Das Schweigen des Opfers --weil es sich das aussucht @ Lichtbox und Co

Denn nach Innenschauen braucht kein Opfer von Gewalt denn das eigene Innere kennen solche Menschen am besten haben sie sich doch die längste Zeit darin befunden .

Auf den Thread aufmerksam geworden aus moderatorischer Gewohnheit ;), hab ich mich jetzt aufmerksam durchgelesen. Ich würde mich freuen, wenn es hier gelänge, dieses heiße Thema ohne gegenseitige verbale Fußtritte durchzuarbeiten. Denn es ist ein wichtiges Thema.

An diesem Satz, Tor, bin ich hängengeblieben, weil der für mich im Hinblick auf meinen Weg aus der Gewaltopferspirale so nicht stimmt. Ja, ich habe mich in meinem Inneren befunden - ich habe den Weg in eine die Wirklichkeit wegblendende Phantasiewelt gewählt, das war meine Überlebensstrategie als Kind (da war Gewalt in allen Spielarten außer sexuell, das blieb mir erspart).

Der Satz stimmt dennoch für mich nicht. Denn. Daß ich mich in meinem Inneren befand, heißt noch lang nicht, daß ich mich gekannt habe. Ich habe mich selbst in einen Teil meiner selbst zurückgezogen. Was da alles, mir unbewußt, sonst noch in mir war und mir unbewußt mein ganzes Leben dirigiert hat, das habe ich erst im Laufe der Therapie und danach sehen können. Und immer noch wird mir immer wieder noch etwas sichtbar, was vorher verschleiert war. Deshalb war und ist für mich dieser Blick in mich hinein etwas GANZ Wichtiges und der eigentliche Schlüssel zur Tür hinaus aus dem selbstgewählten Gefängnis meiner Scheinwelt.

Warum sage ich "selbstgewählt"?

Ich habe eine ganz bestimmte Frage meiner Therapeutin in einer der ersten Stunden gestellt. Ich fragte "Warum hab ich den Weg in die Flucht aus der Realität gewählt? Warum habe ich niemals aufbegehrt? Warum habe ich mich dazu entschieden, alles zu erdulden? Denn es gibt ja auch andere, die nicht ewig und drei Leben gewartet haben, bis sie zur Gegenwehr gegriffen haben..."

Die Antwort auf diese Frage habe ich in der Therapie so schön langsam gefunden. Und diese meine Antwort rückt diesen leidigen Satz, dem dieser Thread hier seine Existenz verdankt, ziemlich von der Stelle.

Denn dieses leidige "hastudirselbstausgesucht" geht ja am Kern der Dinge so haarscharf vorbei, daß es weh tut. Ich bin unter anderem deshalb Buddhistin geworden, lieber Tor, weil in mir das Gefühl immer stärker wurde, da kann es nicht nur ein Leben geben. Ich bin mir sicher, ich bin nicht zum ersten Mal auf diesem Planeten. Und in meiner Logik muß es zwischen diesen mehreren Malen einen Zusammenhang geben. Wie genau der aussieht, darauf habe ich sicher keine letztgültige Antwort. Ich denke mir nur, wenn ich als kleines Kind an eine Mutter gerate, die mit ihrem Berufsbild "Mutter sein" so total überfordert ist wie es die meine war, dann hat das eine Grundlage. Und daß ich darauf bereitwilligst einsteige und mich nicht nur niedermachen lasse, sondern noch selbst noch viel weiter fertigmache, das hat auch eine Grundlage - und die finde ich in mir selbst und sonst nirgends. Denn andere Kinder haben zum Beispiel auf solche Mütter mit solchem Trotz und solchem Widerstand reagiert, daß sie eventuell aus ihrer Situation befreit wurden...

Und deshalb, so denke ich, bin auch ich es, die diese Grundlage verändern kann. Wäre es anders, alle Therapie wäre ohne Chance. Ist sie aber nicht.

Deshalb meine ich, "in mir selbst gab es, warum auch immer, eine Resonanz zu meiner Mutter" trifft in meiner Geschichte den Kern eher. Und wenn ich das sage, dann bedeutet das haargenau nicht, daß meine Mutter nun einen Freibrief gehabt hätte oder andere Mütter einen Freibrief haben, sich so beknackt zu verhalten und ihre Kinder fertigzumachen. Und wenn ich sage, ich habe mir auf der Grundlage meiner selbstgewählten Strategie mein Kindheitsdrama in allen beknackten Partnerschaften meines Lebens reinszeniert, dann bedeutet das genau nicht, die Kerle, die sich mir gegenüber so beknackt verhalten haben, hätten ein Recht dazu. Haben sie nicht. Aber mir werden erst dann keine solchen Scheixxkerle mehr in die Biographie geraten, wenn ich begriffen habe, daß ich selbst es bin, die die Grundlage meines Lebens verändern kann...

Mit den Fingern nachgedacht habend
und dieses Nachdenken einfach hier hereinstellend
grüßt freundlich
Kinnaree
 
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Wer sollte es sonst sein wenn nicht er selbst ?

Ebendst.

Was hier verwechselt wird im verständnis, sind die Ebenen. Wenn gesagt wird, dass "die Seele" sich etwas aussucht, z.B. bestimmte Erfahrungen zu machen, bedeutet dies nicht, dass dem Menschen mit seinem Ego dies hier bewusst sein muss. Es entschuldigt oder rechtfertigt auch weder zerstörerische Handlungen noch spricht es Gewalttäter frei.

Das aber ist eben jene Basis, die als Annahme zuerst verstanden werden will, dann kommst du auch nicht zu absurdesten Schlussfolgerungen dieses Konzept würde Gewaltverbrecher "freisprechen".

Hinter dieser Auffassung und Interpretation nehme ich Angst wahr, dass Menschen es so interpretieren könnten und sich daraus die noch absurdere Konsequenz ergeben könnte, dass Gewaltverbrechen sowas wie eine Legitimation erfahren könnten.

Gewaltverbrecher konstruieren sich ihre Legitimation aus völlig weltlichen und meist emotionalen Gründen. Dazu braucht es so ein esoterisches Konzept überhaupt nicht.

Ich habe mit Karmakonzepten btw. nichts am Hut, finde mir fremdartige Konzepte dennoch interessant genug, mich mit ihnen zu beschäftigen. Sie geben, wie ich finde, nicht nur destruktive und ängstigende Folgen, sondern auch durchaus konstruktive Ansätze im Umgang mit z.B. Gewalterfahrungen. :)

LG
Any
 
Für ein Opfer ist es oft eine Erleichterung, z.B. vor Gericht zu erfahren: ich bin nicht schuld, der andere wandert in den Knast/ wird bestraft - ... .
Auch ein Opfer konstruiert sich seine Wirklichkeit und es gibt nichts Fataleres als diese: ich bin selbst dafür verantwortlich, weil ich nicht tauge, weil ich "Erbsünden" aus anderen Generationen mitbringe, weil ich so schlimm bin und es verdient habe.
DANN hat man mitunter wirklich ein lebenslanges Opfer! (und das ist absurd, das will doch hoffentlich keiner?)

Ja, das ist es, Ireland, was ich versuchte auszudrücken. Zunächst eine gesunde Distanz schaffen, sich selbst "retten". Aus dieser Distanz dann wpäter, wenn die emotionalen Wogen glatter geworden sind, versuchen zu verstehen, hineinzufühlen, was, wieso und warum und dann von diesem Opfersein loslassen zu können, anstatt zu verharren.

Dazu kann das Karmakonzept und die Idee, dass doch irgendein Sinn hinter dem stehen könnte, was einem Menschen widerfuhr, je nach Menschen schon hilfreich sein, meine ich. Keineswegs als "ist immer so zu verstehen", aber ebensowenig als "das ist völliger Unsinn". Und ja, ich weiß was es beduetet Opfer von Gewalt zu sein und ebenso, das es Wege gibt, diesen Opferstatus aufzugeben und weiterzuleben, so, "als wäre dies nie geschehen". Meint die inenre Freiheit und Selbstbestimmtheit zurück zu bekommen durch die Verarbeitung der Erfahrungen, auf die mit großer Sicherheit jeder Mensch zu gerne verzichten würde.

LG
Any
 
dann ist es eben so - aber denkst du dass die seele in einem leben alles lernen kann um "g*tt zu erkennen"?



shimon a.

stelle mehr deiner grundaxiome in frage , dann hast du es leichter !

- es gibt keine seele in deinem idividuallisierten Bild von bewusstsein
- warum sollte eine seele gott erkennen , das ist erlöserglaube ....
- ist lernen selbstzweg im spielerischen sinne , oder zwang , im schulischen...
- glaubst du das es gesund ist einem bewusstsein eine solche erfolgslast aufzuerlegen ??

i.
 
Ja, das ist es, Ireland, was ich versuchte auszudrücken. Zunächst eine gesunde Distanz schaffen, sich selbst "retten". Aus dieser Distanz dann wpäter, wenn die emotionalen Wogen glatter geworden sind, versuchen zu verstehen, hineinzufühlen, was, wieso und warum und dann von diesem Opfersein loslassen zu können, anstatt zu verharren.

Dazu kann das Karmakonzept und die Idee, dass doch irgendein Sinn hinter dem stehen könnte, was einem Menschen widerfuhr, je nach Menschen schon hilfreich sein, meine ich. Keineswegs als "ist immer so zu verstehen", aber ebensowenig als "das ist völliger Unsinn". Und ja, ich weiß was es beduetet Opfer von Gewalt zu sein und ebenso, das es Wege gibt, diesen Opferstatus aufzugeben und weiterzuleben, so, "als wäre dies nie geschehen". Meint die inenre Freiheit und Selbstbestimmtheit zurück zu bekommen durch die Verarbeitung der Erfahrungen, auf die mit großer Sicherheit jeder Mensch zu gerne verzichten würde.

LG
Any

Ich halte jetzt so gar nichts vom Karmakonzept, aber natürlich hast Du Recht - DANACH sollte schon etwas kommen ... :).

Ich kann mich gut mit einem systemischen Konzept anfreunden, das Zusammenhänge aufzeigen kann, die dem Opfer weiterhelfen können.
"So weiterleben als wäre es nie geschehen" kann dann eine von vielen Entscheidungen des Opfers sein ... aber auch jede andere Entscheidung (und das ist ein Prozess) ist möglich und zu würdigen.
 
Ich halte jetzt so gar nichts vom Karmakonzept, aber natürlich hast Du Recht - DANACH sollte schon etwas kommen ... :).

Jo, anfreunden kann ich mich damit auch nur, wenn ich bestimmte Definitionen dazu ausnehme bzw. voraussetze. Leider lassen sich insbesondere esoterische Konzepte so flexibel auslegen, dass von "Himmel bis Hölle und alles dazwischen" dabei herum gedacht werden kann.

Die Psychologie hat es da wohl etwas einfacher. :)

LG
Any
 
Ich bin sehr froh darüber, das endlich begriffen wird, was ich mit meinem Text aussagen möchte, ich danke all Jenen die ihn mit Wachem Geist offenen Augene und eigenen Gedanken gelesen haben. :danke:

Ich danke auch allen anderen , das wir in diesem Thread einen vergleichsweise friedlichen Gedankenaustausch führen können.:thumbup:
 
Watzlawik thematisiert, daß sich jeder Mensch seine individuelle Wirklichkeit konstruiert, NICHT, daß es per se mehrere Wirklichkeiten GIBT (höchstens in dem Sinne, daß es genau so viele Wirklichkeiten wie Menschen gibt).

Ja - und? Jeder lebt in seiner subjektiven Wirklichkeit, das ist seine Realität, was natürlich nicht ausschließt, dass die Verantwortung für alles Tun bei jedem selbst liegt.
Und natürlich wird sich ein Täter die Wirklichkeit konstruieren
,

...genau so wie sich das Opfer seine Wirklichkeit konstruiert und solange Täter und Opfer nicht von ihren Wirklichkeitskonstruktionen loskommen, stecken sie in einer dualistischen Endlosschleife von: ich - unschuldig/Opfer du - schuldig/Täter. Wie soll da Heilung stattfinden, wenn nicht irgendwo ein Begreifen ist, dass sich die jeweiligen Konstrukte zwangsläufig bedingen?
Ein Täterverhalten zieht zwangsläufig Opfer an und ein Opferverhalten zieht Täter an.

daß es das Opfer selbst so gewollt hat, daß er selbst gar nichts dafür kann, daß er selbst ein Opfer sei und ganz vieles mehr (kein Täter hält es aus, "einfach nur" jemand zu sein, der so gehandelt hat, weil er sich nicht zusammenreißen konnte, weil er soziale Defizite hat, weil er seine Triebe nicht beherrscht hat usw.).

Du bedienst damit eine populistische Stammtisch-Haltung,bei der Täter generell böse und Opfer generell zu bemitleiden sind.
Die Dinge so platt in schwarz/weiß zu sehen, hilft m.E. weder dem Opfer noch dem Täter.

DANN hat man mitunter wirklich ein lebenslanges Opfer! (und das ist absurd, das will doch hoffentlich keiner?)

Nein, das sollte keiner wollen - außer vielleicht das Opfer selbst? Opfer zu sein kann durchaus eine Lebenshaltung sein.
Ein bestärken in der Opferrolle und der Täterverdammung hilft den Betroffenen auch nicht weiter. Meist sind es grad die schmerzlichen Erfahrungen, die aufwecken. Mitleid hält m.E. nur in der Opferrolle fest und als Opfer ist man hilflos und muss "erleiden".

Für mich ist der beste Weg gegen ein Opferdasein die Ermutigung zu Eigenverantwortung (und das will doch hoffentlich jeder?);)

lg
Gabi
 
Ich bin sehr froh darüber, das endlich begriffen wird, was ich mit meinem Text aussagen möchte...

Dazu denke ich jetzt auch ein bissl mit meinen Fingern auf den Tasten nach.

Ich bewege mich seit Anfang meiner Selbstbefreiung aus den Gewaltstrukturen meines Lebens viel unter ebenfalls Betroffenen. Ich finde den Erfahrungs- und Gedankenaustausch sehr bereichernd, weil alles, was meinen begrenzten Blickwinkel erweitern hilft, den Weg aus den alten Mustern erleichtert. Auch wenn es gelegentlich schmerzt.

Was ich dabei immer wieder - an den Reaktionen anderer, besaonders aber an meinen eigenen Reaktionen erlebe: da werden sehr schnell Bereiche angefaßt, die einfach persönlich wehtun. Weil eben so tiefgehende Verletzungen da sind, die jenseits von rationalen Überlegungen liegen.

Deshalb hat jeder, der das Thema "Eigenanteil an der Gewalterfahrung" anspricht, die VERPFLICHTUNG, seine Worte so bedacht wie möglich zu wählen. Es ist meine Verpflichtung: wenn ich darüber spreche, wie wichtig es für die Heilung meiner Verletzungen ist, daß ich meinen eigenen Beitrag zu dem Gewaltgeschehen richtig sehen kann - dann muß ich meine Worte so sorgfältig wählen wie nur irgend möglich. Denn der wichtigste Punkt ist ja: es gilt zu erkennen, daß mir das hilft, heil zu werden und in Zukunft andere, gewaltfreie Erfahrungen zu machen...

Deshalb kann ich gar nicht oft genug darum bitten, diese heiklen Vorgänge so unmißverständlich wie nur irgend möglich auszudrücken. Denn die Erfahrung lehrt, daß Täter und deren Sympathisanten nur zu oft und nur zu gerne alles als Legitimation für ihre beknackten Verhaltensweisen heranziehen. (Ich hör meinen Quadratdeppen noch sagen "ich mußte ja hinhauen, ich hab ja SO eine Angst vor ihr gehabt, sie hat so dermaßen geschrien, wie ich sie an den Haaren festgehalten hab" - und der Idiot hat das ernstgemeint...)

Aus diesem Grund:
Mit der Bitte um bedachtsame Wortwahl
Kinnaree
 
Werbung:
Warum sage ich "selbstgewählt"?

Ich habe eine ganz bestimmte Frage meiner Therapeutin in einer der ersten Stunden gestellt. Ich fragte "Warum hab ich den Weg in die Flucht aus der Realität gewählt? Warum habe ich niemals aufbegehrt? Warum habe ich mich dazu entschieden, alles zu erdulden? Denn es gibt ja auch andere, die nicht ewig und drei Leben gewartet haben, bis sie zur Gegenwehr gegriffen haben..."

Denn andere Kinder haben zum Beispiel auf solche Mütter mit solchem Trotz und solchem Widerstand reagiert, daß sie eventuell aus ihrer Situation befreit wurden...

für mich schwingt da mit: ich habe mich nicht genug gewehrt.
Mag mich aber auch irren.

du hattest als Kind eine Überlebens'strategie' (und das ist m.E. die ganz simple Grundlage) - von Wahl kann da meines Erachtens nicht wirklich die Rede sein.

Wenn diese Strategie nicht mehr nützlich/adäquat ist und du das auch reflektieren kannst (ein Kind kann das nicht), dann hast du die Wahl - vorher nicht.
 
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