Wir ernten, was wir säen? (@mara)

hallo Déguórén,
Déguórén schrieb:
...nein, das habe ich nicht. Ich habe jedoch viele Gründe gefunden um zu rechtfertigen, dass Verantwortung kollektiviert werden muss. (Lese ich aus Deiner Wortwahl eine gewisse Feindseeligkeit heraus? Ich hoffe nicht.)
das hattest du so aber nicht gesagt. konnte ich also nicht wissen.
das wirft fuer mich allerdings die frage auf: wie kann man verantwortung kollektivieren ? bei mir ist es naemlich so: mein oberster richter, bin immer noch ich selber. wenn ich mich z.B. schuldig fuehle, so kann mir dies kein kollektiv der welt abnehmen. verzeihen kann ich mir zu guter letzt nur selber. und im gegenteiligen fall, wenn mir das kollektiv schuld zuweisen wuerde, so existierte sie fuer mich nur dann, wenn ich diese ebenfalls verspuerte. ich bin ein autonomes wesen und deshalb faehig, fuer mich und meine taten verantwortung zu tragen.


...das ist mit absoluter Sicherheit nicht möglich! Ich kann Dir versichern, dass Deine Aussage falsch ist. Beweis: Ich bin ein Mensch. Demzufolge müsste Deine Aussage auch auf mich anwendbar sein. Das ist sie jedoch nicht. Es gibt eine schier unendliche Anzahl von Situationen, in denen ich nicht "bewusst" entscheide(n kann), was ich denke/ sage/ tue. Ich kann nichts dafür, dass gewisse Dinge mich interessieren, andere jedoch nicht. Die Interessen und darüber hinaus natürlich meine Begabungen und Schwächen sind jedoch wesentliche Grundlage meiner "Entscheidung", wie mein weiteres Leben aussehen soll (Schule, Studium, Beruf). Ganz fundamentale Entscheidungen meines Lebens beruhen also auf Unwägbarkeiten. Selbst wenn ich mich dafür "entschiede": ich werde niemals Weltmeister im Schwergewichts-Boxen sein, da ich z.B. keine 2Meter groß und 1,5Meter breit bin. Mir fehlen die körperlichen Voraussetzungen - kann ich was dafür? Anderer Fall: Wenn mir jemand ein Messer in die Hand kloppt - welche Möglichkeiten habe ich dann? Kann ich frei entscheiden darüber, ob dies schmerzt oder nicht? Nein, ich für meinen Teil kann es nicht. Es folgt: deine Aussage ist falsch... q.e.d.
ich bin der ansicht, dass meine aussage auch auf dich zutrifft. es ist ein unterschied, ob du nicht bewusst entscheiden kannst, oder willst.
und dass man die moeglichkeit hat bewusst zu entscheiden was man denkt, sagt oder tut bedeutet ja nicht automatisch, dass jede abstruse idee sich realisieren wird. aber du kann entscheiden, ob du diese idee (zb boxweltmeister zu werden) verfolgen willst. es bedeutet nicht einen masterplan fuer sein leben parat zu haben. ganz im gegenteil. die folgen meiner handlungen kann ich nicht kontrollieren. deshalb ist es die absicht, die zaehlt.
wenn ich allerdings bewusst handle, handle ich auch innerhalb meiner moeglichkeiten, da ich diese kenne.
und um auf das beispiel mit dem messer zu kommen: wenn dir das passiert, kannst du vielleicht nicht entscheiden ob dir das weh tut oder nicht. aber du kannst entscheiden was du darueber denkst, sagst, oder was du aus dieser erfahrung machst. du kannst es deinem gegenueber vergelten, oder nicht.
...ich habe an Hand einer rein logischen Gedankenkette (Ursache - Wirkung) dargelegt, dass dies nicht möglich ist. Zeige auf, wo die Schwachstelle meiner Logik liegt.
ich habe keine ahnung, ob in deiner logik eine schwachstelle liegt. das ist nicht mein terrain...
wenn, dann finde ich, dass, im menschlichen sein, die reine logik an sich die schwachstelle ist.

...nein. Das spielt in meinen Ausführungen keine Rolle. Ich wiederhole den Kern meiner Aussage: menschliches Verhalten ist kausal. Jede Handlung hat eine Ursache. Ob Emotion oder nicht - vollkommen wurscht.
das kann ich so stehen lassen.


...ich finde dies außerordentlich unfair. So sind z.B. besonders intelligente Menschen sehr viel besser in der Lage, die Konsquenzen ihres Handelns abzuschätzen. Sie besitzen einen ANGEBORENEN Vorteil gegenüber den normal oder weniger intelligenten. Vor allen Dingen kann ich aber wiederum nur sagen: wenn Du meine rein logischen Darstellungen nicht widerlegen kannst, dann habe ich allen Grund, von deren Gültigkeit auszugehen. Das bedeutet aber dann ganz eindeutig, dass es eben nicht "fair" wäre.

intelligenz...das ist so eine sache.
ich denke bei manchen menschen ist ein gewisses abstraktes denkvermoegen besser ausgepraegt als bei anderen. und selbst dieses ist nur zum teil angeboren.
der umkehrschluss deiner aussage liest sich fuer mich, als glaubtest du, weniger "intelligente" menschen haetten weniger kontrolle ueber die konsequenzen ihrer handlungen.
dass irgendjemand wirkliche kontrolle darueber hat, was seine handlungen zuletzt bewirken, taeuscht.
ich sage: der erfahrungsspielraum ist bei uns allen der selbe.
und das ist eben mein massstab. deshalb find ichs fair.

;)

alles liebe

mitsy
 
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es steht ja in meinem "anhangs-satz", wie ich das thema verstehe.
was mir begegnet und was ich damit mache....und dann vor allem die emotionale qualität des ganzen...bestimmt wohl mein leben.

dadurch gibt es ( fast) immer chancen.

ich mag es nicht, wenn ein erwachsener sich laufend auf seinen schlechten kindheitserfahrungen "aus ruht".
denn es gibt sehr starke traumata....und vieles, was uns wohl prägt.
...und diese tatsache hat sich sehr wohl in der "alltagspsychologie" breit gemacht.
es gibt notfälle, ja..aber ich muss nicht das ganze leben wie einen notfall behandeln. (im sinne von..aufgrund meiner erfahrungen kann ich da leider nichts ändern...)

so finde ich es auch für mich nicht zulässig, jedes! verhalten mit der eigenen biografie zu entschuldigen. nach voll ziehen...ja...
doch bestimmte handlungen ziehen nun mal verschiedene konsequenzen nach sich...
mir ist es diesbezüglich! ziemlich egal, welche kindheit und intelligenz jemand hat....vor manchem umgehen mit mir setze ich unabhängig davon (soweit mir möglich) meine grenzen. und ich komme auch mit verschiedensten menschen gut aus...verschiedenstes alter, bildung, prägung....

das heisst..ich kann dein verhalten nach voll ziehen UND hier ist eine grenze vor mir.
menschen erleben sehr wohl, wie manches an kommt...und haben meist alternativ auch andere verhaltenmöglichkeiten zur verfügung.

was "schwache" unserer gesellschaft betrifft...hilfe (zur selbsthilfe) ist aus meiner sicht sowieso an gebracht. massgeblich ist da für mich nicht die verschuldensfrage, sondern das wollen des menschen. es ist für mich eine unart, nur "unverschuldet" in not geratenen helfen zu wollen. somit stellt sich die frage nach der "schuld" für mich nicht im sinne des bewertens...sondern das tlw. nach voll ziehen kann helfen, passende alternativen zu finden...wenn dies mit einem zielbild verbunden wird.
 
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Hallo Mitsy,

wie kann man verantwortung kollektivieren ?
...ganz einfach: man berücksichtigt eine größere Anzahl von Einflussfaktoren als bisher. Teilweise tut man dies ja schon - z.B. dadurch, dass man Kinder nicht ins Gefängnis steckt und psychisch Gestörten ihre Verminderte Schuldfähigkeit zu Gute hält. Die Frage ist: ab wann ist man eigentlich "psychisch gestört"?

mein oberster richter, bin immer noch ich selber. wenn ich mich z.B. schuldig fuehle, so kann mir dies kein kollektiv der welt abnehmen.
...schon möglich. Doch dies ist es eigentlich nicht, worum es mir geht. Viel wichtiger ist die Frage: wie kann eine effektive Justiz gleichzeitig gerecht und nutzbringend sein? Dies könnte dadurch gelingen, dass man die Frage der "Schuld" außen vor lässt - sie dient nämlich letztlich einzig der Befriedigung von Rache-Gelüsten. Stattdessen sollte man sich intensiver als bisher bemühen, eine möglichst große Anzahl derjenigen Faktoren zu identifizieren, die zum Verbrechen geführt haben, und dazu gehören nunmal auch - wie bereits dargelegt - Umwelteinflüsse, Veranlagung, soziale Umgebung und die ganz spezielle Situation "vor Ort". Dies böte die Möglichkeit, diese Faktoren in Zukunft zu eliminieren oder doch wenigstens zu minimieren, um Verbrechen unwahrscheinlicher zu machen.

ich bin ein autonomes wesen
...das würde ich bezweifeln. Es gibt wohl nicht viele "autonome Wesen" in der Welt. Du bist - so wie die allermeisten anderen Menschen auch - eingebunden in ein komplexes Netz sozialer und physikalischer Wechselwirkungen. In nahezu jedem Moment Deines Lebens wirst Du von Deiner Umwelt geprägt und zu - mehr oder weniger - adäquaten Reaktionen motiviert.

und dass man die moeglichkeit hat bewusst zu entscheiden was man denkt, sagt oder tut bedeutet ja nicht automatisch, dass jede abstruse idee sich realisieren wird.
...ich denke, dies ist ein wesentlicher Punkt. Hätte ich tatsächlich alle Fäden in der Hand ("volle Verantwortung"), dann könnte ich selbstverständlich Weltmeister werden. Dass ich es nicht kann, liegt einzig und allein daran, dass ich eben nicht ALLEIN die Regeln bestimme. Ich bin GEZWUNGEN, mich gewissen Gesetzen (künstlicher und natürlicher Art) zu unterwerfen. Diese Gesetze habe ich nicht aufgestellt - sie fallen daher nicht in meinen Verantwortungsbereich. Zugegeben: das Weltmeister-Beispiel ist ein wenig an den Haaren herbei gezogen, doch vollkommen legitim.

deshalb ist es die absicht, die zaehlt.
...meiner Meinung nach ist es das Resultat, das zählt.

und um auf das beispiel mit dem messer zu kommen: wenn dir das passiert, kannst du vielleicht nicht entscheiden ob dir das weh tut oder nicht. aber du kannst entscheiden was du darueber denkst, sagst, oder was du aus dieser erfahrung machst. du kannst es deinem gegenueber vergelten, oder nicht.
...doch wie auch immer ich mich entscheide - ich kann die Frage stellen: Warum habe ich mich so entschieden? Es muss - gemäß meinem Postulat - eine Ursache für meine Entscheidung geben. Das Spiel geht also von vorne los. Speziell an diesem Beispiel kann ich sagen, dass Veranlagung, Alter und insbesondere die Erziehung einen ganz enormen Einfluss auf die Entscheidung haben. Wie reagiert man als wohl erzogenes Kind? Man rennt zum Lehrer und petzt. Und zu Hause rennt man zur Mama und petzt. Warum? Naja, weil man es so gelernt hat. Und wie reagiert ein schlecht erzogenes Kind? Es besorgt sich vielleicht einen Knüppel und drischt zurück. Warum? Weil es dies so gelernt hat.

dass irgendjemand wirkliche kontrolle darueber hat, was seine handlungen zuletzt bewirken, taeuscht.
...ich glaube ja auch nicht, dass irgend jemand eine vollständige Kontrolle darüber hat. Wie könnte ich auch? Dies widerspräche meinen Aussagen ja komplett. Doch warum hat man diese Kontrolle nicht? Weil man nicht alle Einflussfaktoren kennt. Und warum nicht? Weil es auch (nur?) Einflüsse gibt, die man nicht selbst in Gang gesetzt hat. Deutlicher: es sind externe Faktoren, die zum Resultat führen --> von voller Verantwortung kann da keine Rede sein.

der erfahrungsspielraum ist bei uns allen der selbe.
...glaubst Du das wirklich? Die Kinder, die derzeit in Pakistan erfrieren, haben den gleichen Erfahrungsspielraum wie wir? Ein in "asozialen" Verhältnissen aufgewachsener Mensch hat den gleichen Erfahrungsspielraum wie Prince William? Sorry, das sehe ich ein wenig anders: die Randbedingungen, welche den Charakter ganz wesentlich prägen, könnten sich drastischer kaum unterscheiden: jeder erfahrungsspielraum ist einzigartig.

LG

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Hallo Jovannah,

was mir begegnet und was ich damit mache....und dann vor allem die emotionale qualität des ganzen...bestimmt wohl mein leben.
...das ist selbstverständlich richtig. Da drückst Du - in etwas romantischeren Worten - genau das aus, was ich auch sage. Doch Du meinst es ganz anders, nicht wahr?

Was begegnet uns denn? Ein soziales Umfeld, in welches wir hinein geboren werden. Was noch? In gewisser Weise begegnen wir uns natürlich selbst: um unsere genetische Veranlagung kommen wir nicht herum. Weiter? Nachrichten, Erziehung, zufällige Ereignisse, Freunde, Feinde, Nachbarn. Kurzum also: einer gigantischen Anzahl von zumeist externen Einflüssen. All diese Einflüsse prägen uns, da wir mit ihnen wechselwirken.

Es sind genau diese Einflüsse, welche darüber entscheiden, "was ich damit mache".

ich mag es nicht, wenn ein erwachsener sich laufend auf seinen schlechten kindheitserfahrungen "aus ruht".
...dann tu was dagegen! Präge ihn so, dass er sich nicht mehr ausruht.

so finde ich es auch für mich nicht zulässig, jedes! verhalten mit der eigenen biografie zu entschuldigen.
...es geht nicht um entschuldigen. Dazu habe ich Mitsy bereits etwas geschrieben (s.o.). Frage: hast Du alle Beiträge in diesem Thread gelesen? Falls nicht, tu es bitte. Ich habe anhand - wie ich finde - klarer Gedanken formuliert, dass die Logik des Ursache-Wirkungs-Prinzips letztlich erzwingt, alles auf die "Biografie" zu schieben. Daher kann ich auch Dir nur sagen: zeige auf, wo der Fehler in meiner Logik steckt, dann kann ich mit Deinen Aussagen etwas mehr anfangen.

mir ist es diesbezüglich! ziemlich egal, welche kindheit und intelligenz jemand hat
...mir nicht - im Gegenteil: ich finde es außerordentlich wichtig. Es sind schließlich äußerst wichtige Randbedingungen. Und diese haben natürlich einen immensen Einfluss auf das gesamte Leben.

vor manchem umgehen mit mir setze ich unabhängig davon (soweit mir möglich) meine grenzen.
...und warum? Was ist die Ursache dafür, dass Du dies tust? Ich würde mal sagen: hauptsächlich Deine Erziehung und Dein soziales Umfeld.

und haben meist alternativ auch andere verhaltenmöglichkeiten zur verfügung.
...doch letztendlich entscheiden sie sich ja nur für eine der Möglichkeiten. Warum aber wählen sie nun ausgerechnet diese aus? Das muss ebenfalls eine Ursache haben.

es ist für mich eine unart, nur "unverschuldet" in not geratenen helfen zu wollen.
...da gebe ich Dir vollkommen Recht: Wenn jemand in Not gerät, dann letztendlich immer unverschuldet.

somit stellt sich die frage nach der "schuld" für mich nicht im sinne des bewertens
...für mich auch nicht (s.o.).

LG
 
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