Ich finde diesen Begriff "mindfuck" ganz treffend. Er klingt zwar nicht sehr freundlich, aber er will ja aussagen, daß die Wahrnehmung unseres Inneren - und dazu gehört nun mal auch das Jenseits - letztlich ein selbstgemachtes, vergängliches Ding ist, das während des Lebens frei schöpfbar ist.
Du berichtest z.B. von dem streichholzschachtelgrossen Fensterchen oben rechts. Dieses Fensterchen habe auch ich in mir generiert, als Kind mit sieben Jahren. Damals starb mein Vater. Ich hörte, wie nachts der Telefonanruf aus dem Krankenhaus kam, den wir erwarteten. Mein kindliches Bewusstsein hat darauf so reagiert, daß es zunächst das Gesicht meines Vaters auf sich zukommen sah, welches lachte und drumherum strahlte wie innendrin. Wir blickten uns an, und dann sagte mein kindliches Bewusstsein zu ihm (wohl um es zu verstehen): "Du bist jetzt tot."
Dann geschah es nach einer Weile, daß das Gesicht sich entfernte, bis es verschwand. Unmittelbar danach erkannte ich rechts oben in meinem kindlichen inneren Blickfeld ein helles Fensterchen, das von innen heraus geöffnet wurde. Es stand ein weisses, strahlendes Wesen dort, welches zu mir herabwinkte. Ich wusste: Papa ist jetzt da oben.
Wir alle erfahren beim Verlust von Angehörigen Traumata solange, bis wir mit dem Tod umgehen können. Können wir das noch nicht - haben wir also keine gefestigte Vorstellung von der Bedeutung unseres eigenen Lebens und Todes und damit auch über das Leben und den Tod derer, die wir lieben - so muß unser Bewusstsein die Belastung, welches es im Moment erfährt, einer anderen Verarbeitung zuführen.
Eine mögliche Form dieser Verarbeitung besteht in dem Erleben, daß der Verstorbene Kontakt zu uns aufnimmt. Eine weitere mögliche Form der Verarbeitung ist das Aufnehmen der in der Umgebung vorhandenen Idee, Seelen seien um uns herum, die uns gut tun, nämlich unsere Angehörigen. Damit kauft sich unser Bewusstsein aber auch die Möglichkeit der Wahrnehmung ein, daß es auch Seelen gibt, die uns nicht gut tun. Unserem Bewusstsein ist es nämlich egal, daß wir gerne nur "eine" Sicht auf die Dinge hätten.
Diese Ursache, daß unser Bewusstsein diese Paralellwelten aufspannt, liegt in der mangelhaften Verarbeitung des Traumas. Gerade in der ersten Zeit nach einem Verlust ist es also natürlich, daß das Bewusstsein Möglichkeiten erschafft, die uns gestatten, das Trauma im Moment nicht zu erleben. Es täuscht uns vor, der "Verloren Geglaubte" lebe weiter wie bisher, in einer Welt, um uns herum, die wir lediglich nicht sähen.
Trauer wird als Prozeß beschrieben: er besteht aus den Phasen Sehnsucht, Verzweiflung, Nichtglaubenkönnen, Wut und Ablehnung, und letztlich geschieht die Hingabe in das "Schicksal" als Verbliebener und die Annahme der Tatsache, daß der Verstorbene unwiderruflich verloren ist. Er bleibt uns in unserer Erinnerung erhalten, aber die Idee eines Weiterlebens in der gleichen Art wie dieses Leben hier ist, geht verloren. (wobei das auch abhängig vom Glauben sein wird, aber man sagt ja: "Die Zeit heilt alle Wunden".)
Natürlich dauert es eine individuelle grosse oder kleine Zeit, bis man den Prozess des Trauerns durchlaufen hat und dann die natürliche Traurigkeit übrig bleibt, die der Tod und Verlust sicherlich verursachen soll. Wir müssen erst lernen, damit zu leben, daß der Verstorbene uns verlassen hat und wir können nicht beeinflussen, ob unser Gehirn das schon fassen kann, oder uns illusionäre Visionen verursacht.
Dieses Reifen als Hinterbliebener, welches der Trauerprozeß darstellt, ist natürlich umso schwieriger, wenn das Leben einen frühen Tod hatte, der durch einen Unfall geschah. Dann fällt es doppelt schwer, einen Sinn darin zu finden, daß das Leben so kurz war, sich kaum entwickeln konnte und so früh endete.
Erkennt man in sich selbst den Sinn des Lebens allgemein, dann erkennt man, bei entsprechender Spiritualität und spirituellen Bildung über die Zusammenhänge, die Leben und Tod, Diesseits und Jenseits bedeuten, die eigene Verirrung. Das ist im Grunde dann der "mindfuck" - der sich nicht sehr schön anhört, als Wort. Ich empfehle also ein Studium der Weltliteratur zum Thema Tod und Sterben, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Hier im Forum wirst Du überwiegend nur Bestätigung von denen finden, die genauso traumatisiert sind wie Du selber.
Die Wahrnehmung, die Du hattest, wurde von Dir selber hergestellt, ohne daß Du es beeinflussen konntest, schreibst Du. Daß Dein Sohn die Ursache für Deine Wahrnehmung war - daß er also in der Tat Kontakt mit Dir suchte nach seinem Ableben und Du mit ihm - ist zunächst mal ein Glaube, den man glauben kann oder nicht.
Du berichtest, daß der Aberglaube Deiner Eltern, welche Deine Frau nicht teilt, von Dir zunächst nicht geglaubt wurde, daß Du diesen Aberglauben an Parallelwelten etc. aber übernommen hast, als Du in Dein Elternhaus zurückgezogen bist. Und Du berichtest, daß "Kristallkind" und "Räuchern" nichts brachte. Es ist jetzt die Frage, woran Du zweifeln willst und was Du glauben möchtest.
Insgesamt hatten Deine Eltern wohl nicht die Möglichkeit Dir vorzuleben, wie ein gesundes Trauern zu einem Abschied führt, der ein Weiterleben ohne Einschränkungen der Lebensqualität - aber mit Traurigkeit im Herzen dann, wenn man sich erinnert - einhergeht. Vielmehr wird in Deiner Familie möglicherweise über Generationen hinweg die Verzweiflung und die Sehnsucht vorgeherrscht haben, die Familien trifft, wenn nahe Verwandte plötzlich sterben und kein Zugang zu einer geistlichen Begleitung vorhanden war, welche die Familie vom Leid befreien konnte. Häufig ist es ein Selbstmord gewesen oder eine Totgeburt, bei welcher der Famlie die spirituelle Unterstützung versagt wurde. Oder aber es ist die Umgebung, auf dem Land, welche die Familie bewog, ihr Leid zu verstecken. Möglicherweise wiederholst Du also ganz einfach die Erlebnisse Deiner Ahnen.
Ich denke also, daß Du es jetzt wählen kannst, wie es mit Dir und Deinen Kindern und ihren Kindeskindern weitergeht. Wirst Du die Angst und die Vorstellung vom "Unsichtbaren, das uns beeinflusst und ereilt oder erlöst" an die folgenden Generationen weitergeben? Eher nicht, nehme ich an. Da Deine Frau die Stärke hat, die Dir fehlt, ihre Präsenz behält, hast Du auf Deinem Weg sicher eine gute Begleiterin. An ihr könntest Du dir ein Beispiel nehmen, so wie Ihr auch gemeinsam versuchen solltet, den Abschied zu wagen, die Trauer zu trauern, die da ist, und Illusionen zu erkennen als Erinnerung, die sich vordrängt in Euer zur Zeit geschwächtes Bewusstsein. Tränen können da helfen, viele viele gemeinsam geweinte Tränen. Im Rahmen Eurer Paarbeziehung gilt es jetzt, achtsam dafür zu sein, daß die spirituelle Bewältigung des Todes gemeinsam geschieht, denn man weiß, daß die unterschiedliche Bewältigungsmöglichkeit von Eltern eines verstorbenen Kindes oft dazu führt, daß sich diese trennen. Auch hier meine Idee: überlege, was Du willst. Du bist der Schöpfer Deiner eigenen Bewusstheit und dessen, was Du glauben willst.
Das wünsche ich Dir. Daß Du Macht zurück gewinnst, die Du verloren hast. Durch gelingende Trauer. Diese gelingende Trauer beinhaltet auch illusionäre Visionen. Es gilt, diese von der Realität trennen zu lernen und sich im Glauben zu festigen. Daher wiederhole ich: lest viel, und unterhaltet Euch darüber, was es bedeutet, das da steht. Lenkt Euer Bewusstsein auf einen neuen Sinn.
Mit vielen Grüssen, und hochachtungsvoll,
Trixi Maus
(also Tip: Lesenlesenlesen, was die Kulturen über das Leben und den Tod schreiben)