Bei der Geschichte um das Abendmal wird Lukas doch überhaupt nicht erwähnt. Der Schreiber erzählt hier lediglich die Geschehnisse um das Abendmahl. So erzählt er auch die Geburtsgeschichte, in der er ja auch schon rein altersmäßig kaum Augenzeuge gewesen sein kann.
Nachdem auch anderseits die Geburtsgeschichte angeschnitten wurde, möchte ich da einmal anknüpfen. Zudem ist sie ein gutes Beispiel, warum manches geschrieben werden musste:
Eigentlich war es so, dass zum Beispiel bei Markus die Geburtsgeschichte noch kein Thema war. Mit der verstärkten Zuwendung von Jesus zum Messias rückte aber die Frage zur Geburt Jesus immer weiter in den Vordergrund.
Alle Evangelisten schrieben eindeutig und unmissverständlich davon, dass Jesus aus dem unbedeutenden Ort Nazareth kam. Ein Umstand, der zu einem Problem wurde, weil nach Jesaja der Messias aus dem Haus David in Betlehem geboren werden sollte. Es musste also ein Grund gefunden werden, wie man dieser Prophezeiung gerecht werden könnte.
Johannes 7[41] Andere sprachen : Er ist Christus. Etliche aber sprachen: Soll Christus aus Galiläa kommen? [42] Spricht nicht die Schrift: von dem Samen Davids und aus dem Flecken Bethlehem, da David war, soll Christus kommen? [43] Also ward eine Zwietracht im Volk über ihn.
(Jeremia 23[5])
Fakt dürfte sein, dass ein konkretes Geburtsjahr von Jesus nicht bekannt war, zumal die christliche Zeitrechnung erst um das Jahr 525 durch den Mönch Exiguus erstellt wurde. Jeder, der sich also mit der Frage zur Geburt Jesus beschäftigt, muss seine Berechnungen an einem außerbiblischen Ereignis in der Geschichte festmachen. Zeitangaben aus dieser Zeit sind da also ziemlich fragil und diffus.
Was Lukas bekannt sein konnte, war das Alter von Jesus und Johannes der Täufer. Er schrieb ja selbst, dass Jesus zu Beginn seines Wirkens 30 Jahre alt gewesen sei (Lk 3[23]). Lukas erzählt weiter, dass zur Zeit Jesus Geburt König Herodes der Große regierte und Kaiser Augustus durch den syrischen Statthalter Cyrenyus
(Qurinius) einen Zensus angeordnet habe.
Es ist nun aber so, dass Herodes im Jahr 4 v. Chr. verstorben war und deshalb der einzige Zensus, der infrage käme der Reichszensus im Jahr 8 v. Chr. gewesen. Das Problem ist, dass Flavius Josephus diesen Zensus in seine Chronik nicht erwähnte, sondern nur von einem Provinzialzensus im Jahre 6 n. Chr. berichtet. Er schrieb dort auch vom Unmut der jüdischen Bevölkerung bei der Erhebung dieses Zensus. Ein weiteres Problem ist, dass der besagte Statthalter Qurinius erst ab dem Jahr 6 n. Chr. dieses Amt begleitete.
Sicherlich befand sich Herodes der Große in der Abhängigkeit Roms, ob deren Einfluss aber auch so groß war, dass man diesem König einen Reichszensus verordnete, wage ich zu bezweifeln. Auch beim Provinzialzensus im Jahre 6 blieben die Gebiete von Herodes Antipas und Philliphos verschont.
(Merlin,gemeinfrei)
Ich denke schon, dass der Zeitrahmen zur Jesus Geburt im Umfeld des Provinzialzensus zu suchen ist. Nazareth gehörte jedoch nicht zu Judäa und Samaria, eine Reise nach Betlehem wäre bei einem Provinzialzensus also nicht erforderlich gewesen. So möchte ich noch erwähnen, dass bei einem Zensus nur das Familienoberhaupt und Frauen mit eigenem Besitz erscheinen mussten.
Im Kapitel 3 bindet nun Lukas zunächst den Beginn des Wirkens von Johannes an das 15. Regierungsjahr des Kaisers Tiberius. Das bedeutet also, dass Johannes im Jahr 30 mit seiner Mission begann. Jesus hatte dann gemäß der Evangelien erst mit der Festnahme des Täufers mit seiner Mission begonnen. Die Ereignisse um die Festnahme des Täufers, dessen Tod und die folgende Kreuzigung Jesus, lassen das Jahr 36 zu.
Ausgehend vom Reichszensus im Jahre 8 v. Chr. wäre also Jesus um die 44 Jahre alt geworden. Geht man vom Provinzialzensus im Jahre 6 n. Chr. aus, hingegen 30 Jahre. Das muss nun nicht unbedingt so gewesen sein, erklärt aber etwas die Schlussfolgerungen und mögliche Irrtümer von Lukas.
Gut, man könnte nun diese Geschichte einfach nur beiseitelegen, aber wäre das nicht auch ein kultureller Verlust für uns? Lieben wir Märchen nicht deshalb über alles, weil sie uns berühren und bewegen und das scheinbar Unmögliche zur Wirklichkeit werden kann?
Unabhängig von der schönen Geschichte, könnte darin ein Fünkchen Wahrheit stecken, nämlich die Existenz eines Jesus. Einen literarischen Jesus hätte man ja gleich in Betlehem verorten können und nicht in dem bedeutungslosen Nazareth. Ein Umstand, der damals allgemein bekannt war und sich nicht durch einen Federstrich beseitigt ließ.
Merlin
.