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opti
Guest
Energeia schrieb:Pali-Kanon
Der Leerheitsbegriff ist an mehreren Stellen des Pali-Kanons überliefert. Er wird darin jedoch meist adjektivisch verwendet.
Das Prädikat "leer" bezieht sich im frühbuddhistischen Zusammenhang noch ausschließlich auf die "Person": den Sachverhalt, dass die zusammengesetzen Daseinsfaktoren (Skrt.: dharmas, Pali: dhammas), insbesondere die fünf Skandhas, in ihrem abhängigen Entstehen zwar einen sich ständig wandelnden Erlebnishorizont, dabei jedoch kein dauerhaftes Selbst (Skrt.: atman, Pali: atta) konstituieren. Vielmehr ist das vom Menschen im täglichen Erleben als beständig, isoliert und einheitlich angenommene "Ich" laut dieser Darstellung eine auf Anhaften beruhende Interpretation des bedingten Zusammenspiels der Skandhas, die durch Achtsamkeit und meditative Einsicht als solche durchschaut werden kann.
http://de.wikipedia.org/wiki/Shunyata
Ich möchte mich lieber Schritt für Schritt an die unterschiedliche Sichtweise der Leere im Hinayama und Mahayana herantasten. Zuerst also der Versuch, die Leere aus der Sicht des Hinayana zu verstehen. Dabei möchte ich mich an der obigen Interpretation orientieren.
Bei der Frage nach dem dauerhaften Selbst, stellt sich für mich zunächst einmal die Frage, welches dauerhafte Selbst gemeint ist. Meint es das Selbst, welches sich auf eine Lebensperiode, also auf das ganz normale Leben eines Menschen bezieht, oder ist das Selbst bezogen auf einen immer währenden Kreislauf, also auf die Reinkarnation?
Es wird behauptet, dass die zusammengesetzen Daseinsfaktoren in ihrem abhängigen Entstehen zwar einen sich ständig wandelnden Erlebnishorizont schaffen, dabei jedoch kein dauerhaftes Selbst konstituieren. Und dem kann ich nicht zustimmen, jedenfalls nicht in Bezug auf das ganz normale Leben. Von der Wiege bis zur Bahre nimmt jeder dieses Selbst wahr, empfindet es als sein Ich. Und ich möchte den sehen, bei dem das nicht so ist. Es wäre außerdem schön, wenn mir einmal jemand erzählen würde, wann sich denn dieses Ich-Gefühl jemals auflösen soll. Mir ist das jedenfalls noch nie in meinem Leben passiert, dass ich mich als Leere empfunden hätte.
Und selbst wenn einige während ihrer spirituellen Praxis für einige Sekunden oder auch für einen längeren Zeitraum vermeinen, diese Leere wahrzunehmen, heißt das, dass man dieser Leere größere Bedeutung zumessen sollte? Ich meine nicht. Spätestens nach der Meditation ist das alte Ich-Gefühl wieder vorhanden. Mit anderen Worten man unterlag einer physiologischen Veränderung, die einem das Gefühl gibt, das Ich hätte sich aufgelöst. Was ist daran so besonders sensationell, dass man glaubt, sein ganzes Leben, dieser Leere hinterher laufen zu müssen? Vielleicht ist es gar nicht so falsch, wenn man diese Leere als eine Sinnestäuschung begreift.
Bezieht man dieses Selbst aber auf die Reinkarnation, so könnte man davon ausgehen, dass dieses Selbst sich zunächst einmal nach dem Tode auflöst, um irgendwann wieder in ein neues Leben einzutreten. Mit welcher Begründung aber hält man die Reinkarnation für selbstverständlich? Für mich ist sie überhaupt nicht selbstverständlich, sondern eine Glaubenssache. Mit anderen Worten, jeder der die Reinkarnation als selbstverständlich betrachtet, verlässt den Boden der Realität. Auf solch einer unrealistischen Annahme kann man natürlich eine ganze Philosophie aufbauen. Zweifelt man aber die Reinkarnation an, so stürzt die ganze Philosophie wie ein Kartenhaus zusammen.
Wenn jemand also meint, die Reinkarnation sei Realität, dann kann er das zwar glauben. Aber ich kann ihn dann nicht mehr als ernst zu nehmenden Gesprächspartner betrachten. Dann könnte ich nämlich genau so jede x-beliebige Theorie entwickeln und meinen, alle hätten dies als Realität anzuerkennen. Das ist aber keine Basis für ein sinnvolles Gespräch.