Das klingt ebenso logisch wie es durch Beobachtung nicht zu bestätigen ist, liebe Venus-Pluto. Millionen sind gestorben ohne Ballung der Übeltäter, Zahllose haben Häufungen der "Bösen" überlebt.hi2u schrieb mal, um zu sterben, müssen alle Übeltäter zusammen kommen. Das sind sie bei mir gerade highendig. Bin gespannt, ob ich überlebe.
Ich will versuchen, ein paar Bilder zu formulieren, die mir beim Lesen Deines Threads gekommen sind, und werde mich bemühen, das nicht als Klugscheißerei aus der Distanz klingen zu lassen, was ja immer ein gewisses Risiko ist. Darum auch eingangs: Es hat mich berührt, was Du da schilderst ... ein tiefes Tal, in dem Du Dich bewegst.
Da auch gleich das erste Bild: die Sackgasse. Man/frau (und ich gendere jetzt nur ein Mal, um's ordentlich getan zu haben...) kann sich verzweifelt die Stirn anrennen an der Mauer, die den besseren Weg versperrt. Immer wieder. Und das Schicksal beklagen. Und sich aller möglichen Dinge bezichtigen, die hierher geführt haben. Und Hephaistos lacht im Hintergrund – wieder eine ins Netz gegangen.
Du kannst mit der Hand gegen eine Wand drücken, bis sie schmerzt, die Hand. Die Wand wird nicht weichen. Das erkennend kannst Du die Wand loslassen, und erst einmal lässt der Schmerz nach. Dann kannst Du die Wand entlanggehen und schauen, ob sie irgendwo niedriger ist, ob sie einen Durchschlupf bietet. In Sackgassen bietet es sich an umzukehren. Es gilt, den Einflüsterungen zu widerstehen, das wäre ein Rückschritt. Die Verlockung, es ginge ums Heroische, um den Kampf gegen die Windmühlenflügel. Ganz nüchtern sind Sackgassen einfach möglich in dem Labyrinth, das sich Leben nennt, und der Weg nach vorn führt nur zurück bis zur nächsten Abzweigung, die vorher vielleicht verpasst wurde oder wo eine Entscheidung getroffen wurde, die geändert werden kann. Und aus einem tiefen Tal führt der Weg selten über die steilen Flanken mit all den Absturzgefahren, sondern in der Regel geht es am besten, wenn man dem Tal folgt, am besten bergab. Was der Phrase widerspricht, es müsse im Leben immer bergauf gehen. Man kann den Flüssen trauen ... die fließen nicht zur Quelle, sondern weiter.
Bei plutonischen Themen geht es um den Schatten. Viel Licht bringt viel Schatten. Manche leben dann lieber auf Sparflamme. Andere sind vor die Herausforderung gestellt, sich mit ihrem Schatten zu versöhnen, ihn zu integrieren. Das heißt NICHT, ihn zu nehmen und zu behalten, wie er ist (oder zu sein scheint - mehr als das sehen wir eh nie ...). Es heißt, ihn wahr- und ernst zu nehmen und dann zu sehen, welche weiteren Schritte Wege versprechen, die erwünschter sind als andere. Es geht immer nur um Schritte, wenn ich mehr zu tun versuche als den nächsten Schritt in eine brauchbare Richtung zu lenken, stolpere ich, weil ich mich übernommen habe, und Pluto kichert.
In Zeiten, in denen Pluto zu den maßgeblichen Kontexten des Lebens gehört, scheinen sich die Handlungsoptionen auf eine schmale Tunnelperspektive einzuengen ... es wird schwerer bis scheinbar unmöglich, dem kybern-ethischen Imperativ Heinz von Foersters zu folgen: "Vermehre die Möglichkeiten!"
Im Kampf gegen den Schatten gewinnt der Schatten. In aufrichtigen Bündnissen, in denen das eher schwache Bewusstsein auch darauf verzichtet, den Schatten austricksen, ihn beherrschen zu wollen, kann sowas wie die Fülle von Yin und Yang draus werden. Nichts von heute auf morgen, schon gar nicht, wenn Pluto grad im Quadrat die Zähne fletscht ... und vielleicht das Bild des wütenden Hundes, der eher noch animiert wird, wenn er die Angst spürt; der vielleicht besänftigt wird, wenn man ihn an der offen zur Freundschaft ausgestreckten Hand schnuppern lässt. Das Misstrauen wird noch eine Weile bleiben, aber auch der Keim eines neuen Miteinander wird erahnbar ... die Schöne und das Biest ...
Und natürlich die radikalen Lösungen ... die scheinen verlangt zu sein, die stehen am Horizont. Die radikale Wende, damit nach dem Durchtauchen der Nachtmeerfahrt ein anderes Licht scheinen und wärmen kann. Das Verbrennen des Lastenden, damit der Phönix aus der Asche aufsteigen kann. Plutonische Imperative. Du hast ja selbst sehr klar beschrieben und weißt vermutlich eh schon, vielleicht noch nicht in aller Klarheit, aber im Keim, was an radikalen Lösungen ansteht, was enorme Kraft verlangt und im gleichen Augenblick auch diese Kraft transformiert zurückgibt ... ich sag's ganz konkret und setz mich Deinem Ärger aus: Es wird eine Ehe zu scheiden sein, es wird eine verhatschte Beziehung loszulassen sein, und es wird den Abschied von Schuldzuweisungen geben müssen ("die böse EU") und das Einstehen für eigene Entscheidungen ... um nur ein paar Dinge zu nennen. Da leuchtet dann auch das uranische Thema der Befreiung auf.
Der Suicid wäre freilich auch eine radikale Maßnahme, eine Lösung allerdings wohl kaum. Und ob es eine Erlösung wäre, steht nicht einmal in den Sternen. Ich zähle auch den Tod zu den Aspekten des Lebens, und nachdem ich das Leben insgesamt mag und mich ihm gern anvertraue, hat auch der Tod für mich keine sonderlichen Schrecken. Und ich kann auch gut akzeptieren, wenn jemand die Entscheidung trifft, sich dem Tod anzuvertrauen. Ein mitfühlendes Bedauern, Trauer verspüre ich dann, wenn es für mich so scheint, als wäre die Entscheidung keine zu einem Freitod, sondern eine aus einer zwanghaften Einengung heraus, keine bewusste, sondern im Gegenteil eine sehr getriebene, unbewusste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tod eine Lösung ist, wenn ich das Leben verweigere, vor seinen Herausforderungen kneife. Wenn ich das ganze Leben genommen habe, mit allem Licht und allem Schatten, dann vielleicht kann ich drüber nachdenken und in mich hineinspüren, ob ich leben will oder sterben. Wenn's noch was zu tun gäbe, würde ich's wohl lieber tun und die Entscheidung über meinen Tod dem Leben überlassen ...
Und neben all dem Wortgeklingel: Transite haben den Vorzug, sich mit der Zeit zu vertschüssen. Neben dem Tod gibt es eine zweite große Gewissheit: Nichts bleibt so, wie es ist. Und "wie es ist" ist auch immer nur das Produkt meiner Fokussierung.
Alles Gute,
jake