das liest sich in meinen Augen wie eine Menge angestauter Frust.
Ja, das ist es auch!
Schau, ich war grad vorhin bei meinem Arzt. Wir haben uns über gesunde Ernährung unterhalten. Also über das halbe dutzend verschiedenes Gift, das ich jetzt in form von Tabletten jeden Tag fressen soll.
Worauf er eben meinte, man solle sich doch mal kundig machen was in unserem Essen alles für Gift drinnen ist - und dass man doch wirklich besser beraten ist wenn man erstmal seine Kartoffeln selber hinterm Haus anpflanzt und frisch zubereitet.
Ganz meine Meinung - nur eben: 8 Stunden Arbeit (plus Weiterbildung in der Freizeit), 1 Stunde Mittagspause, 3 Stunden Fahrt von und zur Arbeit (tatsächlich 4, weil der ÖPNV jeden Tag verspätet ist) - und wann soll man dann einen Garten bestellen oder selber kochen?
Ja, meint der Doc, das wär ja auch kein Problem, heutzutage sind ja soziale Netzwerke ganz groß angesagt, und da kann man sich dann ja zu viert zusammentun und das gemeinsam organisieren.
Mir ist fast der Kragen geplatzt. Ich hab ja erst mit 36 Jahren angefangen beruflich Karriere zu machen - bis dahin war ich fest davon überzeugt und hielt es auch für das naheliegendste und selbstverständlichste, dass man auch auf eine gesunde, gemeinschaftliche und selbstbestimmte Weise zusammenleben und -arbeiten könnte, und eben nicht hinter Geld und Wohlstand herrennen, sondern Leben und Arbeiten auf eine sinnvolle und wohltuende Weise mit hoher Lebensqualität verbinden.
Erst mit 36 hab ich diese Ideen dann aufgegeben, weil sie nicht realisierbar waren und ich nur Hass und Beschimpfungen dafür geerntet hab - mit dem Hintergrund, dass ich solche Ideen doch den Leuten überlassen sollte die was davon verstehen (d.h. den Linken, den Grünen und den Sozialtherapeuten) und stattdessen lieber in mich gehen und Selbstzerfleischung üben und mir bewusstmachen was für ein minderwertiger Mensch ich als Mann doch sei - weil Männer ja per definition keine Seele haben und daher auch keine gemeinschaftlichen oder lebensbejahenden Ideen haben können!
(In der Industrie hab ich dann zum ersten Mal sowas wie menschliche Anerkennung erlebt - zwar nur Anerkennung für Höchstleistung, aber wenigstens überhaupt mal Anerkennung.)
Von daher hast Du ganz recht, da sind über 30 Jahre aufgestauter Frust - von unzähligen Ökos und Soziologen und Natur- und Eso-Gurus, die mir erzählt haben, dass ich das, was ich mir eigentlich an Lebensumständen gewünscht hätte, nicht wollen darf, weil das schliesslich
deren proprietäre Domäne ist und sie das Exklusivrecht auf "lebensbejahende" Ideen haben.
(Ich wollte ja nie Karriere machen - mir wär sowas wie ne art Hippie-Kommune als Selbstversorger mit eigenem Grünland viel lieber gewesen - und auf Wohlstand hab ich noch nie wert gelegt.)