Hallo Lotusz,
Wenn man deinen Text liest, so könnte man meinen, dass Erleuchtung ohne ein aufwendiges Studium der Heiligen Schriften nicht möglich ist. Wenn das stimmt, dann sollte man zunächst einmal fragen, warum die Menschen sich um Erleuchtung bemühen. Bemühen sie sich nicht deshalb um Erleuchtung, weil sie in ihrem Inneren todunglücklich sind, weil sie Schmerzen an Leib und Seele erfahren? Mit anderen Worten, der grösste Antrieb, sich um Erleuchtung zu bemühen, besteht darin, dass sie Menschen sich von ihren körperlichen und seelischen Schmerzen befreien wollen.
Die Schriften sind zu einem gewissen Maße unumgänglich. Wenn man den Weg erkannt hat und fest darauf geht, dann könnte man die Schriften weglassen. Weise, die keine Schriften mehr benötigten, haben trotzdem weiterhin die Schriftne in Einbetracht gezogen, um diejenigen zu lehren, die nicht auf Schriften verzichten können. Die Schriften sind Prüfung für das was man sagt.
Ein spezielles Beispiel ist Indien. Dort erklären sich jeder Woche neue Betrüger zu Inkarnationen/Avataren Gottes oder großer Seelen. Wenn man jedoch auf die Schriften und andere Autoritäten hört, dann wird man wissen, dass es keine Inkarnationen gibt, wenn sie nicht in den Schriften angekündigt worden sind.
Warum sich die Menschen der Erleuchtung, Gott, dem Ungewissen im Leben, der Esoterik usw. zuwenden ist zum großteil wegen der Leiden des Lebens. Doch es ist nicht immer so. Manche sind einfach Neugierig; andere sind Wissbegierig und andere erhoffen sich auf diese Weise reicher und einflussreicher zu werden. Bei verschiedenen Menschen verschiedene Gründe.
Um zu verstehen, warum der Mensch so sehr in seinem Leben leidet, ist eine intensive Auseinandersetzung auf intellektueller Ebene sicherlich erforderlich. Ich sehe aber eine grosse Gefahr darin, die Heiligen Schriften als die absolute Wahrheit zu betrachten. Macht man das aber trotzdem, so besteht die Gefahr, die bei Religionen immer besteht, nämlich, dass der Mensch sich der Verantwortung entzieht und diese Verantwortung Gott "anvertraut". Ich habe für dieses Verhalten zwar durchaus Verständnis, manchmal ist die Last des Lebens eben nur schwer allein zu tragen. Ich sehe in diesem Verhalten aber auch eine Gefahr. Man hat sich zwar einer Last entledigt, aber gleichzeitig hat man sich dadurch auch selbst entmündigt.
Um garnicht in die zahlreichen vedischen Ratschläge einzugehen, nehmen wir nur die 10 Gebote aus der Bibel in Einbetracht.
Was ist nun Verantwortung? Zu behaupten, dass man auf Schriften nicht hören soll, weil man dadurch angeblich verantwortungslos wird, oder zu versuchen, diesen Ratschlägen zu folgen.
Da sehe ich viel eher den alten psychologischen Trick dem anderen seine Haltung anzudichten.
(Der Iraq ist gefährlich, deswegen muss er ausgeschlaten werden das ist ein ähnliches Beispiel aus dem praktischen Leben)
Verantwortung in der Gesellschaft und im Betrieb (als Beispiel) bedeutet, sich nach den Richtlinien zu verhalten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Jemand der nur das macht, was er machen will, kann nie einen Verantwortungsvollen Job haben. Die Begründung dafür lautet schlicht und einfach verantwortungslos.
Wenn man also die Richtlinien des spirituellen Lebens und des Lebens in der Gesellschaft nicht akzeptiert, oder nur in dem Maße, wie es mit gerade passt, dann ist das für ein Anzeichen von Verantwortungslosigkeit.
Da kann man natürlich argumentieren, dass es nicht bewiesen ist, dass die Gesetze Gottes und die Ratschläge der Schriften und Heiligen nicht zu Frieden führen, doch das ist genauso eine schlechte Ausrede, wie jeder andere Versuch die Autorität oder Existenz Gottes zu verneinen.
Ohne das beweisen zu müßen, reicht einem intelligenten Menchen nur wenn er sieht, wo hin das Leben ohne Gott führt. Nur ein Blick in die tageszeitung reicht schon.
Wenn man dann noch die Erfahrung machen darf, wie das gottgefällige Leben aussieht, dann sollte es keine Zweifel mehr geben.
Man sieht dieses Verhalten immer wieder bei Sektenmitgliedern. Die Mitglieder der Sekte ordnen sich den Vorstellungen der Sekte total unter. Die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Befindlichkeit wird einer kollektiven Philosophie untergeordnet. Und im Endeffekt funktioniert man nur noch als Marionette, die nach der jeweiligen Philosophie agiert. Man meint dadurch frei zu sein. In Wirklichkeit aber ist man gefangen in einer Philosophie die andere einem diktieren.
Da bin ich ganz deiner Meinung, doch für mich ist das ein Hinweis, dass sich diese Menschen entweder gar nicht oder falsch auf die Schriften beziehen. In diesem Falle beziehen sie sich viel mehr auf zusammengebraute Spekulationen. Wenn man sich in richtiger Haltung an die Heiligen Schriften bezieht, dann fällt man keinem Atheismus, Agnostizismus oder Dogmatismus zum Opfer, wie das der Fall bei Sekten, wie der Konsumsekte (mit einem Anteil von über 90% der Weltbevölkerung) und anderen mehr oder weniger gefährlichen Sekten ist.
Wenn Gott weiß, wie man die Welt so vollkommen erschafft, dann weiß er auch, wie er die Seelen durch die Anweisung in den Heiligen Schriften vollkommen führt. Er zwingt das jedoch niemanden auf. Aus diesem Grund gibt es solche, die diese Anweisungen ablehnen oder verdrehen. Das ist die Größe Gottes. Und sobald jemand die Ratschläge haben will, dann stehen sie ihm sofort zur Verfügung. Wie dankbar wir dafür sind, zeigt die Tatsache, dass wir Gott ablehnen oder gar selbst Gott sein wollen. Swami Prabhupada hat gesagt: Wir wollen Gott sein, doch wenn uns der Zahn schmerzen anfängt, dann laufen wir sofort heulend zum Zahnarzt.
Ich verhehle nicht, dass die Heiligen Schriften eine grosse Hilfe sein können, sein Leben sinnvoll auszurichten. Allerdings sollte man auch den Heiligen Schriften gegenüber immer eine gewisse Skepsis walten lassen. Sie sind von Menschen geschrieben. Und Menschen machen Fehler. Wird dieses nicht bedacht, dann hat das eher etwas mit Glauben als mit Wissen zu tun.
Menschen können nur weltliche Literatur schreiben und obwohl sie meinen etwas zu wissen, die Erfahrung beweist, dass sie nichts verstehen. Heilige Schriften offenbaren sich von innen und nur in der richtigen Geisteshaltung.
So wie man liebe nicht erzwingen kann, indem man jemanden eine Pistole an die Stirn drückt, so kann man auch nicht den Segen der Heiligen Schriften erzwingen; weder durch akademische Bildung, noch durch philosophische Veranlagung, noch sonst irgend wie. Erst wenn man sie in rechter Haltung begegnte, so können sie ihren segen ausbreiten, wie auch ein Mensch unsgegenüber Vertrauen offenbaren kann, wenn wir uns ihmgegenüber angebracht verhalten.
Das zu lernen ist eine Kunst. Die Kunst des richtigen Verhaltens. Nicht viele beherrschen diese Kunst. Jemand mag sich einwandfrei verhalten und sehr korrekt sein, doch wenn man ihn sieht, kann es sein, dass er voller Spannungen und kalt ist. Das ist so etwas wie der religiöse Dogmatiker oder der weltliche Moralapostel.
Die Kunst des Handeln, des angebrachten und liebevollen Handelns ist es etwas, was man auch aus keinen Schriften erlernen kann. An dieser Stelle würde ich dir natürlich Recht geben, wenn du sagst, dass die Schrift nicht immer notwendig sind. Doch zu dieser Ebene der Prüfungen muss man zuerst kommen und dazu benötigt man die Schriften in Buchform. Nach vedischen Verständnis gibt es zwei Arten von Schriften. Die Schrift in Buchform, oder die Schrift in Form einer Person, die die Schrift verwirklicht hat. Die wichtigere Gemeinschaft ist die Person mit der Verwirwiklichung, doch diese ist nicht leicht zu bekommen und man kann sie wiederum nur erkennen, wenn man durch die Augen Schriften sehen lernt, oder indem wie sich selbst offenbart.
Hierzu gibt es eine schöne Geschichte, doch darüber vielleicht ein anderes Mal.
Auch wenn Sri Caitanya Mahaprabhu sagt, dass im Zeitalter des Streites und der Heuchelei (Kaliyuga) das einzige Mittel zur Befreiung das Singen der Heiligen Namen des Herrn ist, so habe ich doch grosse Zweifel, dies als alleinige Wahrheit anzuerkennen. Es gab sicherlich zu Lebzeiten Caitanya's viele andere grosse Weise, die anderes sagten und auf anderem Wege zum Ziel fanden. Ich denke, es gibt zu jeder Zeit nicht nur einen Weg der zum Ziel führt, sondern genau so viele Wege wie es Menschen gibt. Das einzige Problem sehe ich darin, wenn jemand seinen Weg als alleinige Wahrheit betrachtet und zum Dogma erhebt.
Ja, es gibt so viele Wege, wie es Menschen gibt. Das ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Menschen verschiedene Ziele haben können.
Wenn ich den Bundespräsidenten von Deutschland in dieser Funktion treffen möchte, dann nützt es mir nichts nach ihm in meiner Stammkneippe, oder sonst irgend wo, wohin mich der Weg führt oder was mir in den Sinn kommt, zu suchen.
Zuerst muss ich mich an sein Büro wenden, dann kann ich, sofern er das veranlaßt die Information bekommen, wann, wo und unter welchen Bedingungen ich ihn treffen kann. An mir ist es dann, dort zur richtigen Zeit unter Berücksichtigung der Bedingungen zu kommen.
So ist es auch mit Gott. Wir können nicht hingehen, wohin uns unser Verstand oder unsere Sinneslust hinführen. Wir können, geführt von den Ratschlägen der Heiligen und der Schriften, nur dann zu Gott kommen, wenn wir uns das wünschen. Wenn sich jemand nicht wünscht zu Gott zu gehen, dann kann er gehen, wohin ihn die gesetze der Natur erlauben. Insofern gibt es viele Wege.
Die Veden sagen, dass es 8.400.000 Lebensgattungen gibt (nicht zu verwechseln mit Lebensformen), die innerhalb des Universums auf vierzehn Planetensystem leben. Man kann hoch und runter, quer und rüber gehen, doch Gott kan man erreich, so wie er es uns ermöglicht.
Wenn du ein Kürbissamen sähst, dann wirst du Kürbis ernten. Das ist nun mal eine Wahrheit und kein Dogma. So auch wenn man zu Gott gehen will, dann muss man den Weg zu Gott gehen und nicht zur spekulativen Zielorten des Schicksals. Aber jedem seine freie Entscheidung. Das sagt auch Krishna in der Bhagavad Gita 18.63:
Ich habe dir somit den vertraulichsten Teil allen Wissens erklärt. Denke in Ruhe darüber nach, und tu dann, was du für richtig hältst.
Ein Dogma hört sich für mich anders an: z.B. es gibt keinen Gott, die Heiligen Schriften wurden von Menschen geschrieben (sorry, nimm es mir bitte nicht übel, sondern versuche es zu prüfen; ich stelle mich gerne für Fragen zur Verfügung), oder viele ander Beispiel.
Alles Gute und einen schönen Sonntag noch. Was machst du eigentlich berulich, wenn ich fragen darf? (da du offensichtlich sehr viel auch im Internet bist)
Daniel