Immer wieder trifft man auf Menschen, mit denen ein Gedankenaustausch bzw. die Entwicklung gemeinsamer Gedanken nicht möglich ist.
Mögen es Menschen sein, deren Charaktereigenschaft Bosheit und Häme ist und Manipulatoren sind oder Menschen, die lediglich Bosheit und Häme als Kommunikationsstilmittel verwenden, bewusst oder unbewusst manipulieren oder provozieren wollen. Das bleibt sich gleich. Bei ersterem wird man im Laufe des Gespräches selbst ärgerlich und wird man ärgerlich, hat man verloren: an Souveränität, an Distanz, an Überzeugungskraft. Bei letzteren kostet es unendlich viel Energie, das Gespräch wieder auf eine sachliche, konstruktive und wertschätzende Basis zu bringen.
Dennoch verfügen diese Menschen auch über andere Charakterzüge: sie sind bestimmt hilfsbereit, fleißig und anständig. Man kann mit ihnen wunderbar in ein und derselben Handballmannschaft spielen, kann mit ihnen im Chor singen, aber man kann sich mit ihnen keine verbalen Bälle zuspielen.
Manipulation und Provokation im Gespräch kann durchaus als Stilmittel einen Sinn haben und ein Gespräch voran bringen. Als Charaktereigenschaft hingegen verhindern Manipulatoren und Provokateure ein tiefgehendes Gespräch.
Heutzutage betrachten wir Aggression oft als etwas schlechtes, etwas, das wir nicht an uns herankommen lassen dürfen oder gar selbst verwenden dürfen. Aggression per se ist ab weder gut noch schlecht. Ohne Aggression, kein Fortschritt ohne Aggression kein Frühling. Denn was anderes passiert, wenn die Natur den Winter vertreibt? Aggression wird erst dann zum Übel, wenn wir sie dazu einsetzen, um andere zu dominieren oder gar um ihnen zu schaden.
Aber wir brauchen Ärger, Wut, Aggression als Triebfeder. Wichtig ist, unsere eigene Aggression zu erkennen, anzunehmen und sie in eine konstruktive Kraft zu transformieren, zu verwandeln. Gewinnen wir Mut aus unserer Wut, gelingt es uns, anzusprechen, was uns ärgert und eventuelle Missstände zum Besseren zu wandeln.
Genauso, wie wir uns ärgern, ärgern sich andere Menschen über uns, wenn wir zusammen sprechen. Wir sagen etwas, wollen niemand absichtlich verärgern, lösen aber beim Gesprächspartner einen Schlüsselreiz aus, der den Ärger in ihm hoch kochen lässt. In diesem Falle hilft es, dem anderen den Raum für seine Wut zu geben und ihn reden lassen.
Geht uns das selbst zu nahe, spricht absolut nichts dagegen, das Gespräch zu unterbrechen und um eine Auszeit zu bitten. Diese Auszeit kann dazu genutzt werden, in sich zu gehen um herauszufinden, was eigentlich an den Worten des Gegenübers uns so ärgerlich gemacht hat.
In jedem Gespräch und sogar immer während eines Gespräches, sofern wir uns den Anspruch der Tiefe und Weite stellen, ist es notwendig, uns selbst zu prüfen, welche Worte, welcher Tonfall, Gestik, Mimik in uns eine negative Emotion ausgelöst hat. Esoterik bedeutet Innenschau und daran sollten wir immer wieder denken.
Wut verhindert Tiefe und Weite und hält uns von der Selbstoffenbarung ab. Und gleichzeitig ist dieses Mit-Sich-Selbst-Auseinandersetzen eine schwere Lebensübung. Die Erkenntnis, wo meine eigenen Verhaltensweisen überholt sind oder gar schädlich für mich sind, die Bewusstwerdung, wo ich Personen im Gespräch werte und mich doch eigentlich nach dem Wut-Prinzip richte, benötigt Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Jeder Mensch, der den Wunsch nach Bewusstsein trägt und diesen Prozess schnell und schmerzfrei durchläuft, ist zu bewundern, denn er ist ein Genie.
Denn gleichzeitig ist es an mir zu lernen: wo kommuniziert mein Gegenüber vielleicht flapsig, weil das so seine Art ist oder wann antwortet er mir mit einer (Ab-) Wertung, die ich so nicht akzeptieren will, darf und kann.
In der Kommunikation sind wir wie immer und überall in der Polarität gefangen. Worte sind Waffen und können verletzen Worte sind Medizin und können heilen.
Erinnern wir uns an die 4 Bestandteile der Kommunikation: die Sachinformation, die Beziehung, die Selbstoffenbarung (was wird mir über mich klar, was zeige ich dem anderen von mir) und den Appell (sage ich offen und ehrlich und freundlich, was ich im Sinne habe). Diese vier Komponenten sind notwendig, damit die Kommunikation funktioniert, fehlt auch nur ein Bestandteil, kann es zu Missverständnissen kommen. Dazu haben wir auch noch den Sender und den Empfänger und stellen wir uns dieses Denkmodell mal dreidimensional vor, sehen wir für eine einfache Konversation bereits ein kompliziertes Molekül vor uns und für ein tiefes Gespräch sind unzählige Fallen eingebaut.
Und jedes einzelne Mal ist es notwendig, dass wir uns des inneren Auslösers oder des inneren Übeltäters bewusst werden, um wieder zur schöpferischen Kommunikation zurückkehren zu können.
Es baut sich gleich die erste Falle auf: wir sind ärgerlich und bitten um eine Auszeit. Das steht uns zu, genauso billigen wir das unserem Gesprächspartner zu. Das Gegenüber reagiert mit Unverständnis.
Wenn das Gegenüber nun nicht versteht, dass wir in uns selbst den Grund des Ärgernisses suchen wollen, um weiter zu kommen, dann ist ein tieferes Gespräch nicht mehr möglich, denn es fehlt die uns und der von uns im Gespräch gewünschten Ebene. Da musst du durch, du bist aber empfindlich dieses fehlende Verständnis, diese mangelnde Sensibilität zeugt von einem Wunsch nach Dominanz aber nicht von einem Wunsch nach einen tiefen Gespräch.
Botschaften wie das ist alternativlos oder das weiß doch jedes Kind oder wie kannst du da noch zweifeln? gehören in die Kategorie Manipulation und weisen uns darauf hin, dass ein tieferes Gespräch nicht viel Sinn hat.
Dennoch gibt es Situationen, in denen Manipulationen durchaus erlaubt sein können und Sinn machen, aber das ist ein anderes Thema.
Ein Beispiel, das ich vor einigen Monaten erlebt habe: ein paar Grundschulkameradinnen treffen sich zum Kaffeeklatsch und treffen auf einen Lehrer, den sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen haben. Der Lehrer steht kurz vor seinem 70. Geburtstag und fragt intensiv, ob denn in der nächsten Zeit ein größeres Klassentreffen geplant sei und bringt reghaft Anregungen, wie denn so ein Treffen aussehen könnte.
Sachinformation: die Planung eines Klassentreffens
Beziehung: Ex-Lehrer, Ex-Schülerinnen, Autoritätsgefälle, lange nicht gesehen
Selbstoffenbarung: die Schülerinnen gehen davon aus, dass der Lehrer sich ein Klassentreffen wünscht.
Appell: fehlt
Ein paar Tage später trifft bei einer der Frauen ein Brief des Ex-Lehrers ein, dass zu Anlass seines Geburtstags auf keinen Fall ein Klassentreffen stattfinden solle, das sei sein ausdrücklicher Wunsch.
Ich gestehe: mir ist es unverständlich, dass ein Mensch lange und ausführlich darüber reden kann, was er nicht will, anstatt offen zu sagen, was ihm am Herzen liegt. Wir beschäftigen uns zuviel mit Dingen, die wir nicht wollen, anstatt konstruktiv die Dinge anzusprechen, die uns tatsächlich innerlich beschäftigen. Welche Maske trage ich denn heute mal?
In o.g. Beispiel kam es zu einer Fehleinschätzung im Punkte Selbstoffenbarung: die Ex-Schülerinnen gingen davon aus, dass der Lehrer ein Klassentreffen wünschen würde, was durch den fehlenden Appell noch unterstützt wurde.
Ein weiterer Stolperstein in der Kommunikation sind die beiden Ebenen: Sachebene und emotionale Ebene. Wer kennt das nicht? Der Sender ist auf der Sachebene, fragt, bietet Alternativen an, beleuchtet den Hintergrund und der Empfänger bleibt bei Gefühlen, Wertungen, Allgemeinplätzen. Da hilft nur eines: die Selbstoffenbarung in Form der Bitte, zur Sachebene zurückzukehren oder eine Pause zu machen. Und bringt das immer noch nichts: nun, manchmal ist es eben so: ein tiefes Gespräch ist nicht möglich.
Jeder Mensch hat ein Bedürfnis nach Respekt und Anerkennung. Diese Bedürfnisse stecken aber unter der Wut und unter dem Gefühl, das unter der Wut steckt und wir so ungern fühlen. Sie liegen im Unbewussten und sorgen dafür, dass wir immer wieder in die Ärgerfalle tappen. Als Schaubild wird dies durch ein Eisbergmodell sichtbar gemacht, es gibt im Internet verschiedene Modelle, die Konflikte verdeutlichen.
Spüre ich Aggression in mir und finde ich keinen Weg, sie zu transformieren und abzubauen, steigt wahrscheinlich mein Blutdruck und das Adrenalin lässt mich unruhig werden.
Das menschliche Gehirn reagiert komplizierter als ein Computer und holt einen wertenden Gedanken aus meinem Unbewussten, aus meinem Schattenbereich heraus. Ein unbedachtes Wort, eine Mimik, eine Gestik und schon kriecht der Ärger in mir hoch.
Wer sich ärgert, hat schon verloren: die Souveränität, die Distanz, die Freude an der Diskussion und im Dominoeffekt setzen wir uns leicht ins Unrecht.
Wut war einst ganz nützlich für uns: wir standen vor unserer Höhle und sahen in der Ferne etwas auf uns zukommen: den Säbelzahntiger! Adrenalin schießt in den Körper, unser Blick schärft sich und bekommt den Tunnelblick und alles in uns sagt uns: wir können jetzt gut zuschlagen oder weglaufen.
Heutzutage wird Wut als Sekundärgefühl gesehen. Es entsteht als Reaktion auf etwas, das von außen kommt. Ein Beispiel für ein Primärgefühl wäre die Zufriedenheit, die in uns selbst entsteht und aus uns selbst kommt.
Nun stehen wir also nicht vor unserer Höhle und ein Säbelzahn ist auch nicht in Sicht. Wir sitzen ganz gemütlich mit einem Freud oder zumindest einem guten alten Bekannten auf dem Sofa und von jetzt auf gleich spüren wir diesen Ärger, diese Wut. Wir dürfen nicht zuschlagen und können nicht weglaufen, denn das wäre ja peinlich. Aber verbal können wir gut zuschlagen und hauen unserem Freund mal so richtig eine rein. Wenn der klug ist und / oder uns gut kennt, dann lässt er uns Dampf ablassen und grinst sich einen.
Ist er in Kommunikation geschult, dann weiß er, dass in seinem Freund gerade eine alte Wunde aufbricht und behandelt ihm pfleglich, weil er ihn mag und klärt den Konflikt dann hinterher in der Ruhe.
Unter dem Sekundärgefühl der Wut liegt das Primärgefühl. Das ist da, was uns zu schaffen macht und wir nicht fühlen wollen, weil es weh tut: Ohnmacht, Frustration, Hilflosigkeit, Verletztheit, Verwirrung und andere mehr.
Und noch tiefer im Unbewussten finden wir unter dem Primärgefühl unser Bedürfnis. Hier liegt die eigentliche Verletzung, der eigentlich Schatten, den wir mit uns tragen. Nur ein paar Beispiele: ein Bedürfnis ist Harmonie, Würdigung, Respekt, Anerkennung, Freundschaft, Vertrauen, Bindung, Akzeptanz.
Gehen wir in uns selbst und finden unsere Bedürfnisse und gehen sorgsam mit ihnen um, dann kommen wir weiter auf unserem Lebensweg. Gleichzeitig entwickeln wir Empathie und können das Gegenüber besser verstehen.
Fazit: ein tiefes Gespräch unter Bekannten oder gar Freunden soll Freude und Zufriedenheit bringen, also Gefühle, die ein Loslassen bedingen. Der Mut, des Sich-Fallen-Lassens in das Vertrauen zu dem Gegenüber ist notwendig, soll ein Gespräch tief und schöpferisch sein. Wir brauen hier also das freie innerliche Kind, dass sich dem Lustprinzip hingibt.
Weil wir alle einfach Menschen sind, werden wir auch immer wieder im Gespräch ärgerlich. Denn wer ist schon in der Lage, immer im Hintergrund das Gehirn mitlaufen und mitdenken zu lassen, wenn wir gerade so schön in Fahrt sind und unser Gespräch uns so viel Spaß macht, uns so weiter bringt? Das würde auf Dauer zu einer Überforderung unserer selbst führen. Dennoch sollten wir unseren Ärger immer ernst nehmen, um ihn transformieren zu können. Seid fröhlich, redet miteinander und wenn der Ärger wieder hoch kocht, wie wäre es mit einem kleinen tiefen Gespräch mit dem eigenen Ärger: Hallo Ärger, da bist du ja wieder. Was willst du denn heute von mir?
Ansonsten hilft in diesem Falle Marvin Gaye.