - synchrone Identität.
Unter "diachroner Identität" versteht man, dass ein Kind, wenn ein Ball unter ein Bett gefallen ist, denken kann, dass der Ball unter dem Bett ist, obwohl es ihn nicht merh sieht. Bevor es die diachrone Identität vorstellen kann, ist der Ball für das Kind verschwunden, wenn er unter das Bett gerollt ist.
-> Um sich selbst dauerhaft als „Ich“ identifizieren zu können, muss ein Mensch zur synchronen und zur diachronen Identität fähig sein. All dies geschieht auf der „Vorstellungseben“ - wird jedoch durch bestimmte Gehirnregionen(Neocortex), die sich in diesem Kindheitsabschnitt entwickeln, erst ermöglicht.
Das Verhältnis von Konstitution und Bewusstsein
Das Bewusstsein ist, wie die Komponenten der Konstitution der Persönlichkeit dies implizieren, "eingebettet" in die Konstitution - das habe ich auch kurz angedeutet, als ich sagte, dass die Vorstellungen auf die Notwendigkeit von Gehirn-Entwicklungsprozessen angewiesen ist.
Die Vorstellung wird ja durch die Konstitution mit-konstituiert und existiert nicht außerhalb von ihr.
Es tritt nun ein Problem auf mindestens drei Ebenen auf:
I. ontologisch
II. epistemologisch bzw. semiotisch
III. dukkha (Leiden).
Zu I.
Wenn ich sage, da bin „Ich“, dann stellt sich die Frage, ob das Objekt, auf das ich referiere, wirklich (ontologisch) eine "Substanz", Eins ist oder ob es nicht etwas Werdendes, Vergängliches, rein Energetisches ist.
-> Ist die Persönlichkeit eine Substanz ?
Der Bezug zu Nagarjuna:
Der Begriff des eigenen Wesens (svabhava): "Eigenes Wesen" bedeutet nach Nagarjuna, der indischen Wortbedeutung entsprechend, "ein Sein aus sich selbst und nur durch sich selbst bedingt, unabhängig von allem anderen."
zu II.
Wenn ich sage, da bin „Ich“, dann stellt sich epistemologisch die Frage, wie ich das Objekt überhaupt erkennen kann und ob ich es auch (semiotisch) so bezeichnen kann, wie es ist.
Kann ich mit „Worten“ eine wirkliche Eigenschaft bezeichnen? Können Worte Wirklichkeit abbilden ?
-> Kann das Ich, das ich in der Vorstellung vorstelle, wirklich die Persönlichkeit darstellen ?
Bei Nagarjuna finden wir darum:
"Daher ist shunyata selber leer sowohl im ontologischen wie im epistemologischen Sinne."
zu III.
Und drittens besteht das Problem der Identifizierung und damit das Problem des Leidens.
Wenn ich mich mit etwas (meinem Aussehen, einem Fußballclub, einem Partner, einem Zustand) identifiziere, dann kann dies, indem es mir abhanden kommt oder micht enttäuscht, zu Leiden führen. Wenn ich also dieses Leiden aufheben möchte, dann sollte diese Identifizierung aufgelöst werden.
-> Wenn ich aufhöre, auf der Vorstellungsebene mit meinem ICH mich selbst an Eigenschaften und Objekte zu konditionieren, dann hört auch das Leiden auf, das durch diese Anhaftungen entsteht. Das führt aber nicht dazu, dass automatisch auch die Persönlichkeit nicht existiert.
Vielmehr existiere ich dann als eine Persönlichkeit, die in der Vorstellung an identifizierte ICH-Vorstellungen nicht anhaftet.
Auf dieser dritten Ebene (dukkha) sind alle Aneignungskörper miteinander verbunden:
Es ist nicht nur die Vorstellung des Ich, welche das Leiden hervorruft, sondern es ist gerade die Verknüpfung dieser Vorstellung mit den anderen 4 Gruppen:
Körper (rupa)
Empfindungen (vedana)
Wahrnehmung (sanna)
Geistesregung (Sankhara)
Bewusstsein (Vinnana)
Ich nehme etwas über meinen Körper wahr und "identifiziere" mich (mein "ICH") im Bewusstsein mit ihm, weil es in mir schöne Empfindungen weckt.
Dann wird es mir weggenommen, worauf es zu einer Geistesregung kommt, diese führt zur Empfindung Schmerz (Leiden).
Wenige Tage nach seiner Erleuchtung, einen Tag, nachdem Buddha das erste Sutta gelehrt hatte (Die edlen vier Wahrheiten), hat er seinen 5 Bhikkus das zweite Sutta über "Annata" gehalten. (Dies ist die gleiche Lehre, jedoch aus einem anderen Sutta):
S.22.12.-14. Vergänglich, leidvoll, Nicht-Ich
1. So habe ich gehört. Einst weilte der Erhabene zu Sāvatthī, im Jeta-Hain, im Kloster des Anāthapindika.
2. Dort wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche!" - "Ja, o Herr", antworteten jene Mönche dem Erhabenen. Der Erhabene nun sprach also:
3.-7. "Die Körperlichkeit, ihr Mönche, ist vergänglich - leidvoll - Nicht-Ich. Das Gefühl - die Wahrnehmung - die Gestaltungen - das Bewußtsein sind vergänglich - leidvoll - Nicht-Ich.
8. So erkennend, ihr Mönche, wendet sich der erfahrene, edle Jünger ab von der Körperlichkeit, er wendet sich ab vom Gefühl, er wendet sich ab von der Wahrnehmung, er wendet sich ab von den Gestaltungen, er wendet sich ab vom Bewußtsein. Abgewandt wird er entsüchtet. Durch die Entsüchtung wird er befreit. Im Befreiten ist die Erkenntnis: 'Befreit bin ich. Versiegt ist die Geburt, vollendet der Heilige Wandel, getan das Werk, nichts Weiteres nach diesem hier' - so erkennt er."
http://www.palikanon.com/samyutta/sam22_030.html#s22_12
Und dies korrespondiert doch augenscheinlich auch mit den 4 Jhanas:
Die vier feinkörperlichen Jhanas
Die feinkörperlichen Jhanas (pali rupa-jhana) werden so genannt, weil sie noch im Körper lokalisierbar sind und Entsprechungen im Alltagserleben haben. Jedoch sind die Empfindungen der Jhanas ungleich feiner und intensiver. In den buddhistischen Schriften (Pali-Kanon) werden die vier Jhanas wie folgt differenziert:
Das erste Jhana (pathamajjhana): »Da, ihr Mönche, gewinnt der Mönch, den sinnlichen Dingen entrückt, frei von unheilsamen Geisteszuständen, die mit ‘Gedankenfassung' (vitakka) und ‘Diskursivem Denken' (vicara) verbundene, in der Abgeschiedenheit (samadhi) geborene, von ‘Verzückung' (piti) und ‘Glücksgefühl' (sukha) erfüllte erste Vertiefung (jhana).
Das zweite Jhana (dutiyajjhana): »Nach Stillung von Gedankenfassung und Diskursivem Denken aber gewinnt er den inneren Frieden, die Einheit des Geistes, die von Gedankenfassung und Diskursivem Denken freie, in der Vertiefung (samadhi) geborene, von Verzückung (piti) und Glücksgefühl (sukha) erfüllte zweite Vertiefung.
Das dritte Jhana (tatiyajjhana): »Nach Aufhebung der Verzückung aber verweilt er gleichmütig, achtsam, klarbewusst, und er fühlt in seinem Innern jenes Glück, von dem die Edlen sprechen: ‘Glückselig weilt der Gleichmütige, der Achtsame'. Und so gewinnt er die dritte Vertiefung.
Das vierte Jhana (catutthajjhana): »Nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz und durch Untergang des früheren Frohsinns und Trübsinns gewinnt er einen leidlosen, freudlosen Zustand, die gleichmütig-geistesgeklärte vierte Vertiefung.
Diese haben wir so rekonstruiert (Jhana-Logik) :
1. Auf der ersten Stufe wird man frei von "unheilsamen
Gedanken" und es stellen sich
Entzückung und
Glückseeligkeit ein.
Entzückung und Glückseeligkeit klingt erst einmal gut und ist ja auch wunderbar, aber tatsächlich sind die nächsen drei Stufen dadurch gekennzeichnet, dass nun alle drei Komponenten nacheinander ganz losgelassen werden.
2. Loslassen von "allen
Gedanken", es verbleiben Entzückung und Glückseeligkeit
3. Loslassen von
Entzückung, es verbleibt Glückseeligkeit.
4. Loslassen von
Glückseeligkeit: Nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz und durch Untergang des früheren Frohsinns und Trübsinns gewinnt er einen leidlosen, freudlosen Zustand, die gleichmütig-geistesgeklärte vierte Vertiefung.
Ja, und dann sind wir wieder bei dem obigen Bewusstseinsstadium (von Punkt spreche ich nicht

) angekommen.
Was will man noch mit einem Ich, das anhaftet, wenn man erlöst ist ? Bis dahin, bis zur Erlösung ist es natürlich in der Vorstellung da, es muss ja schließlich diese Glückseeligkeit noch als "meine" Glückseligkeit konstituieren.
Aber letztlich ist es wie eine Leiter, die, wenn man mit ihr über das Ich hinweggestiegen ist, weggeworfen werden kann

Jetzt können wir das Ich freilich noch nicht auflösen, es muss uns noch dort hin führen, wo wir es dann auflösen können.
Auf dem Weg dorthin - durch Entsüchtung und Vertiefung - können wir freilich eine Weile glücklich sein!
Liebe Grüße
Energeia